Journal Samstag, 23. April 2022 – Isarlauf statt Wandern

Sonntag, 24. April 2022 um 9:15

Nur mittelunruhig geschlafen, mittellang.

Noch vor dem Kaffeekochen knetete ich den Teig fürs 7-Pfünder Hausbrot. Es gelang hervorragend.

Auf Theresienwiesen-Flohmarkt hatte wir keine Lust. Korrektur: Er findet erst am 30. April statt! (Geplant war gestern trotz angekündigt trübem Wetter eine Wanderung, bevor Herr Kaltmamsell von Arbeit, darunter Abiturkorrekturen, wochenlang verschlungen würde. Doch der Herr fühlte sich nicht recht: Erst bat er um eine kürzere Tour als die geplante, und als ich das nächste Mal nach ihm sah, lag er in seinem Bett. Das ist unerhört, auch bei negativem Coronatest sah das sehr nach Krankheit aus. Wir bliesen das Wandern ab, ich versorgte ihn mit Tee sowie Wärmflasche und ließ ihn schlafen (dass er sich so von mir pflegen und umsorgen ließ, beunruhigte mich fast am meisten).

Ich plante um auf einen Isarlauf und nahm eine U-Bahn zum Theatinerplatz. Zeichen einer Rückkehr zu Prä-Seuchen-Zeit (die wir nicht haben, laut RKI-Wochenbericht von 21.4.2022 sind in Deutschland “etwa 900.000 bis 1,7 Millionen Menschen (…) in KW 15/2022 neu an einer COVID-19-bedingten ARE erkrankt”, saublöderweise gehören dazu vier Personen aus meiner engsten Familie): alkoholisierte Fußballfans in der U-Bahn, Wege blockierende Touristengruppe.

Vom Odeonsplatz lief ich über Hofgarten, Englischer Garten an die Isar nach Norden und zurück. Trotz bedecktem Himmel ein schöner Lauf, ich trabte leicht und unbeschwert – und erstmals seit langer Zeit die ganzen anderthalb Stunden ohne Schmerzen in der den Waden.

Neues zur Vogelschau: Ich verifizierte, dass der schnarrende Laut, der typisch für die Isarauen ist, von Wacholderdrosseln stammt, sah sie auf Wiesen und in Bäumen. Vor der Kennedybrücke viele Schalben in der Luft, Rauch- und Mehl, dazwischen flitzte ein rotbrauner Turmfalke nach Osten. Dominierende Blüte: Felsenbirne.

Laufkleidung gestern: Winterlaufhose, lange Ärmel und hoher Reißverschluss am Hals, drüber Weste; anfangs sehnte ich mich nach Handschuhen. Doch ich bekomme (im Gegensatz zu Buchautorin Jen Gunter laut ihrem Menopause Manifesto) auch beim Sport Glutattacken, und eine davon wärmte mich bis in die Fingerspitzen.

Auf dem Heimweg machte ich einen Abstechter beim Basitsch: Die Maladität von Herrn Kaltmamsell rief nach Hienebriehe, ich besorgte ein glückliches Huhn. (FFP2-Maskentragen in den Läden, in denen ich einkaufe, bei ca. 80-90 Prozent, unter den Angestellten nahezu 100 Prozent, manche allerdings mit OP-Masken.)

Zu Hause Körperpflege. Zum wiederholten Mal der innige Wunsch, man könnte auf Vorrat Nägelschneiden und Rasieren. Zum Beispiel an einem trüben, kühlen Samstag wie gestern für die nächsten vier Wochen vorarbeiten.

Frühstück um halb drei: Frisches Brot mit Butter und der letzten Scheibe Osterschinken. Noch immer schmeckt das selbst gebackene Brot enorm viel besser als alles gekaufte Brot, das ich in den vergangenen Back-losen Monaten gekauft habe. Dazu die Verwunderung, dass Bäckereien Brotteige dunkelbraun färben, ich nehme an mit Zuckercouleur – so wie da oben sieht ein Roggenmischbrot ohne aus, das ist doch hübsch genug? Ebenfalls Frühstück: Zwei Orangen vom adoptierten Baum.

Herrn Kaltmamsell versorgte ich mit Butterbroten und mehr Tee, er lag immer noch im Bett.

In der gestrigen Post waren zwei Briefe vom Amtsgericht München. Im ersten stand, dass ich “wegen Bildung eines weiteren Spruchkörpers nach § 46 GVG” aus der Ersatzschöffenliste zur Hauptschöffin gewählt wurde. Es folgte die Liste von Sitzungstagen für das laufende Jahr. Aus dem angeführten und verlinkten Paragraphen wurde ich nicht schlau: Ist das vergleichbar mit der Einrichtung einer weiteren Abteilung in einem Unternehmen?

Der zweite Brief vom Amtsgericht sagte gleich mal den Mai-Termin von der Sitzungsliste ab. Ich wiederum entschuldigte mich per E-Mail für den September-Termin: Da bin ich im Urlaub, Unterkunft ist bereits gebucht.

Zeit für eine Siesta, die ich sehr genoss, dann setzte ich die Hühnersuppe auf – wie von Oma gelernt mit Zwiebel, Lorbeerblatt, Pfeffer- und Wacholderkörnern, außerdem kamen Ernteanteil-Karotten rein.

Vor dem Nachtmahl gab es als Aperitif Grasshoppers (ein Rest Sahne musste weg). Abendessen war dann Hienebriehe (Herr Kaltmamsell nahm einen zweiten Teller, “Das tut mir richtig gut.”, Sonntag gibt es Hühnereintopf), zudem frisches Brot mit Käse und Aufstrichen, zum Nachtisch ein Stück Schoko-Tahini-Tarte vom Vorabend.

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Der Ukraine-Krieg droht wie schon vorher die Corona-Seuche das global größte Problem zu verdrängen: Den Klimawandel und seine bedrohlichen Folgen. Oder hatten Sie auf dem Schirm, was ein Artikel im National Geographic aufdröselt:
“Hydrologen warnen: Deutschland trocknet aus”.

Deutschland gehört zu den Regionen mit dem höchsten Wasserverlust pro Jahr weltweit. Um eine positive Kehrtwende einzuläuten, müsste sofort gehandelt werden.

Lange Zeit hat man die Wasserthematik in Deutschland vernachlässigt, sagt Pahl-Wostl [Leiterin des Instituts für Umweltsystemwissenschaft und Experte für Water Governance an der Uni Osnabrück und Co-Chair des GIWS]: „Man ist davon ausgegangen, dass die Qualitätsprobleme gelöst sind und Mengenprobleme in Deutschland keine große Rolle spielen. Das hat sich aber letztes Jahr geändert, als erstmals eine nationale Wasserstrategie von Ministerin Schulze der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.” Diese stelle erstmals einen systemischen Ansatz dar. Zwar könnten Dinge konkreter benannt werden, es sei aber ein Schritt in die richtige Richtung, so Pahl-Wostl.

Auch gestern auf meinem Lauf entlang der sehr niedrigen Isar staubte es bei jedem Windhauch, weil die Wege und Wiesen so trocken sind. Dieses Jahr sah ich auch keine Schneeschmelze, die die Isar milchig färben würde: Es hat in den Bergen viel zu wenig geschneit.

die Kaltmamsell

9 Kommentare zu „Journal Samstag, 23. April 2022 – Isarlauf statt Wandern“

  1. Karo meint:

    Weil ich verwundert war – ist der Theresienwiesen Flohmarkt nicht erst nächste Woche?

    https://www.muenchen.de/veranstaltungen/event/9878.html

    Gute Besserung an alle erkrankten!

  2. Alexandra meint:

    Das Wasser beziehungsweise der fehlende Regen beschäftigt mich gerade auch sehr.

    Eine alte Bauernregel, die für die letzten Sommer nach meiner Beobachtung genau gestimmt hat, sagt für die kommende Saison aktuell totale Verregnung vorher und laut einer Freundin sagt das auch der “Hundertjährige Kalender”.

    Die Regel, die ich jedes Jahr um diese Zeit immer im Sinn habe, lautet:

    “Grünt die Esche vor der Eiche hält der Sommer große Bleiche – grünt die Eiche vor der Esche, macht der Sommer große Wäsche.” (Unsicherheit wegen der Kommata … )

    Ich beobachte einen ungeheuer großen Abstand, die Eichen verschiedenster Standorte, Individuen und Arten stehen schon fast unter Volllaub. Selbige Eschen sind – kahl.

    Ich bin echt gespannt …

  3. die Kaltmamsell meint:

    Danke für den Hinweis, Karo, da hatte ich mich vertan! Ich hatte abgespeichert, dass er immer am ersten Samstag des Frühlingsfests stattfindet.

    Dass der hundertjährige Kalender die Klimakatastrophe einkalkuliert hat, Alexandra, bezweifle ich sehr. Oder moderne Feuchtigkeitsmessungen in der Tiefe des Bodens, die für große Teile Deutschlands Verheerendes ergeben.

  4. Alexandra meint:

    Ich werde berichten, wie sich die Niederschläge hier und in diesem Jahr zur Bauernregel verhalten.

    Wie gesagt, ich bin gespannt …

  5. Hiwwelhubber meint:

    … die bäcker nehmen tatsächlich: schlechtestenfalls zuckerkulör, bestenfalls gerstenmalz-sirup für dunkes brot. soll wohl vollkorn oder dgl. vortäuschen? malz macht auch den süsslichen geschmack, der oft geschätzt wird.
    man KANN das auch ins eigene brot tun – aber warum sollte man?

  6. Neeva meint:

    Malz weil es schmeckt und damit die Sauerteigkulturen noch ein bisschen mehr zu essen haben und dann den Teig schön aufgehen lassen.
    Zuckerkulör… Ich schätze das ist die Fraktion “Optik vor Nutzwert”.

  7. Twitter meint:

    Ihre Interpretation des § 46 GVG stimmt!

  8. Sebastian meint:

    Ein beeindruckendes Brot! Auch weil es auf dem Foto dem im Rezept vor 9 Jahren so gleicht wie ein Brot dem anderen in der (guten) Bäckerei.

    Hier seit einer Weile (gute) Erfahrungen mit Selbstgemahlenem aus der Profimühle. Ist das ein Thema im Hause Kaltmamsell?

    Gute Besserung.

  9. die Kaltmamsell meint:

    Ja, Sebastian, habe ich mal durchdacht, mit dem Ergebnis: Nicht noch ein Gerät, und für die meisten meiner Rezepte eignet sich frisch gemahlenes Mehl nicht – das wohl ohnehin nur bei Vollkornmehlen Vorteile bringt.

    Danke, Twitter!

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