Journal Sonntag, 3. April 2022 – Doch noch ein Schneelauf

Montag, 4. April 2022 um 6:29

Lange und vorwiegend gut geschlafen, ich fühlte mich geradezu ausgeruht beim Aufwachen. Auch gestern schlug ich die Augen zu diesem Anblick auf:

Gemütliches Kaffeetrinken und Bloggen, dann machte ich mich fertig für einen Isarlauf – auf den ich mich besonders freute, weil es ein erster Schneelauf seit Jahren sein würde (erst Hüfte kaputt, dann neue Hüfte zu neu, dann kein Schnee). Er war wundervoll, ich blieb sehr oft zum Fotografieren stehen.

Im Nußbaumpark wurde schon auch mit dem Schnee gespielt, links vom Baum.

Verdutzte Forsythie im Alten Südfriedhof.

Wenig los an der Isar, immer wieder ein paar Schneeflocken.

Der Kiosk konnte wohl nicht schnell genug von Aperol Spritz und Wegbier zurückschalten auf Glühwein.

Eine Ahnung von Sonne und blauem Himmel im Süden hinter der Wittelsbacherbrücke.

Kabelsteg in der Ferne, rechts Müller’sches Volksbad – gestern waren fast keine Radln unterwegs, ich konnte auch hier entspannt laufen

Medusa! Was haben sie dir angetan!

Landende Nilgans, Blick vom Föhringer Wehr nach Norden.

Mehr verdutzte Blüten.

Geheimes U-Boot-Treffen in der Gärtnerei des Englischen Gartens.

Sonne!

Der Kormoran trocknete seine Flügel mit energischem Wedeln.

Unter der Kennedy-Brücke.

Blühende Zierkirsche im Schnee.

Eisbach, hier sieht man im Hochsommer badende Kinder, die sich bachabwärts treiben lassen und dann tropfend mit der Tram zurückfahren.

In einer angenehm leeren Tram fuhr auch ich, aber zum Sendlinger Tor. Körperpflege und Anziehen.

Frühstück ließ ich diesmal wirklich aus, also Semmeln, Kuchen, Porridge oder ähnliche Frühstücksspeisen, um zwei gab es den Borschtsch von Vorabend, und zwar allen restlichen (Herr Kaltmamsell hatte sich schon etwas genommen), ohne Schmand – weil ich keine Lust darauf hatte. Gemüse in Reinform (Salat, Gemüsesuppe, gedünstetes Gemüse) geht wirklich in beliebig großen Mengen in mich rein, bevor ich nicht mehr kann. Schmeckte auch diesmal sehr gut, allerdings vermisste ich in den Texturen etwas Beißiges. Wären klassisch ja Fleischstücke, ich kann mir aber auch gekochte Körndln vorstellen, zum Beispiel Grünkern.

Internetlesen, Zeitunglesen, ich las auch Annie Ernaux, Sonja Finck (Übers.), Das Ereignis aus (ein seltsames Büchlein). Am späten Nachmittag eine Obstmahlzeit: Orange und Trauben.

Es war immer mehr die Sonne herausgekommen, so begann draußen das große Tropfen.

Zum Abendessen gab es Dampfnudeln – aber von Herrn Kaltmamsell. Es gibt ja im Hause Kaltmamsell Dampfnudeln als zwei grundsätzlich verschiedene Gerichte: Von mir leicht und fluffig, auf Kartoffeln gegart, von Herrn Kaltmamsell mit Butterkruste unten.

Im Fernsehen ließen wir Bohemian Rhapsodie laufen, und ich stellte fest, dass ich im Kino nichts verpasst hatte: Die Teile der Band-Geschichte, die für den Film verwendet wurden, interessieren mich nicht. (Aber die BBC-Doku, die ich mal zufällig in Brighton erwischt hatte, mit BBC-Material aus Jahrzehnten: Die war superspannend.)

Im Bett das nächste Buch begonnen, Hildegard Knef, Der geschenkte Gaul – vom ersten Absatz an verliebt. Annie Ernaux, Sonja Finck (Übers.), Das Ereignis hatte ich zwar als historisches Zeugnis interessant gefunden: Wie war das, wenn man im städtischen Frankreich Anfang der 1960er als junge Frau unbeabsichtigt schwanger wurde und eine Abtreibung brauchte. Doch die literarische Seite beschäftigte sich auf seltsam verquaste und mir ganz ferne Weise mit dem Akt des Aufschreibens und Erinnerns und ließ mich daran denken, warum ich mit französischen Filmen so oft nichts anfangen kann.

Die Erinnerungen der Knef hingegen beginnen so:

Liebeserklärung an meinen Großvater

Meiner hieß Karl, er war mittelgroß und genauso kräftig, wie er aussah. Er trug den Kopf sehr gerade, die Wirbelsäule auch, und er hatte einen großen Mund mit vielen Zähnen; er hatte sie noch alle 32, als er mit 81 Jahren Selbstmord machte. Sein Jähzorn war das Schönste an ihm, erstens weil er sich nie gegen mich richtete und weil er so wild und rasch kam, wie er verging, und wenn vergangen, wurde sein Gesicht warm wie ein Dorfteich in der Sommersonne und seine Bewegungen verlegen und einem fischenden Bären gleich.

(Zeichensetzung im Original – ich erinnere mich, dass ich beim ersten Lesen als Teenager ständig stolperte und dann sehr beeindruckt von jemandem war, die sogar Kommas festsetzen durfte.)

die Kaltmamsell

8 Kommentare zu „Journal Sonntag, 3. April 2022 – Doch noch ein Schneelauf“

  1. FrauC meint:

    Jetzt würde mich doch interessieren, wie Herr Kaltmamsell Dampfnudeln macht. Werden sie mit Kruste am Boden nicht leicht und fluffig, und warum? Dampf ist doch Dampf, egal ob mit oder ohne Kartoffeln darunter. Und übrigens, was machen Sie nach dem Kochen mit den Kartoffeln?

  2. Ka meint:

    Die UBoote!!!!! Haben mich grade komplett ganzkörperlächeln lassen! Danke dafür

  3. Croco meint:

    Der Geschenkte Gaul, ein wunderbares Buch.
    Ich habe es damals mit 14 aus der Stadtbücherei gelesen und später nochmals.
    Zu der Zeit war Frau Knef ziemlich verrufen, sie nahm auch kein Blatt vor den Mund, und so konnte das, was sie schrieb, niemals Literatur sein. War es aber doch.

  4. die Kaltmamsell meint:

    Ja, Croco, anhand von Knef habe ich den typischen Umgang mit weiblichen Künstlerinnen erlebt: Ich kannte nur ihren Ruf erst als liederliches Frauenzimmer, dann als die mit den Schönheits-OPs. Dass sie klug war, eigenwillig, unvergleichlich kreativ in vielerlei Künsten – das überdeckte man durch das Bewerfen mit Schmutz wirkungsvoll. Und erahnte ich durch dieses Buch.

  5. Herr Kaltmamsell meint:

    >Jetzt würde mich doch interessieren, wie Herr Kaltmamsell Dampfnudeln macht. Werden sie mit Kruste am Boden nicht leicht und fluffig, und warum?

    Doch, sie müssten eigentlich schon fluffig werden, ich habe nur kein Glück mit Hefeteig. Wir wissen also nicht, ob das am Vorgehen liegt oder einfach an mir.
    Die Kartoffeln esse ich am Tag darauf, sie schmecken köstlich gedämpft.

  6. FrauB meint:

    Nun weiß ich nicht, ob Sie Hörbücher mögen. Wenn ja: Hildegard Knef hat das Buch selbst eingelesen und es war ein sehr eindrückliches Hör-Erlebnis für mich.

  7. julisonne meint:

    Wow, danke für den link zur Queen-Doku, das ist ja ein riesiges Vergnügen für kalte Aprilnächte, sehr sehr cool :)

  8. Hauptschulblues meint:

    Der Schwiegervater war ein Knef-Fan und hat viel hinterlassen.

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