Archiv für Mai 2022

Journal Montag, 2. Mai 2022 – Vergebliche Sommerkleidung

Dienstag, 3. Mai 2022

Da mögen meine Blutwerte noch so super gewesen sein, ich fühlte mich beim Aufstehen ausgesprochen unfit und nicht gesund.

Was mich nicht an meinem geplanten Bekleidungs-Experiment hinderte: Ich verkneife mir ja mühevoll den Kauf weiterer Kleidung, unter anderem weil mich eh ausschließlich Sommerkleidung anlacht, mir aber sehr bewusst ist, dass deren Einsatz in unseren Breiten auf höchstens 15 Prozent des Jahres begrenzt ist (selbst im tatsächlichen Sommer hat’s ja kühle Tage). Jetzt versuchte ich’s mal mit Sommerkleid und dicken Strumphosen plus langärmligem T-Shirt drunter. Der erste solche Kombination war schon mal nicht so gut: Im Lauf des Tages stellte ich fest, dass das Sommerkleid in dieser Kombi wie ein OP-Kittel aussah.

Wobei mir mal wieder auffiel, dass die Schaufenster über die Hälfte des Jahres von Sommerkleidung dominiert zu sein scheinen – was machen die Käufer*innen damit?

Das Draußen war wieder ausgesprochen kalt.

Ordentlich Arbeit in der Arbeit. Durchs Bürofenster sah ich einen Zeppelin mit Goodyear-Aufschrift, der mir schon am Samstag überm Dantebad aufgefallen war. Ein schön altmodischer Schriftzug – der halt auch für die alles dominierende Automobilindustrie steht.

Mittags Apfel, gummiges selbstgebackenes Brot (ich musste so viel kauen wie am Vollkornbrot), Orangen-Mandel-Kuchen.

Nachmittags misslangen mir Dinge in der Arbeit, damit kann ich sehr, sehr schlecht umgehen.

Nach Feierabend machte ich einen kleinen Umweg und kaufte doch mal Yoga-Blöcke (sehr praktisch: ich hatte vorher im Web sicherstellen können, dass diese Filiale sie im Bestand hatte – mit Anbindung ans zeitgenössische Warenwirtschaftssystem technisch kein Problem, dennoch eine selten angebotene Funktion). Ich fühlte mich gar nicht wohl, mir war leicht übel und ziemlich wackelig. Doch ich freute mich auf eine halbe Stunde Yoga daheim. Es wurde eine zweite Einheit mit der hier empfohlenen Bärbel Miessner: Auch diese richtet sich an Menschen mit Vorkenntnissen, sagt die meisten Bewegungen und Haltungen lediglich an, legt ein flottes Tempo vor. Erstmals setzte ich einen Yoga-Block ein. Und wieder ging es mir danach deutlich besser als vorher. Allerdings merke ich: Je länger ich Yoga in aller Freiheit für mich allein zu Hause turne, desto höher wird die Hürde, das mal live in einer Gruppe mit echter Vorturnerin zu tun – ich bezweifle, dass ich dort dieses “find what feels good” bekomme. Hat hier jemand eine verlässliche Empfehlung fürs Münchner Zentrum (im Altstadtring bis Westenend), Hatha/Vinyasa? Ich bitte um Influencierung.

Als Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell Pak Choi aus Ernteanteil mit einer Hand voll Ruccola aus derselben Quelle chinesisch mit Sojahack als scharfes Pfannengericht, dazu Reis – ganz hervorragend. Nachtisch Osterschokolade.

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Warum viele dem Internet keine Zukunft zutrauten – und manche halt doch.

Journal Sonntag, 1. Mai 2022 – Brot-Fail, neue Kunst

Montag, 2. Mai 2022

Die Nacht war ok, nach dem Aufwachen um halb fünf konnte ich nochmal zwei Stunden schlafen.

Erstmal sah ich nach dem Teigling des San Francisco Sourdough Bread im Kühlschrank, kalte Gare über Nacht: War nicht wirklich aufgegangen. Ich ließ ihm nochmal zwei Stunden bei Zimmertemperatur und buk erst dann im Eisentopf – das Brot misslang trotzdem.

Wahrscheinlich hatte der Weizensauerteig nicht genug Power gehabt.

Das Wetter zum Maianfang: Kühl und düster. Ich hatte trotzdem Lust auf eine Laufrunde. Diesmal dachte ich endlich daran, Adrienes Yoga For Runners – Warm Up Sequence vorher durchzuturnen: Tat gut.

Dennoch machte die linke Wade schon nach 30 Minuten Zicken und ballte sich schmerzhaft. Nach einer weiteren halben Stunde gesellte sich die rechte dazu. Ich hatte eh keine große Runde vorgehabt, nach 75 Minuten marschierte ich den Rest – zackig, um nicht zu frieren.

Ich war bei allerleichtestem Regenhauch (Gischt) über den Alten Südfriedhof Richtung Isar losgelaufen, der Schirm meiner Mütze hielt die Tropfen von meiner Brille. Auf dem Weg nach Thalkirchen auf der westlichen Isarseite wurde der Tropfengehalt in der Luft immer geringer. Ich lief bis zur Brücke Maria Einsiedel, auf der östlichen Isarseite zurück.

Neue Street Art unter der Brudermühlbrücke:

Das zweite ist wirklich mal ein ganz anderer Stil.

Nachdem ich Samstagnacht um die Wittelsbacherbrücke Fledermäuse gesehen hatte, war die Brücke jetzt Schwalben-umflogen.

Zum Frühstück um eins gab es misslungenes Brot mit Butter (hier wird nichts Essbares weggeworfen), Orangen, ein Stück Orangenkuchen.

Halbes Stündchen Siesta, den weiterhin düsteren Nachmittag verbrachte ich mit Zeitunglesen, Internetlesen, ein wenig Bügeln, Hosenbeine kürzen an der blauen Jeans (nach innen eingeschlagen festnähen). Es war so geruhsam, dass mir fast ein wenig langweilig wurde. (Dabei hätte es durchaus zu erledigendes gegeben, zum Beispiel zwei alte Sessel über ebay Kleinanzeigen zu verschenken, aber so weit ging es dann doch nicht.)

Zum Nachtmahl bereitete Herr Kaltmamsell ein Pastagericht zu, das meinen Namen trägt. Es schmeckte ausgezeichnet, ich liebe Garnelen. Zum Nachtisch ein Stück Kuchen, Osterschokolade.

Im Fernsehen ließen wir Charade laufen – und ich musste mich aufregen, dass Drehbuchautor Peter Stone die Hauptfigur, obwohl Simultandolmetscherin bei den Vereinten Nationen, derart hilflos zeichnete, dass sie ohne männliche Hilfe nicht mal ein Hotelzimmer in Paris finden konnte.

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Interessante Hintergründe von Politikwissenschaftler Mykola Borovyk:
“‘Die Ukraine ist nicht einmal ein Staat’
Von der Geschichtsfälschung zum Angriffskrieg”.

Auch die öffentliche Debatte in Deutschland zeigt, dass hierzulande immer noch Illusionen und falsche Vorstellungen über die Ursachen des Krieges bestehen. Diese Ursachen sind nämlich nicht in den Beziehungen zwischen Staaten und zwischen militärisch-politischen Blöcken zu finden, sondern in Russland selbst. Dem Regime, das sich dort in den letzten zwanzig Jahren entwickelt hat, sind aufgrund seiner Natur Konflikte und Kriege immanent. Als die gesamte westliche Diplomatie versuchte, die russische Großinvasion mit Kompromissen zu verhindern, war der Krieg tatsächlich bereits unvermeidlich. Denn für die Menschen im Kreml, aber auch für viele Russen, sind die Liquidation der Ukraine als Nation und die Auflösung ihrer Staatlichkeit der einzig befriedigende Ausgang dieses Konflikts.

Warum ist dem so?

(…)

Das Konzept der „russischen Welt“ wurde zur ideologischen Grundlage einer revanchistischen Politik. Viele Russen sehen ihr Land als eine separate Zivilisation, das letzte Zentrum wahrer Religion, Kultur und traditioneller Werte. Sie glauben an eine besondere russische Mission – nämlich diese Werte und diesen Glauben zu bewahren und die Welt vor moralischem Verfall und Erniedrigung zu retten. Der Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche Kirill sagte kürzlich, dass Russland in der Ukraine diejenigen Menschen schützt, die keine Schwulenparaden in ihren Städten haben wollen. Diese „russische Welt“ umfasst dabei mehr als das heutige Russland. Zwar wird nirgendwo definiert, wo ihre Grenzen verlaufen – angesichts der heiligen Töne in diesem Konzept ist jedoch klar, dass die Ukraine und insbesondere Kiew, als das „Taufbecken Russlands“, unbedingt dieser Welt angehören müssen.

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Ein Multimedia-Artikel in der New York Times: Wie der Fund eines Stapels Musikkassetten zur Geschichte der Schwulen-Community auf Fire Island (vor Long Island) in Zeiten von AIDS führte.
“Hidden in a Fire Island House, the Soundtrack of Love and Loss”.

via @misscaro

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Ich wiederhole es gerne: Wer gut schreiben kann, kann über alles gut schreiben. So zum Beispiel novemberregen, so zum Beispiel über Atmen:
“30042022”.
(Sehen Sie, Adriene: Das Thema Schnaufen muss gar nicht so langweilig und nervig sein wie bei Ihnen.)

Journal Samstag, 30. April 2022 – Schwimmen, Brotteig und Pizza

Sonntag, 1. Mai 2022

Nacht ganz ok, aber zu kurz, zur Abwechslung auch mal mit externer Störung: Um halb vier wachte ich von lautem Streit auf der Straße auf, musste das Fenster schließen.

Da ich schon um sechs wach war, kam ich besonders früh zum Schwimmen los und war noch vor halb zehn im Dantebad. Ich machte mir Hoffnung auf ein wenig beschwommenes Becken, da laut Google-Auslastungsanzeige samstags früher weniger los ist. Mein Denkfehler: Das Dantebad besteht aus Schwimm- und Plantschbereich (Wasserschnecke, Sprudeldüsen), früh kommen eher die Schwimm-Interessierten, erst später die Plantscher und Sprudlerinnen. Also teilte ich mir sogar mit besonders vielen die Schwimmbahn, zum Glück fast ausschließlich kooperative und rücksichtsvolle Menschen. Meine Waden ließen mich krampflos 3.300 Meter schwimmen.

Durch Aushänge erfuhr ich, dass das Dantebad ab Montag bis zum 13. Mai wegen Wartungs- und Reinigungsarbeiten komplett geschlossen ist. Ich könnte mal wieder im Olympiabad schwimmen; gestern fror es mich zwar auch im besonders warmen Wasser des Dantebads, aber auch das erkläre ich mir inzwischen mit den Klimakteriums-bedingten Temperaturschwankungen und versuche es zu ignorieren.

Auf dem Heimweg Bäckerstopp zum Semmelnholen. Daheim setzte ich erst mal Sauerteig und Autolyseteig für San Francisco Sourdough Bread an, das einen halben Tag Fürsorge braucht und deshalb seit Monaten als offener Tab auf seinen Einsatz wartet.

Einen Vorteil hatte das Timing meiner Schwimmrunde dann doch: Ich blieb beim Radeln trocken. Kurz nach meiner Heimkehr setzte nämlich der angekündigte Regen ein. Zum Frühstück gab es Semmeln und den gekochten Orangen-Mandel-Schoko-Kuchen (weitere Korrektur neben Reduzierung der Orangen-Kochzeit auf eine Stunde: es braucht eine Backform mit 24 cm Durchmesser, die 20-cm-Springform aus dem Rezept wäre gründlich übergelaufen).

Der Kuchen schmeckte ausgezeichnet.

Der Nachmittag war strukturiert von Brotteig-Handgriffen (gebacken wird erst Sonntagmorgen). In einer Geh-Phase legte ich mich zu einer Siesta hin, in einer anderen las ich Internet und Zeitung, in einer weiteren probierte ich Yoga von Yogamour aus, eine ausgesprochen zackige halbe Stunde – für eine Wiederholung lege ich mir dann aber doch endlich Yogablöcke zu. Und in noch einer stellte ich Lieblingstweets zusammen.

Fürs Abendessen hatte Herr Kaltmamsell in La Sophia reserviert, einer schicken Pizzeria am Kolumbusplatz. Wir spazierten unter vorübergehend aufgerissenem Himmel hin.

Das Denkmal für DIE MORDWEIHNACHT VON SENDLING! auf dem Alten Südfriedhof ist fertig restauriert. Im Vorbeigehen entdeckt (ich entdecke ja jedes Mal etwas auf dem Alten Südfriedhof):

Das Grab von Turmuhrmacher Johann Mannhardt – “ein Universalgenie und ein großer Erfinder”.

Johann Mannhardt soll insgesamt 1200 Türme öffentlicher Gebäude mit Uhren ausgestattet haben – darunter die Münchner Frauenkirche, das Berliner Rathaus und der Kölner Dom. Seine Präzisionsuhrwerke im Großformat exportierte er in alle Welt.

Im La Sophia wurden wir freundlich umsorgt, aßen gemischte Antipasti und Pizza (ok), tranken Rosato/Giesing Mule, ein Fläschchen Nachschlag vom fränkischen Weingut Stahl (sehr schön frisch).

Sehr satter und zufriedener Spaziergang nach Hause in leichtestem Regentröpfeln, daheim noch ein Glas edler spanischer Brandy.