Journal Montag, 19. September 2022 – San Sebastián 4: Wandern auf den Biozkorna-Pass

Dienstag, 20. September 2022 um 9:35

Zu unseren Plänen für den Baskenland-Urlaub gehörte unbedingt Wandern, wir hatte die Ausrüstung dabei. Außerdem hatte ich den Rother-Wanderführer Baskenland durchgearbeitet nach Touren, die man mit Öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen kann, vier davon ausgesucht und Herrn Kaltmamsell am Sonntag vorgestellt. Er entschied sich als erste für die anspruchsvollste Tour mit 750 Höhenmetern: Eine Rundwanderung über den Pass von Biozkorna, Start am Bahnhof von Brinkola.

Ich war extra früh aufgestanden, um den Blogpost über den Sonntag fertigzustellen, hatte aber unterschätzt, wie voll der Tag gewesen war, und geriet dennoch in Eile. An den Bahnhof kamen wir auch so früh genug, um unterwegs und dort noch Brotzeit zu besorgen (Äpfel, Empanada de atún) – und nach vergeblichen Versuchen, mit dem QR-Code der vortags per App gekauften Tickets auf meinem Handy-Bildschirm zu den Gleisen zu gelangen, das Personal um Hilfe zu bitten. Stellte sich heraus, dass der QR-Code lediglich dazu dient, am Fahrkarten-Automaten Tickets aus Papier ausgeben zu lassen: Sie erst haben den Magnetstreifen, der die Türen zu den Gleisen freigibt (Personal sehr nett).

Foto: Herr Kaltmamsell.

Mit neuer Wanderhose, die überm Po zwei Gummischlaufen für das Verräumen der Wanderjacke hat: Erwiesen sich tatsächlich als sehr praktisch, die Jacke benötigte ich nämlich letztendlich nicht.

Der Pendlerzug brauchte für die 44 Kilometer nach Brinkola regulär 75 Minuten, weil er unterwegs sehr, sehr oft hielt – aber wir sind ja im Urlaub und guckten viel aus dem Fenster. (Maskendisziplin im Zug bei fast 100 Prozent, auf der Rückfahrt stiegen auch mal zwei Seguridad-Herren zu und kontrollierten).

An der Endstation Brinkola waren wir mit einer weiteren die letzten Fahrgäste. Der Bahnhof besteht aus lediglich einem Durchgang und verfügt nicht mal über einen Fahrkartenautomaten. So einsam sollte es über die ganze Wanderung bleiben: Wir begegneten nur am Anfang einmal weiteren Wanderern, außerdem dreimal Geländeradlern – das war’s, herrlich. Und das Wetter tat uns mit Sonne und lediglich milder Wärme den Gefallen, ideal zu sein.

Die Wanderung selbst erwies sich als wunderschön. Der Aufstieg bot die angekündigten atemberaubenden Aussichten, je höher, desto weiter. Wir sahen Tiere, verschiedene Landschaften von Wiesen über Mischwald bis Nadelwald, dann Gebirgiges, glucksende Bachläufe, alte Häuser. Apropos Tiere: In der Wegbeschreibung war mehrfach von Almen die Rede, wir hörten auch schon bald Kuhglocken. Doch die zugehörigen Tiere erwiesen sich als kleine Pferde, die wir überall in den Wäldern und bis ganz oben auf dem Pass von Biozkorna antrafen. Geboten bekamen wir zudem neben Schafen auch Eidechsen, in der Luft auf den Thermiken Greifvögel, darunter ziemlich sicher auch Geier.

Der Aufstieg war hervorragend markiert. Wir brauchten die Beschreibung aus dem Rother-Wanderbüchl nur, um Sehenswertes nicht zu verpassen (wobei die Reihenfolge auch mal von der tatsächlichen abwich). Doch auf den ersten anderthalb Stunden des Abstiegs wären wir ohne die GPS-Daten, die der Rother-Verlag zum Download bereitstellt, aufgeschmissen gewesen: Es gab keinerlei Markierungen, die Beschreibung war mehr als vage, und alle paar Minuten verzweigte der Weg und erforderte eine Entscheidung. (Aufgabenteilung: Wanderbüchl ich, GPS-Track Herr Kaltmamsell.)

Brinkola.

Der kleine Stausee Barrendiola, den man von oben gut sieht.

Von Weitem sagte ich noch: “Schau mal, ein Gerippe. Mal sehen, von welchem Tier es ist.” Und hielt das für einen Scherz, da ich irgendein Maschinenteil erwartete. Beim Näherkommen stellte sich heraus: Tatsächlich ein Gerippe, und zwar von einem Rind. Einen Tierkadaver von dieser Größe mitten auf dem markierten Wanderweg mitten im Wald hatte ich wirklich nicht erwartet. Er roch auch deutlich.

Die Kuhglockenträger.

Pause machten wir nach zweieinhalb Stunden Wanderung, nämlich auf dem höchsten Punkt, dem Pass. (Was unaufmerksam von mir war, mein Mitwanderer wäre eigentlich bei diesem teilweise recht steilen Aufstieg schon vorher pausenbedürftig gewesen. Was ich erst am Sinken seiner Laune merkte.)

Im Windschutz eines Felsens gab es Apfel und Empanada, beides sehr wohlschmeckend.

Übrigens hier ein Tipp: Wenn Sie auf einem hohen baskischen Berg niedrig wachsende Minze sehen: Nicht die Blättchen herzhaft zwischen den Fingern zerreiben, sind Brennnesseln. #fürSiegetestet

Kurz vor Brinkola kamen wir durch eine kleine Siedlung mit restaurierten und beschilderten Häusern: Eine ehemalige Schmiede.

Am Bahnhof Brinkola mussten wir 40 Minuten auf den nächsten Zug zurück warten, doch wir waren beide erschöpft genug, dass Sitzen schon mal gut tat: In knapp sechs Stunden waren wir 17 bergige Kilometer gewandert, mit einer ausführlichen Pause.

Als Nachtmahl entschieden wir uns für Ferienwohnungsessen. In San Sebastián kauften wir im Supermarkt des Mercado San Martín ein, und so gab es dann baskischen Käse, Tomatensalat (nachgereift vom samstäglichen Markteinkauf) mit Zwiebel (so gut!), Maisbrot (leider enttäuschend), Rotwein extremeño vorm Fernseher.

Nachtisch: Restliche Geburtstagstorte, Schokolade.

Fernsehen war sehr interessant. Zum Beispiel weil der Schwerpunkt der Nachrichten gestern der Jahrestag des Vulkanausbruchs auf La Palma war. Hauptproblem sind demnach die giftigen Gase, die immer noch verhindern, dass viele in ihre Häuser zurückkehren können – und die befragte Vulkanologin erklärte, dass es für diesen Fall einfach noch keine Erfahrungswerte gibt, die Prognosen ermöglichen würden. Zweitwichtigste Meldung: Die spanische Basketball-Männermannschaft hat die Europameisterschaft gewonnen. Berichterstattung über die gestrige Bestattung von Queen Isabel II gab es schon auch, Hauptaugenmerk allerdings darauf, dass der amtierende spanische König Felipe VI direkt neben dem emeritierten Juan Carlos saß, sie wohl ein erstes Mal nach über zwei Jahren zusammen zu sehen waren, dass also das britische Protokoll eingehalten wurde.

die Kaltmamsell

9 Kommentare zu „Journal Montag, 19. September 2022 – San Sebastián 4: Wandern auf den Biozkorna-Pass“

  1. mareibianke meint:

    Danke fürs Mitnehmen!
    Ich habe in Ihrem Post ein weiteres Tier entdeckt:
    den Geländer-Adler!
    Wünsche weiterhin erholsamen Urlaub!

  2. Elbwiese meint:

    Das Gerippe dürfte der indirekte Geier-Nachweis sein.

    (War mal im Yellowstone, es war der erste Tag nach Winterschließung. Überall auf und an den Wegen, im Schlamm bei den heißen Quellen usw. lagen tote Bisons in unterschiedlichen Verwesungsstadien. Von frisch-tot bis Gerippe war alles dabei.
    Deshalb sind Geier, Bären, Wölfe so wichtig für Ökosysteme: sie öffnen die großen Kadaver und machen dadurch die Nahrung erst für alle anderen incl. Bodenlebewesen verfügbar.)

    Gute Erholung, viel Vergnügen und Genuß wünsche ich!

  3. Croco meint:

    Was für eine schöne Wanderung! Und Aussichten gibt es da, herrlich. Ich mag die Landschaft sehr.
    Und es gibt sogar Bahnsteigkarten, wie ganz früher bei uns.
    Man kommt ohne Karte nicht an den Zug, so könnte man Schwarzfahrer auch abschrecken. Und ersparte sich manche Fahrkartenkontrolle.
    Aber nun.
    Die Spanier haben ja einen eigenen König, die müssen nicht bei fremden ausflippen.

  4. Joël meint:

    Die kleinen Pferde heißen Pottok und sind eine sehr alte und seltene Pferderasse aus dem Baskenland.

  5. die Kaltmamsell meint:

    Vielen Dank, Joël, jetzt habe ich endlich den richtigen Suchbegriff!

  6. Ilka meint:

    Danke für die Schilderungen (und den Wissenszuwachs in Bezug auf Fahrkarten und Brennnesseln).
    Wünsche weiterhin schönen Urlaub!
    Ilka

  7. Cora meint:

    Danke für die ausführliche Schilderung der erste Wanderung in Ihrem Uralub! Eine Frage habe ich …. Woher hat Herr Kaltmamsell die eiserne Kondition, um mit Frau Kaltmamsell mithalten zu können?? Joggen und schwimmen Sie jeweils getrennt, oder hat Herr Kaltmamsell diverse Trainingsgeräte zuhause, mit denen er sich fit macht? Ich frage für eine Freundin …. Bin gerade am Gardasee, wo gefühlt alles steil ist und man schnell aus der Puste ist.

  8. Martina meint:

    Ich freue mich schon auf die weiteren Wanderungen. Und besonders freut es mich, dass sie einen Rother Wanderführer nutzen, das sichert meinen Job Ich zeichne für den Verlag viele Wanderkarten für die Wanderführer (leider nicht das Baskenland). Und falls Sie Fehler finden, geben Sie dem Verlag gerne eine ausführliche Rückmeldung. Diese werden dann für die nächste Auflage gesammelt. Nicht immer sind die Angaben/Unterlagen der Autoren eindeutig oder Daten ändern sich nach dem Drucktermin.

  9. Sebastian meint:

    Gern gelesen! Schaut am Anfang und Ende aus wie im Harz. Minus Rinderkadaver und Glockenpferde. Plus Borkenkäfer. Na, dann vielleicht doch nicht. Freu mich auf mehr. Und Grüße an den wackeren Herrn.

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