Journal Sonntag, 27. August 2023 – Regensonntag und Daniela Dröscher, Lügen über meine Mutter

Montag, 28. August 2023 um 6:32

Mittelgut geschlafen, vor allem nicht lang genug. Draußen kühler Regen.

Ich startete den Sonntag mit Geschäftigkeiten: Waschmaschine mit Bettwäsche bestücken und anschalten, Geschirrspüler ausräumen, Hefeteig für Zwetschgendatschi kneten. Nach meinem Morgenmilchkaffee bereitete ich die spärliche Zwetschgenernte vom Vortag dafür vor.

70 Prozent musste ich den Würmern überlassen, ach meia.

Aber ich hatte mir Zwetschgendatschi in den Kopf gesetzt, also machte ich Zwetschgendatschi.

Kombiniert mit Butterkuchen.

Der Regen sollte sich laut Wettervorhersagen den ganzen Tag hinziehen, ging ich halt bei Regen auf meine Laufrunde und schlüpfte in die Regenjacke, setzte meine Schirmmütze auf. Starker Regen, weniger starker Regen, Tröpfeln. Es war besser als kein Lauf, dennoch mit nur übersichtlichem Vergnügen (Schwitzen unter Regenjacke, der Schirm der Mütze drückte entweder zu sehr auf die Brillenbügel oder schützte die Gläser zu wenig).

Schnell noch Frühstückssemmeln besorgt, Heimkehr mit nassen Füßen. Feudales Frühstück um halb zwei: Körnersemmel mit Käse, Hälfte des Zwetschgendatschis (sehr gut) mit Sahne. Als Resultat trat Bettschwere ein, ich machte ein wenig Siesta. Danach ging ich die wohl letzte große Bügelrunde des Sommers an.

Endlich wieder Gelegenheit für eingemerkte Podcasts. Erstmal drei ARD-Korrespondent*innen in Moskau:
“Inside Russland: Der Preis des Krieges”.
(vom 23. August 2023 – also vor dem wahrscheinlichen Tod Prigoschins, dazu nur eine kurze Bemerkung am Schluss nach Aufzeichnung)

Und dann noch die neueste Folge Fix und vierzig: “Brauchen wir wirklich eine Beauty-Routine?”
Goldener Satz von Katja Berlin: “Ich hab zum Beispiel für mich die Erfahrung gemacht: Das beste Schönheitsmittel für mich ist, einfach keine Spiegel zu haben.”
Wichtiger Hinweis: “Was dich am schnellsten altern lässt, ist eben Armut.”
(Und hinreißend, wie Gunda Windmüller vornehm “Crähm” sagt, bei mir Bayerin ist das halt “a Crreme”.)

Draußen dauerhafter Regen.
Die Yoga-Gymnastik des Tages war zackiges Krafttraining, mir wurde ganz schön warm.

Zum Nachtmahl verarbeitete Herr Kaltmamsell die Aubergine aus Ernteanteil in Pasta alla Norma nach einem Rezept aus Rachel Roddys A-Z of Pasta (sie nimmt allerdings Spaghetti, wir hatten Casarecce).

Ganz hervorragend – und besser als in der Woche zuvor in der Goldmarie: Diese Version schmeckte viel deutlicher nach der Aubergine, wurde umgehend ein Auberginen-Liebling. Zum Nachtisch gab es Butterkuchen und Schokolade.

Ein Tag mit unwohnlicher Küche: Wir hatten festgestellt, dass unter der Waschmaschine Wasser austrat – obwohl sie seit mehreren Tagen nicht gelaufen war und ohne Veränderung bei Betrieb. Herr Kaltmamsell übernahm es, systematisch nach der Quelle zu suchen, dafür musste die Waschmaschine herausgezogen in der Küche stehen.

Ausgesprochen unangenehmes Ergebnis der Analyse: Das Wasser kommt aus keinem Schlauchleck oder undichtem Anschluss, sondern aus der Wand – wir entdeckten ca. zwei Quadratmeter nasse Wand hinter der Küchenzeile, zum Teil bereits mit schwarzen Stellen. Herr Kaltmamsell wird sich am Montag um schnelle Hilfe bemühen müssen (was ein Glück, dass er noch Ferien hat).

Früh ins Bett, um die nächste Lektüre anzugehen: Ewald Frie, Ein Hof und elf Geschwister, jetzt mal eine offizielle Familiengeschichte ohne “Roman”.

§

Daniela Dröscher, Lügen über meine Mutter ausgelesen. Nochmal Autofiktion, also eigentlich Biografisches, das als “Roman” verkauft wird. Aber in diesem Fall wird die “autofiktionale Stimme” thematisiert, in der Danksagung heißt es sogar “ich danke Claudia Hamm für ihre Gedanken zur autofiktionalen Stimme”. Das gefiel mir sehr gut.

Autorin Daniela Dröscher ist es explizit selbst, die von ihrer ganz konkreten Mutter erzählt, von ihrer Kindheit im Hunsrück, in der diese Mutter vom eigenen Ehemann auf ihren in seinen Augen zu dicken Körper reduziert wird, in der dieser Vater seine Frau mit allen Mitteln und Gemeinheiten zum Abnehmen bringen will. In der die Autorin selbst schon als Kind in die eigentliche Elternrolle schlüpfen muss.

Dröscher thematisiert die Erzählsituation, lässt in der Gegenwart ihre Mutter dazu Stellung nehmen, dass ihre Tochter ein Buch über sie schreibt. Ganz am Anfang heißt es und erklärt den Titel des Buchs:

“Wenn du nicht endlich redest”, drohe ich, “muss ich etwas erfinden. Ich muss lügen.”
“Nur zu. Das ja dein Beruf.”

Denn es gibt bis in die Gegenwart so viele Geheimnisse in dieser Familie, so viele nicht gesagte Dinge. Dröscher schiebt immer wieder kursiv gesetzte Zwischenkapitel ein, in denen sie die eben erzählte Situation analysiert, aus erwachsener Perspektive und manchmal mit Ausblicken auf die Zukunft. Das entzieht dem Erzählen das So-tun-als-ob, es reißt die vierte Wand ein, die auch in einem Roman so tun kann, als würde hier gar nicht erzählt, sondern ein Erlebnis vermittelt.

Es schützt auch vor zu starkem Mitfühlen, denn es sind unangenehme Erlebnisse, die erzählt werden. Ein weiteres solches Schutzmittel ist das Thematisieren von Sprache. Dröscher betont, wie wichtig ihr schon immer Sprache war; immer wieder verwendet sie sprichwörtliche Floskeln aus ihrer Kindheit, die sie schon als Kind faszinierten, markiert sie durch Kursivsetzung.

Die eigentliche Handlung bricht ab, als die Erzählerin Ela acht oder neun ist. Wir erfahren nur in einer kurzen Zusammenfassung, wie es weiterging. Und nur die Mutter im Titel hat einen Auftritt in der Gegenwart, der weitere Lebensweg aller anderen Figuren bleibt offen – auch das gefiel mir sehr gut.

die Kaltmamsell

4 Kommentare zu „Journal Sonntag, 27. August 2023 – Regensonntag und Daniela Dröscher, Lügen über meine Mutter

  1. Karin meint:

    Guten Morgen! Sehr kreative Lösung, das mit dem Butterkuchendatschi!
    Daniela Dröschers Roman fand ich auch sehr gelungen – obwohl (oder vielleicht auch weil?) ich beim Lesen zum Teil echtes Unbehagen empfunden habe…

  2. Susann meint:

    “Routinen” scheinen gerade in Instagram-Musterhausfrauen-Kreisen gerade recht in zu sein, die Morgenroutine, Aufräumroutine, Putzroutine, Fitnessroutine, Kochroutine und eben auch die Schönheitsroutine. Ich nehme an, das hat einen Wiedererkennungswert und ist deshalb gut vermarktbar?
    Oder ein großer Teil des Instagrampublikums besteht aus Haushaltsmuffeln, wie ich es einer bin, die auf vermeintlich leicht zu implementierenden Routinen, die die Haushaltsarbeit erleichtern, anspringen? Ich weiß es auch nicht, aber es fällt mir sehr auf.

  3. Karin meint:

    Guten Morgen,
    ich bin gespannt, was Sie zu “Ein Hof und elf Geschwister” sagen. Für michim Münsterland hat es ja quasi Lokalkolorit.

  4. Gudrun Thäter meint:

    Im Nachgang zum Buch könnte dieses Gespräch sehr interessant sein https://podcasts.apple.com/de/podcast/salon-holofernes/id1504518443?i=1000612555759

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