Archiv für August 2023

Journal Donnerstag, 3. August 2023 – Café vs. Bar

Freitag, 4. August 2023

Gut geschlafen, aber nicht genug: Eine Stunde vor Weckerklingeln aufgewacht.

Vormittag mit starkem Wind, der die losen Kabel von Außenjalousienarbeiten heftig gegen mein Bürofenster wummte, aber auch wunderbar sonnig.

Auf meinen Mittags-Cappuccino ging ich in ein neu eröffnetes Tagescafé im Westend, das diese Woche nur an wenigen ausgesuchten Tagen und Stunden geöffnet ist, die ich gezielt abgepasst hatte: DUUO.

Was mir mal wieder auffiel: Man ist in hiesigen Cafés weiterhin nicht auf Kundschaft eingerichtet, die nur schnell einen Kaffee, Espresso, Cappuccino trinken möchte wie ich. Sondern auf Leute, die sich an einen Tisch setzte, bedient werden, denen serviert wird, die auch zum Bezahlen nochmal die Bedienung rufen. Die Entsprechung zur italienischen Bar, wo das geht (auch in spanischen Bares, und in Paris vergangenes Jahr nuzten die Einheimischen die Nachbarschafts-Bars zumindest morgens dafür), sind am ehesten die “Speciality Coffee”-Läden, die außer Kaffee höchstens noch ein paar süße Teilchen anbieten. Und Firmen-Cafeterien. Europa der kulturellen Unterschiede? Bitteschön.

Später gab’s am Schreibtisch zu Mittag eine Scheibe selbstgebackenes Brot (auch an Tag 3 noch gut), viele gute italienische Aprikosen und Pfirsiche.

Mein beruflicher Erfolg des Tages, aka vielleicht bin ich mein Gehalt ja doch wert: Leute miteinander verbunden, die zum selben Thema durch die Gegend arbeiteten und nichts voneinander wussten. Zweimal. (Nein, steht nicht in meinem Aufgabenprofil, war reine G’schaftlhuberei auf der Basis von acht Jahren Zugehörigkeit zu meinem Arbeitgeber.)

Nach Feierabend fuhr ich in den Münchner Osten: Ich wollte den großartigen burgenländischen Rosé Pittnauer Dogma nachkaufen, und der wird zwar auch beim Ösiwein verkauft, wo allerdings fast nie geöffnet ist. Auf der Website des Weinguts hatte ich gelesen, dass auch die Weinhandlung Weinfurore am Leuchtenbergring den Wein führt, also fuhr ich mit der S-Bahn an den Leuchtenbergring. In dem schönen, großen und auf österreichische Weine spezialisierten Laden gab es nur noch eine Flasche des Wunschweins (sie bestellen nach), also sah ich mich noch ein wenig um und ergänzte zum Probieren einen ebenfalls burgenländischen Preisinger roten Kalkundkiesel – einen roten Gemischten Satz.

Vom Marienplatz spazierte ich zu Fuß heim, in herrlich sonnigem und mildem Wetter: Seit ein paar Wochen bekommen wir den Sommer nur stundenweise.

Zurück daheim Yoga-Gymnastik, dann servierte Herr Kaltmamsell zum Nachtmahl Spaghetti mit Zucchini aus eben geholtem Ernteanteil. Nachtisch Mirabellen (YAY! danke, Herr Kaltmamsell) und Schokolade.

“Entsetzen und Schockstarre” waren die ersten Wörter der 20-Uhr-Tagesschau, ich erschrak heftig – UND DANN GING’S UM SCHEISS FUSSBALL?!

Früh ins Bett, um im nächsten Roman weiterzulesen: Julie Orringer, Transatlantic. Gab’s nicht in der Stadtbücherei, dieses e-Buch kaufte ich also nach Langem mal wieder. Nach Südstaaten-Klischees bekam ich jetzt Marseille 1940 und einen US-amerikanischen jungen Mann, der verfolgten Künstlern zur Flucht verhelfen soll.

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Dank dem Invite-Code von der fabelhaften @GywerMelanie habe ich jetzt auch ein Konto bei Bluesky (für den Fall, dass das das neue Twitter wird): Auch dort findet man mich unter Kaltmamsell.

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Fotografie schön und lustig:
“Lights as fungi, beautiful series by Norwegian photographer Rune Guneriussen.”

Hier die ganze Serie von Guneriussen über viele Jahre.

Journal Mittwoch, 2. August 2023 – Nochmal Madam Chutney und Delia Owens, Where the crawdads sing

Donnerstag, 3. August 2023

Gut geschlafen, kurz vor Weckerklingeln erfrischt aufgewacht -> arbeitsfähig.

Blauer Himmel auf meinem Weg ins Büro; ich hatte mich in Sandalen getraut, trug aber Pulli.

Vormittag mit zackigem Abarbeiten inklusive viel Telefonieren, ging in der gestrigen Emsigkeit ohne große Überwindungsenergie. Der Himmel war düster geworden.

Als meine Gelüste auf Mittagscappuccino wuchsen, regnete es mal wieder gründlich. Statt ins Westend ging ich fröstelnd nur hinüber in die Nachbar-Cafeteria. Zu Mittag gab es eine Scheibe selbst gebackenes Brot (auch am zweiten Tag noch saftig, Qualitätsbeweis für Weizenmischbrot), italienische Aprikosen von Eataly (riesige Exemplare, was mich misstrauisch machte, doch sie waren herrlich saftig und aromatisch – habe ich also dieses Jahr wunschgemäß doch noch gute Aprikosen bekommen), Hüttenkäse.

Gemächlicher Arbeitsnachmittag, alles gut überblickbar.

Nach Hause ging ich auf direktem Weg, jetzt in Sonnenschein und milder Luft – gestern war sehr seltsames Wetter. Vor der Abendverabredung turnte ich noch Yoga-Gymnastik, dann spazierte ich mit Herrn Kaltmamsell nochmal zu Madam Chutney am Viktualienmarkt: Dort trafen wir uns mit Besuch aus Goslar, der zum Arbeiten in der Stadt war.

Diesmal gab es (von links im Uhrzeigersinn): Pav Bhaji (Milchbrötchen mit Gemüse), Paneer Kati Roll (mit Frischkäse gefülltes Brot), scharfes Auberginen-Curry und Palak Paneer – alles ganz ausgezeichnet.

Was es allerdings auch wieder war: Voll und sehr laut, zum Austausch von Neuigkeiten mussten wir uns mit viel “WAS?” dazwischen nahezu anschreien.

Als wir mit vollen Bäuchen zurück auf die Frauenstraße traten, gab’s die nächste Wetter-Überraschung: Es war mit der Dämmerung sehr warm geworden. Durch fast breiige Luft spazierten Herr Kaltmamsell und ich über den nächtlich belebten Marienplatz heim.

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Dienstagabend hatte ich Delia Owens, Where the crawdads sing ausgelesen – das mich ein wenig ratlos zurückließ. Was mich Reviews und Rezensionen in Feuilletons recherchieren ließ, bevor ich meine eigenen Gedanken niederschreib, das kommt sonst nie vor.

Einerseits hatte ich das spannende Buch weggefressen. In zunächst zwei Zeitebenen wird die Geschichte von Kya erzählt: Als kleines Mädchen noch vor Schulalter Mitte der 1950er von Eltern und Geschwistern in einer Holzhütte in den Südstaaten-Sümpfen verlassen, schlägt sie sich durch Tier- und Pflanzenbeobachtung bis ins Erwachsenenalter lebend durch (starke Wolfskind-Assoziationen – ein hochromantischer Topos, der mich zu Kinderzeiten fasziniert hatte). Doch das erste Kapitel beginnt 1969 mit dem Fund einer Leiche am Fuß eines Aussichtsturms in dieser Gegend: Der junge Mann Chase ist anscheinend zu Tode gestürzt. In abwechselnden Kapiteln nähern diese beiden Zeitebenen sich an, bis sie zusammenkommen, bis Kya beschuldigt wird, Chase umgebracht zu haben (das ist kein Spoiler, der Verdacht fällt schon sehr früh auf sie). Hier entsteht eine klassische Krimi-Spannung, die auch mein Lesetempo antrieb: War sie’s? Oder jemand anderes? Ich mochte viele der detaillierten und atmosphärischen Naturbeschreibungen, die Autorin Owens ist Biologin im Rentenalter und schrieb vorher nur Sachbücher, Where the crawdads sing ist ihr erster Roman. Und die Hauptfigur Kya interessierte mich, ich bewunderte ihre Beobachtungsgabe und ihre Fertigkeiten.

Warum also die gemischten Gefühle? Bei einigen Aspekten reichte meine suspension of disbelief einfach nicht aus: Die Kya-Kapitel sind meist personal aus ihrer Perspektive geschrieben, und ich traue weder einem Kind noch einer Jugendlichen die unterstellte Selbstreflexion von Gefühlen und Beziehungen zu, die sich manchmal wie aus einer Therapie-Sitzung lasen. Zudem glaubte ich einige Entwicklungsschritte schlicht nicht: Mal speist sich die Handlung aus Kyas Unwissen über die Welt, weil sie aus ihrem Marschland nie herauskam und keinen Zugang zu Medien hat; mal speist es sich aus wundersam aus Biologie-Büchern angeeignetem Weltwissen (das sie unter anderem zur souveränen Beauftragung von Renovierungsarbeiten und Kücheneinrichtung befähigt).

Und sehr wahrscheinlich bin ich über meine vielen Lese-Jahre auch überempfindlich geworden für die lauten Kitsch-Noten, die dieser Roman enthält.

Journal Dienstag, 1. August 2023 – Krank gemeldet

Mittwoch, 2. August 2023

“Mir geht’s nicht gut, ich arbeite heute lieber von daheim aus – da kann ich mich dazwischen immer wieder ein bisschen hinlegen.” Höre ich inzwischen regelmäßig und sehe das als die destruktive, dunkle Seite der neuen Angestellten-Arbeitswelt mit Aufhebung des Büro-Zwangs.

Mir ging’s gestern, wie sich schon am Montag abgezeichnet hatte, auch nicht gut, mein Körper signalisierte klar, dass er sich nach dem Weckerklingeln und Aufstehen wieder hinlegen wollte. Das bedeutete für mich: Krankmeldung. (Zumal ich ohnehin meinen Arbeitsrechner nicht daheim hatte, aber das gab nicht den Ausschlag.)

Draußen regnete es ausdauernd: Ich war schon zu Regenrauschen aufgewacht, über den Vormittag machte es nur hin und wieder Pause.

Was auch im Krankenstand geht: Brotbacken. Ich hatte ein Rezept gesucht, das möglichst viel altes Anstellgut verwendet – es geht mir gegen den Strich, die Reste nach dem Auffrischen einfach wegzuwerfen. Gestern testete ich Auffrischbrot “Jule”.

Bei mir waren es 180 Gramm Anstellgut, zur einen Hälfte Weizen-, zur anderen Roggen-, zudem gab ich einen zusätzlichen Esslöffel Weizenvollkornmehl zum Teig, weil er mit dem zusätzlichen Anstellgut zu sehr klebte. Zusätzliches Wasser brauchte ich also im Gesamtteig nicht. Gebacken habe ich das Brot gleich, also ohne kalte Gare über Nacht.

Beim Kippen in den Eisentopf mit Deckel (bevorzugte Backmethode bei kleinen Teigmengen, macht Dampfstoß unnötig, weil der Laib in eigenem Dampf backt) landete der Teigling nicht mittig – sieht man dem Ergebnis nicht mal an, der Laib wurde halt länglich statt rund.

Zwischen Dösen und Handgriffen am Brot sah ich eine Arte-Doku an, die ich mir vor vielen Wochen eingemerkt hatte:
Casa Susanna.

In den 1950er und 1960er-Jahren wurde die Casa Susanna, ein kleines Haus im US-Bundesstaat New York, zum heimlichen Treffpunkt eines Crossdresser-Netzwerks. Zehn Jahre lang schossen die Männer bei diesen Treffen persönliche Erinnerungsfotos.
Der Dokumentarfilm erzählt die Geschichte dieser Menschen, deren Transidentität damals noch ein gesellschaftliches Tabu war.

Schön gemacht und bewegend, die Erzählungen der Betroffenen machen klar, wie existenziell das Thema für sie war und ist.

Gegen halb zwei bekam ich Appetit, aß morgens eingeweichte Haferflocken mit Sojajoghurt, einem Pfirsich, einer Nektarine.

Den Nachmittag verbrachte ich mit Ruhen, las dabei Zeitung, schlief auch ein wenig. Das Wetter blieb sehr durchmischt, doch gegen fünf hatte ich das Bedürfnis nach frischer Luft und ging raus. Dass das Daheimbleiben und Ruhen besser gewesen war, merkte ich schnell: Hatte ich mich vorher noch darüber gefreut, dass nach der am Morgen keine Ibu mehr nötig gewesen war, meldeten sich jetzt bei dem Bisschen Bewegung sofort heftige Nebenhöhlenschmerzen. Und ich hatte mich zu sehr auf den Regenradar verlassen und keinen Schirm mitgenommen – nach nur 15 Minuten Spaziergang trieb mich der Regen in einen Hauseingang. Und hörte erstmal nicht mehr auf, ich las auf meinem Handy Roman weiter. Als ich endlich trockenen Haupts weitergehen konnte, kaufte ich nur noch schnell beim Eataly Obst und ging heim. Zumindest hatte mir die Draußen-Runde zu Mauersegler-Sichtungen verholfen, noch waren sie da.

Nachtmahl auch gestern kalt: Es gab restlichen Schweinsbraten als Tellersülze, dazu Ruccola-Salat und das frische Brot.

Gutes Brot, sehr brauchbares Rezept, wird eingemerkt.

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Als ich mir seinerzeit wünschte, Mitglied einer örtlichen Gemüseanbau-Gemeinschaft zu werden (für Selbstanbau im Schrebergarten bin ich viel zu faul, außerdem sah ich eine Gemeinschaft mit fachkundigem Hintergrund auch als wirtschaftlicher und umweltfreundlicher an), stellte ich mir vor, dass dort gemeinsam beschlossen wird, welches Gemüse es geben soll. So weit weg war ich von Fachkunde.

Im Kartoffelkombinat weiß ich schon lang, dass es weit wichtigere Kritereien für die Anbauplanung gibt als persönliche Gelüste; das wurde mir spätestens angesichts der ersten Excel-Tapete klar, mit der ich mir vor vielen Jahren bei einer Info-Veranstaltung die Anbauplanung des Folgejahrs erklären ließ. Jetzt, wo wir 3.000 Haushalte mit unsere eigenen Gärtnerei in Spielberg versorgen, ist die Anbauplanung eine echte Wissenschaft. Wenn Sie sich dafür interessieren, empfehle ich diesen 13-minütigen Film, in dem Benny und Sophie, zwei von den Gärtnern und Gärtinnen des Kartoffelkombinats, die Anbauplanung für das laufende Jahr erläutern.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/ZXmmh-H5hx4

(Das diesjährige Gemüseexperiment Cardy ist diese Woche Ernteanteil, und gestern ging ein Filmchen online, in dem Sophie erklärt wie man den zubereitet. Gegessen habe ich ihn schon mal: Im edlen Restaurant Ederer.)

Journal Montag, 31. Juli 2023 – Aufziehende Krankmeldung

Dienstag, 1. August 2023

Hatte der Juli immer schon 31 Tage? (Bitte nicht antworten.)
Nach Einschlaf-Schwierigkeiten hatte ich besonders tief und gut geschlafen.

Draußen Mischung aus Sonne und Grau, ich wagte mich nochmal in Sandalen auf den Arbeitsweg.

Sommerferien in der Gollierstraße.

Emsiges Arbeiten mit Online-Besprechungen. Mittags schaffte ich es auf einen Cappuccino zu Nachbars.

Als Brotzeit gab es Mango mit Sojajoghurt, Pfirsich, Nekatarine.

Weiter emsiges Arbeiten ohne Querschläge und Störungen. Doch über den Tag fühlte ich mich immer erkälteter und kränker: Tobende Nebenhöhlen, laufende Nase, Frösteln, verschwindende Stimme. Ich kündigte meiner Arbeitsumgebung vorsichtshalber eine mögliche Krankmeldung am Dienstag an. Und machte recht pünktlich Feierabend, um meinen trotz Ibu schmerzenden Kopf heimzuschaffen.

Dort hatte ich Lust auf ein wenig Yoga-Gymnastik, ich fing Adrienes 30-Tage-Programm “Move” nochmal von vorne an – tat gut.

Zum Nachtmahl gab’s Reste – superluxuriöse solche: Kalter Braten, Käse, Zucchini-Sellerie-Salat, harte Eier. Nachtisch Schokolade.

Oktoberfestflucht gebucht: Ich werde erst ein paar Tage im Frankenwald wandern, dann ein paar Tage Berlinurlaub machen – und dafür sogar meinen Jahresurlaub 2023 anpacken! In den Norden Frankens komme ich einfach per Nahverkehr mit meinem Deutschlandticket, doch beim Recherchieren der Zugverbindung nach Berlin stieß ich auf Seltsamkeiten: Aus Login-Schwierigkeiten recherchierte ich meine Fahrt sowohl auf der Website als auch in der Smartphone-App, natürlich mit denselben Einstellungen – und bekam in der App einen 15 Prozent höheren Gesamtpreis für Hin- und Rückfahrt angezeigt. Dann halt auf der Website gebucht, 115 Euro für München-Berlin hin und zurück per ICE inklusive Platzreservierung finde ich wirklich fair.

Früh mit noch mehr Ibu ins Bett.

Sonntagabend hatte ich auf Arte große Teile meines Film-Lieblings O Brother, Where Art Thou gesehen und bemerkt: Ich kann Schauspieler*innen erst ernst nehmen, wenn sie glaubwürdig (und laut Anweisung)
– saublöd schauen
– schlecht schauspielen
spielen können.

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Eine absurd schöne Filmsequenz mit Gene Kelly.

https://youtu.be/_YLVmvWdkS4

via @goncourt