Journal Sonntag, 2. Februar 2025 – Fahle Isarauen, schräge Web-Entwicklung
Montag, 3. Februar 2025 um 7:27Gut und lang geschlafen – die 7-Uhr-Kirchenglocken hörte ich zwar, schlief aber weiter.
Beim Aufstehen sah ich einen Falken vom Haus weg in den Park fliegen, bei einem weiteren Blick aus dem Fenster saß er kurz vorm Wohnzimmer auf der Straßenlaterne.
Für den Tag waren graue Düsternis und Kälte angekündigt, dennoch freute ich mich auf meinen Isarlauf. Ich trat ihn nach Bloggen und Wäscheaufhängen noch später als sonst an, stellte ohnehin über den Tag hinweg fest, dass so langes Schlafen den Tag spürbar verkürzt.
Tram zur Paradiesstraße kurz vor Tucherpark, Lauf nach Norden durch die Isarauen des Englischen Gartens.
Dicht bedeckter Himmel und Winterkahlheit führten zu fahl entsättigten Farben, ich lief fast blicklos in mich gekehrt und ließ meine Gedanken fließen, verarbeitete die vorhergehenden Tage. Ohne Foto-Stopps kam ich in meinen eindreiviertel Stunden weiter als schon lang nicht mehr hinter Unterföhring.
Der Körper spielte problemlos mit. Die Schmerzfreiheit in Waden und Kreuz führe ich auf die neuen Laufschuhe zurück, wunderte mich dennoch (durchaus erfreut), dass ich die derzeitige LWS-/Hüftbefindlichkeit hier nicht spürte.
Graues Februar-Lehel.
Zurück daheim kochte ich erstmal Frühstück: Ich wollte nach der Kälte draußen warmen Porridge. Dann erst Duschen, damit der Brei auf Esswärme abkühlen konnte.
Frühstück um halb drei also Porridge mit Joghurt und Orangenmarmelade, dazu ein Apfel.
Internet- und Zeitunglesen. Fürs Abendessen war ich zuständig: Rinderbeinscheiben nach Kaltmamsell-Familienart. Da es sich um ein Schmorgericht handelte, fielen die ersten Handgriffe bereits um halb fünf an, dazwischen hatte ich außerdem die Gelben Bete aus Ernteanteil gekocht, die ich jetzt zu Salat verarbeitete.
In der Schmorphase war Zeit für Yoga-Gymnastik: eine kurze, sportliche Folge. Und schon war der Tag rum, Herr Kaltmamsell rührte uns Manhattans als Aperitif.
Die Beinscheiben gerieten wohl, für die Sauce wendete ich die Methode Zerstören-statt-Binden an – und stellte überrascht fest, dass Herr Kaltmamsell sie nicht kannte. Der neue Zerstörer erreicht ein besonders sämiges Resultat.
Bitte beachten Sie die Nudeln im Vordergrund: Das ist die einzig zulässige Form als Beilage zu diesem Gericht, weil daheim bei Mutter so gewohnt (die das wahrscheinlich deutlich weniger eng sieht) – heutzutage gar nicht so einfach zu finden.
Im Glas der restliche Lemberger-Merlot vom Freitagabend, echtes Sonntagsessen. Nachtisch Schokolade.
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Mama-Blogs gibt es ungefähr so lang, wie es Bloggen gibt – klar, wer über ihr Leben blogt, deckt damit auch Mutterschaft ab. Doch das nahm irgendwann eine eher gruslige Entwicklung, als die Eigenfamilien-Berichterstatttung auf YouTube Reality TV wurde mit Kindern vor der Kamera, die sich das nicht wirklich ausgesucht hatten. Der Guardian interviewt eine dieser Töchter, die heute 21 ist und deren Mutter in den USA mittlerweile wegen Kindesmisshandlung verurteilt eine Haftstrafe absitzt: Hinter der Vorbildwelt auf YouTube hatte blanke Gewalt gesteckt.1 Wobei diese christlichistisch geprägte Sonderform der Familienbelehrung sicher spezifisch US-amerikanisch ist.
Mal wieder wird mir bewusst, welch komplett anderer Planet mein Internet war und ist.
Das prägende Erlebnis war die Blogmich 2005, also nach den ersten Jahren des Mitmach-Webs. Wir Blogger*innen standen komplett star struck umeinander herum: Das waren die Leute, die wir im Internet lasen – IN ECHT! Mein Eindruck war: Jeder und jede hielt alle anderen für Berühmtheiten. Was wir selbst ins Internet schrieben, war ja bloß…
Sehen Sie sich nur mal meinen damaligen Blogpost über das Treffen an!
Es war eine Online-Welt auf Augenhöhe. Beleg: Nicht wenige Blogger*innen kamen betont nicht, weil sie diese anderen Leute im Web, die sich offensichtlich für so wichtig hielten, doof fanden. (Und das natürlich in ihr Blog schrieben.)
Schon bald gab es Leute, die mit dem Ins-Internet-Schreiben Geld verdienten und sich nach meinem Gefühl von dieser Blogger*innen-Generation lösten. Immer mehr Menschen hatten Zugang zum Web, doch die wenigsten hatten das Bedürfnis, es für eigene Inhalte zu nutzen – die Gruppe der reinen Leser*innen/Gucker*innen wurde immer größer. Ich beobachtete die Ära der YouTube-Stars, geriet in Berlin mal versehentlich in eine Veranstaltung, auf der Fans ihre YouTube-Idole persönlich treffen konnten – hier war das star struck längst einseitig geworden. Und viel später gab es “Influencer*innen” die mit dieser Einseitigkeit ihren Lebensunterhalt bestritten, Unternehmen darauf gründeten und immer noch gründen. Jetzt war die Trennung Star-Fan endgültig abgeschlossen.
§
Die CSU wirbt Wahl (wahlwirbt?) in Oberbayern mit dem Slogan „Zeit, dass sich was ändert“ – das sollte niemanden wundern, denn das ist schon immer das Selbstbild der (seit 70 Jahren an der bayerischen Landesregierung befindlichen) CSU, siehe “Der Revolutionär” von Gerhard Polt, hier eine Aufnahme von 1987.
https://www.youtube.com/watch?v=lQjxmbf2bsE
- Was um Himmels Willen nicht umgekehrt bedeutet, wieder mal zur Sicherheit, dass alle Mütter, die ihre Kinder auf YouTube für sich arbeiten lassen, sie schlagen und hungern lassen! [↩]
8 Kommentare zu „Journal Sonntag, 2. Februar 2025 – Fahle Isarauen, schräge Web-Entwicklung“
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3. Februar 2025 um 8:22
Kudos für den Zerstörer! Ich folge auf TikTok einem polnischen Creator, der Kochvideos macht. Sein Pürierstab heißt mašina torturovać (und die (gusseiserne Pfanne irgendwas mit heavymetalova).
3. Februar 2025 um 10:11
da kann man mal sehen, wie un… ich immer schon war. ich war auch da, vor zwanzig jahren, und keiner weiß das. ; )
3. Februar 2025 um 11:43
Zum Thema CSU: “In Bayern gibt es 60 Prozent Anarchisten und die wählen alle CSU.” (Herbert Achternbusch)
3. Februar 2025 um 12:31
Kann das mal bitte wer für die Saupreißn übersetzen?
3. Februar 2025 um 12:50
Oooh, Du kennst Belledejour? Ich erinnere mich, wie ich damals schon geschrieben und alles Veröffentlichte vom Bloggertreffen neidisch aufgesaugt habe, weil ich nicht dazugehörte (story of my life). Und Maz ist ja 2023 gestorben aber auf seinem Blog schreibt offenbar wer. Weißt Du da was drüber?
3. Februar 2025 um 16:50
Die Vorstellung eines Fliegenengels an der Wand gefällt mir, engl – Live Lurker?
Nein, Frau Klugscheisser, ich weiß nicht, wer Zugriff auf das Blog von Maz hat und dort postet. Inzwischen erschrecke ich zumindest nicht mehr furchtbar, wenn in meinem RSS-Feedreader etwas von dort auftaucht.
3. Februar 2025 um 20:31
gerade gesehen, dass Sie auf der Con Kellerkind gesehen haben, die mein erstes Blog eingerichtet hat und sich auch den Namen dafür ausgedacht hat – das war 2006 oder so – ein Antville-Blog, aber woanders gehostet und leider mitsamt meiner Texte schon lange nicht mehr online… was für Zeiten… *seufz* Kellerkind bloggt heute hier: https://hintenimgarten.de/
4. Februar 2025 um 16:06
Oh ja, danke auch, jetzt habe ich ein hartnäckiges Bild eines Blogger-und-Bloggerinnen-Picknicks am Flaucher im Kopf…