Journal Mittwoch, 16. Juli 2025 – Trockene Lerche, Besuch am Fotoautomaten
Donnerstag, 17. Juli 2025 um 6:25Der Fabrik-Frühschicht-frühe Wecker riss mich aus allertiefstem Schlaf. Ich brauchte einen Moment – ah, ich wollte Laufen gehen! Sofort lauschte ich raus: keine Regengeräusche, super.
Beim Verlassen des Hauses stellte sich die Luft noch dazu als genau richtig frisch und gleichzeitig mild heraus, unter grauem Himmel trabte ich vergnügt los.
Die Wege waren erstmal sehr leer, zweimal rauschten Pulks von laut schnatternden Rennradlerinnen vorbei, jede mit Ausrüstung im geschätzten Wert eines Familienurlaubs. Regen verschonte mich, ich musste lediglich um Pfützen herumspringen. Der Körper spielte gut mit, ich genoss die Bewegung.
In der Unterführung Kapuzinerstraße war jemand NICHT einverstanden mit dem Start einer komplett neuen Bemalung!
Marsch ins Büro wieder beschleunigt durch zwei Stationen per U-Bahn, ich wollte aus Gründen möglichst früh da sein. Der Arbeitsvormittag verlief emsig, ich nahm mir aber Zeit für einen Mittagscappuccino im Westend.
Später Mittagessen am Schreibtisch, vorverlegt wegen eines Termins: Muesli mit Joghurt und geschmacksneutrale Melone. Wieder war ich reingefallen auf ein Sonderangebot im Biosupermarkt: Dass keine der angebotenen Melonen reif war, konnte ich riechen und tasten, doch ich hoffte wieder mal auf Nachreifen. Zwei Wochen danach erlebte ich gestern ein neues Phänomen: Statt zu reifen war die Melone getrocknet, ein Viertel ungenießbarer Gummi. Ein weiterer Grund für den Wunsch nach Zeitreisen: Ich möchte bitte nochmal die Honigmelonen im Spanien meiner Kindheitsurlaube essen.
Nach einem Besprechungsnachmittag machte ich nicht zu spät Feierabend. Herr Kaltmamsell hatte schon vor einiger Zeit “Colorante” auf die Einkaufsliste gesetzt, also die gelbe Lebensmittelfarbe, die in Spanien statt Safran verwendet wird, weil sich Safran ja wohl niemand leisten kann (konnte, bis vor Kurzem, und irgendwie wurden diese Zeiten Tradition), guter Anlass, mal wieder zum Ostbahnhof und zum Laden Mitte Meer zufahren. (Den vorherigen Bestand Colorante hatten wir aus Spanien mitgebracht.)
Zumal ich dadurch zu einem Fotoautomaten kam und meine Serie fortsetzen konnte. Seit meiner Entdeckung des Automaten dort im Februar hatte er allerdings gelitten: Die mechanischen Tasten reagierten nur auf mehrfache und verschiedene Betätigung, bargeldlos lief gar nichts, zum Glück hatte ich zufällig einen passenden 5-Euro-Schein einstecken.
Die Pose rechts unten nenne ich in Liebe zu meinem spanischen Vater “cara de tonta”.
Colorante gab es nur in 625-Gramm-Dosen, wir sollten bis zum Pflegeheim versorgt sein. Außerdem nahm ich einen galicischen Käse Tetilla mit.
Als ich die Wohnungstür aufschloss, duftete mir schon das Abendessen entgegen. Im Newsletter “Gruß aus der Küche” war zuletzt die Suche nach der perfekten gefüllten Paprika Thema. Und weil ich mich gerne an die gefüllten Paprika erinnerte, die meine Mutter manchmal in meiner Kindheit gekocht hat, schickte ich es als Anregung an Herrn Kaltmamsell. Der wunderte sich über die geforderten grünen Schoten, setzte das Rezept aber schon gestern um – und was mir da entgegenduftete, war ganz eindeutig grüne Paprika, das roch korrekt.
Erstmal turnte ich aber ein wenig Yoga-Gymnastik (Dehnen und Liegen, letzteres ersetzte ich durch weitere Dreh-Dehnungen, nach denen mir war).
Die rote Test-Paprika verstand ich gut (Empirie!), doch die grünen schmeckten mir besser. Nachtisch Schokolade.
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Auch mein Internet: Jemand fragt auf Mastodon, was im MRT eigentlich diese verschiedenen Geräusche macht – und bekommt als Antwort einen Link zu einer aktuellen Geschichte mit der Maus (Mai 2025), die MRT erklärt – superspannend.
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Auch das dauerte in Deutschland länger als im europäisch-englischsprachigen Raum: Dass Einwanderungskulturen in Kunst und Kultur sichtbar werden. Zum Beispiel in der Esskultur (abseits von Gastronomie, die ja vor allem marktorientiert ist). Deshalb freute ich mich sehr über dieses Interview mit einer Berliner Food-Posterin aus der chinesischen Region Sichuan – die charmanterweise mit dem Kochen erst in der Fremde angefangen hat (typisch für sehr jung ausgewanderte?).
“Xueci Cheng über Foodblogging
‘Viele chinesische Zutaten werden missverstanden'”
Nebenwirkung: Ich verfing mich in ihrem instagram-Account (viele Reels sind mir persönlich zu schnell geschnitten, ich hätte von allen Restaurants gern viel längere Ansichten gesehen) und entdeckte unter anderem doppelt gekochte Nudeln. Zwar sind Xueci Chengs Filmchen auf Englisch eingesprochen, doch sie nutzt Berliner Einkaufsquellen, was die Nachkochbarkeit wahrscheinlicher macht.
7 Kommentare zu „Journal Mittwoch, 16. Juli 2025 – Trockene Lerche, Besuch am Fotoautomaten“
Beifall spenden: (Unterlassen Sie bitte Gesundheitstipps. Ich werde sonst sehr böse.)
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17. Juli 2025 um 8:09
Danke für das Taz-Interview mit Xueci Cheng, ich hatte das schon mehrfach in der MastoTimeline, aber immer gerade keine Zeit, vorhin im Ersatzverkehrbus zur Arbeit passte es perfekt!
Zu der Rennradfahrerausrüstung fällt mir so ein nettes TikTok-Filmchen ein, Pärchen in den Dreißigern, er: „Schatz! Ich führ dich groß aus! Zieh dein teuerstes Outfit an!“ – Und dann kommt sie in irgendeiner krassen Outdoorklamotte.
17. Juli 2025 um 8:23
Haha! Im nächsten Schnitt stehen sie dann zusammen an der Espressobar im Markenladen für Rennräder und philosophieren über Merinowolle.
(Geschrieben von einer Person mit drei Rädern, wovon zwei zumindest zusammen mehr wert sind als das Familienauto. Immerhin habe ich das Glück, dass mir die teuren Rennradklamottenmarken schlicht nicht passen. :-) )
17. Juli 2025 um 8:27
Danke für den Link zur gefüllten Paprika, erinnert mich an meine Kindheit, so waren die gefüllten Paprika in meinem Elternhaus, nach dem Rezept des österreichischen Vaters.
17. Juli 2025 um 10:22
Im Olympia-EKZ soll’s noch einen funktionierenden Automaten geben und im U-Bahnhof Olympiazentrum auch. (Quelle: Google)
17. Juli 2025 um 10:51
Letztens bin ich an einem Automaten im Stachus Zwischengeschoss/Durchgang vorbeigelaufen und habe an Dich gedacht.
17. Juli 2025 um 13:35
Danke für den Maus-Link, das war sehr anschaulich.
17. Juli 2025 um 15:28
Ein tolles Interview, danke für den Hinweis. Ich würde mitfahren nach Sichuan!
Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass generell sehr jung Fortgezogene mit dem Kochen anfangen, auch wenn es nur weg von den Eltern in die nächste Stadt ist. Und dass sie dann oft auch das ausprobieren, was es zu Hause zu Essen gab. Wenn es gut war.