Journal Samstag, 21. Juni 2025 – Von Gauting bis Pöcking auf neuen Wegen
Sonntag, 22. Juni 2025 um 8:43Traurig bis verzweifelt aufgewacht, was mochte ich nur in dieser eher unruhigen Nacht geträumt haben?
Obwohl ich für den Tag Pläne hatte, ließ ich den Morgen ruhig angehen, genoss auf dem Balkon über Bloggen, Milchkaffee und Wasser die wirklich frische Morgenkühle eines weiteren herrlichen Sommertags. Die Pläne: Wandern (allein, denn Herr Kaltmamsell musste arbeiten), ich hatte die Strecke Gauting-Starnberg an der Würm entlang ausgesucht.
Zum Fertigmachen gehörten meine (fast) täglichen Bank- und Seitstützübungen.
Die Schwimmbahnen im Dantebad sind wirklich breit genug für bequemes Überholen. Wenn mir dabei aber ein Krauler entgegenkommt, der die Arme in horizontalem Halbkreis nach vorne schwingt, kann dieses passieren. (Ich begriff beim Schwimmen erstmal nicht, was passiert war, und dachte, ich sei zu weit nach links geraten. Erst Umschauen nach dem Schwimmer erklärte die Kollision.)
Am Stachus Warten auf die S-Bahn (große Öffi-Liebe – es ist solch ein Luxus, mit Öffentlichen Verkehrsmitteln zu so vielen schönen Wanderrouten fahren zu können!). Auf der Fahrt kam ich ins Gespräch mit einer alter Münchnerin auf dem Weg zum Baden, lernte einige ihrer Gedanken und Meinungen kennen, in den illustrierenden Geschichten dazu sprang sie durch die Jahrzehnte ihres Lebens.
Für die bekannte Route hatte ich eine neue Wegführung recherchiert – aber das merkte ich erst, als ich nach dem Ausstieg in Gauting einfach wie gewohnt losstiefelte und an der ersten Ampelkreuzung auf den GPS-Track guckte.
Doch ich merkte sofort, dass es sich lohnte, diesem Weg zu folgen: Er vermied besonders sorgfältig Straßen und führte immer wieder auf winzigen Fußwegen zwischen Häusern, die man als Ortsfremde nicht selbst findet.
Die Würm in voller Blüte (und mit reichlich Forellen).
Unter anderem wurde ich unter der Gautinger Kirche durchgeleitet.
Hinter Gauting fiel ich wieder auf meinen Orientierungssinn rein: Bei einem Check des Tracks zeigte sich, dass ich einen weiteren dieser winzigen Fußwege verpasst hatte. Den wollte ich aber wissen, also kehrte ich um – und lernte beim Vorbeigehen unter anderem das Gautinger Freibad kennen.
Bereits hinter Gauting. Hier sah ich einem rüttelnden Falken zu – und lernte, dass sich Gautinger Mountainbiker in voller Montur genauso wenig um das Schild “Fußgängerweg” scheren wie die in und um München.
Allerdings war der neue Track nicht ganz zuverlässig: Er lenkte mich auf einen Weg abseits des viel-beradelten Hauptwegs, den ich mehrfach verfehlte – bis ich einsehen musste, dass er einfach nicht existierte, da war bloß Auwald (bis zu dieser Erkenntnis hatte ich mir bereits eine ordentliche Schramme im Schienbein von einem Ast geholt).
Ich suchte mir, ebenfalls abseits der Radlrennstrecke, einen Nebenweg direkt an der Würm – dass ich darauf ein wenig steigen und klettern musste, nahm ich hin.
Die App Flora incognita bestimmte:1 Gewöhnliche Straußmargerite (auch Straußblütige Wucherblume).
An die Aussicht auf den Starnberger See kam ich über den neuen Track von einer anderen Seite.
Leutstettener Moos.
Das letzte Wegstück vorm Starnberger See hatte ich mit großen und vielbefahrenen Straßen als unangenehm in Erinnerung, entsprechend gespannt war ich auf den Vorschlag der neuen Route:
Die Alternative führte mich durch ein Wohngebiet und einen Fußgängertunnel zum Friedhof Percha – wundervoll! Zumal Friedhof ja Wasserleitung bedeutet: Ich konnte meine Flaschen auffüllen.
Wo die Würm in den aus dem Starnberger See mündet fließt.
Dass die 14 Kilometer von Gauting nach Starnberg mir als Tagesration Wandern nicht reichen würden, hatte ich geahnt, also von Vornherein eine Erweiterung um den Prinzenweg nach Pöcking geplant: In diese Richtung war ich ihn noch nie gegangen, immer nur von der Maisinger Schlucht (zuletzt im Januar in herrlichem Schnee).
Im Schatten der S-Bahn-Unterführung orientierte ich mich und trank nochmal viel Wasser, dann ging’s weiter.
Zum Merken für die Gegenrichtung: Erst hinter diesem Wegkreuz führen Treppen vom Prinzenweg direkt zur See-Promenade.
Wie geplant machte ich hier oben auf dem ersten Bankerl im Schatten Brotzeitpause:
Es gab Walnussbrot (gut! wenn auch diesmal nicht wirklich großporig) und einen Pfirsich.
Gestärktes und vergnügtes Weitergehen.
Auf diesen Anblick hatte ich mich schon gefreut, diese Geschwisterbirken waren mir bereits beim allerersten Mal aufgefallen.
Ankunft in Pöcking.
Das waren gemessene 20 Kilometer in knapp fünf Stunden mit einer Pause. Zu meiner Freude bewährte sich die Entscheidung, die Wanderstiefel daheim zu lassen und in Turnschuhen zu wandern – ich hatte mich an die mallorquiner Bergführerin erinnert (kennengelernt, als sie mich zu einem Ausgangspukt meiner letztjährigen Tramuntana-Fernwanderung fuhr), die zugab, im Sommer auf die definitiv viel sichereren Wanderstiefel zu verzichten, weil es darin einfach zu warm wurde. Zudem wusste ich ja, dass ich auf guten Wegen gehen würde.
Auf der Rückfahrt las ich in meiner mitgebrachten Wochenend-Zeitung. Im Vierersitz auf der anderen Seiten des Gangs saßen drei junge Männer in herzlichem Gespräch in einer Sprache, die ich nicht verstand, doch es war klar, dass sie vertraut waren. Unterwegs setzte sich eine ältere Frau in sportlicher, gepflegter Kleidung zu ihnen und sprach sie umgehend an: Ob sie Geschwister seien, wo sie heute waren, was sie studierten – ich war überrascht über ihre soziale Energie, doch es gibt schließlich besonders joviale Menschen, die sich nicht erst mit vorsichtigem Sondieren aufhalten, ob das Gegenüber gerade offen für ein Gespräch ist.
Schnell aber wurde klar, worauf die Frau hinaus wollte: “Gott.” Sie begann gestenreich und in einfachen Worten (sie hatte herausgefunden, dass die drei nicht viel Deutsch sprachen) zu predigen, wies in diesem Zusammenhang auf den jungen Mann hinter ihr, der im Stehen laut auf einen Fahrgast einsprach, die Wörter “Jesus” und “Drogen” fielen mehrfach. Die drei Opfer der Frau blieben freundlich, wurden lediglich einsilbig. Ich konnte mich nicht mehr auf meine Lektüre konzentrieren, versuchte kurz, die Missionarin durch Anstarren zu mäßigen – vergeblich. Mir blieb nur Platzwechsel, damit ich mich wenigstens nicht mehr aufregen musste. Starke Erinnerung an die Welt von Oranges are not the only fruit und Nachdenken, ob diese Jesus-Terrorist*innen wohl nach einem Playbook vorgehen? Dass sie durch Verkaufstrainings geübt sind wie alle Vertriebler*innen, schien mir offensichtlich.
Auf dem letzten Stück Heimweg machte ich einen Abstecher für Obstkäufe im Lidl, ich entdeckte unter anderem dunkelrote Aprikosen aus Spanien, die ich gleich mal zum Probieren mitnahm.
Obwohl ich nicht sehr geschwitzt hatte, sehnte ich mich sehr nach einem Vollbad – bei mir sehr selten. Für die ein- bis zweimal Vollbad im Jahr halte ich keine Badezusätze vorrätig, klares Wasser in der Wanne erfüllte seinen Zweck aber ebenso. Ausführliche Körperpflege, eine Runde Yoga-Gymnastik mit Dehnen rundum.
Als Abendalkohol machte ich uns tinto de verano – der erste Schluck transportierte mich umgehend in die Kastilien-Urlaube meiner Kindheit und Jugend. Wieder wurde es überraschend früh (und sehr willkommen) abendkühl.
Zum Nachtmahl hatte Herr Kaltmamsell den Ernteanteil-Blumenkohl zu einem sahnigen Curry mit Kichererbsen und Erbsen verarbeitet, köstlich.
Nachtisch Schokolade und rote Aprikosen (gut!), vorm Zu-Bett-Gehen wieder große Fledermaus-Show.
- Wieder ein Argument dagegen, intensive Handynutzung als “Handysucht” einzuordnen – ist es nicht einfach sensationell großartig, wie viel einfacher ich damit unterwegs Wege finde und Pflanzen bestimme? Warum sollte ich mir wünschen, das nicht zu tun? [↩]
7 Kommentare zu „Journal Samstag, 21. Juni 2025 – Von Gauting bis Pöcking auf neuen Wegen“
Beifall spenden: (Unterlassen Sie bitte Gesundheitstipps. Ich werde sonst sehr böse.)
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22. Juni 2025 um 11:00
manche schwimmer sind leider sehr egoistisch unterwegs, und darauf ansprechen hilft einem nicht weiter. die sind von natur aus so…
(heute bei mir: weggefaehrtin.blogspot.com – ein querschwimmer)
LG roswitha
22. Juni 2025 um 11:07
Oh je, den Kampfkraulern gehe ich wenn möglich auch aus dem Weg. Gute Besserung!
22. Juni 2025 um 14:54
Es bleibt einfach dabei: viele Menschen können (und wollen?) einfach nicht unterscheiden zwischen Geräte-, Software und Plattformnutzung.
22. Juni 2025 um 18:17
Ad Handynutzung: Sie nutzen Ihr Handy nicht wie die typischen Suchtlinge. Sie verwenden es vielmehr, um mit der empirischen Welt um Sie herum in Kontakt zu treten – folgen dem Wandertrack, bestimmen eine Pflanze, kommunizieren mit echten Menschen, die Sie kennen oder denen Sie schon lange folgen und die Ihnen auch nichts verkaufen möchten. Die Kinder dagegen und sehr viele Jugendlichen, leider auch Erwachsene, die das Handy als Suchtmittel missbrauchen, verlieren sich in Scheinbeziehungen zu InfluencerInnen, lassen sich durch individualisierte Algorithmen von ‘Wirklichkeiten’ überzeugen, die leider keine sind (von Fakenews über Bullshit und Populismus hin zum Zusammenbruch der Unterscheidung von Fakt und Meinung, Faschismus und Verschwörungsmythen…), neuerdings zersetzt durch KI-Einflüsse, die auch das letzte bisschen Denken übernehmen, wenn man nur seine Daten und die eigene Aufmerksamkeit dafür dortlässt. Gemeinsame Wirkichkeit? War mal. Social media helau (nein, ich meine nicht das Twitter von vor fünf Jahren und die Kinder wissen nicht mal, was Bluesky oder mastodon auch nur ist).
22. Juni 2025 um 20:42
Welch schöne Wanderung!
“Wo die Würm in den Starnberger See mündet.” – Wo die Würm den Würmsee verlässt.
22. Juni 2025 um 21:26
Aber ja, Hauptschulblues, danke für den Hinweis!
22. Juni 2025 um 23:55
Hi hi, ist der Würmsee Absicht?