Journal Mittwoch, 26. November 2025 – Vom Bücheraussortieren

Donnerstag, 27. November 2025 um 6:29

Gute Nacht – bis auf die Stunde vor Weckerklingeln, als ich nicht mehr einschlief und von Arbeitsdingen verfolgt wurde.

Das gestrige Wintersauwetter bestand aus leichtem Schneeregen bei nasser Kälte etwas über Null. Ich wagte einen neuen Versuch der Theresienwiesen-Ost-West-Passage: Hurra, sie war entsperrt, es begann das halbe Jahr mit Luftlinien-Arbeitsweg.

Am Schreibtisch eher hektische Sichtung und Bearbeitung, denn die erste Tageshälfte war mit einer internen Online-Veranstaltung belegt.
Es kostete mich einige Kraft, mich auf diese Infos zu konzentrieren, da von vielen Seiten weitere Reize, Menschen, Nachrichten auf mich stürzten.

Vorm Bürofenster gelangweilte einzelne Schneeflocken in Dezemberdüsternis, im Lauf des Vormittags wechselnde Dichte und Konsistenz.

Folge der Veranstaltung: Keine Chance rauszukommen, Mittagscappuccino aus dem Automaten, in der eigentlichen Mittagspause der Veranstaltung Blitzerledigung von Querschüssen, Mittagessen während eines Programmpunkts Äpfel, Bananen, Trockenpflaumen.

Emsiger Nachmittag mit schlechter Laune, Nacht wurde es ab 15:30 Uhr.

Auf dem Heimweg (Nieselregel, ich brauchte meinen Schirm) Einkäufe beim Vollcorner, wieder bereits fürs Wochenende; zu meinem Ärger bekam ich einiges nicht, womit ich sicher gerechnet hatte.

Zu Hause schnell ausgeräumt und Pflanzen gegossen, dann spazierte ich mit Herrn Kaltmamsell in Schneeregen zum Abendessen: Japanische Suppe bei Hako Ramen am Oberanger.

War gut und sättigte, aber ich träume halt immer noch von Ramen, wie ich es vor 20 Jahren bei Wagamama kennengelernt habe. Dazu Kimchi, das sehr ähnlich schmeckte wie das von Herrn Kaltmamsell, also gut.

Daheim gab’s noch Eiscreme und Schokolade.

Sehr früh ins Bett zum Lesen, sehr früh Lichtaus.

§

Re: Bücherausmisten. An den Kommentaren wurde mir bewusst, dass viele Mitlesende meinen Geschichte mit Büchern nicht kennen (ja wie – nicht alle hier lesen seit 22 Jahren mit?!).

Ich komme aus einer nahezu buchlosen Familie und deckte meinen großen Lesehunger, der mit Lesenlernen einsetzte, in der Pfarrbücherei St. Pius, dann in der Schulbücherei des Reuchlin-Gymnasiums und der Ingolstädter Stadtbücherei. Eigene Bücher, die ich zum Geburtstag oder zu Weihnachten geschenkt bekam, waren mein kostbarster Besitz, ich schützte ihn ab Teenager-Jahren sogar mit Folien-Umschlägen. Mit dem Geschenkgutschein meiner lieben Taufpatin Irmi gar in den Buchladen Schönhuber zu gehen und selbst ein Buch zum Kauf auszusuchen – das war eine komplett andere, paradiesische Welt.

Nach dem Abitur absolvierte ich ein Zeitungs-Volontariat, in dem ich so viel verdiente, dass ich mir jedes Buch kaufen konnte, das ich lesen wollte – ultimativer Luxus. Auch während meines Studiums waren Bücher ganz oben auf meiner Liste materieller Prioritäten, dafür sparte ich lieber an anderem (zum Beispiel, wenn ein neuer John Irving rauskam). Meine Bibliothek wuchs schnell, der Anblick der gefüllten Regale erfüllte mich tiefem Stolz. Das war eine schöne Zeit.

Nächste Bücherlebensphase ab 1997: Zusammenziehen mit Herrn Kaltmamsell – und seiner Bibliothek, die wegen einiger Sammel-Schwerpunkte (ich habe nie gesammelt) noch größer war als meine. Die Verbindung beider Bestände erforderte fürs Wiederfinden ein Sortiersystem; dass wir uns sofort auf eines einigten war für mich der bis dahin deutlichste Beweis, dass ich den für mich bestmöglichen Partner gefunden hatte. Außerdem nahm Herr Kaltmamsell mich in Second-Hand-Buchläden in Deutschland und England mit, ich kaufte Rucksack-weise.

Es folgten Jahre der Berufstätigkeit, in der mein Buchbestand immer weiter wuchs – wir dachten über einen Ausbau unserer Bibliothek mit Regalen im rechten Winkel zu den Wandregalen nach. (Damals beantwortete ich Blog-Stöckchen zu Büchern noch so.)

Doch langsam erfüllte mich der Anblick immer weniger mit Stolz, sondern mit Sorge: So konnte das für mich ganz sicher nicht weitergehen. (Wahrscheinlich gleichzeitig mit meinem gesamten So-kann-das-nicht-weitergehen.) Die erste Phase des Aussortierens galt allen Büchern, die mir nicht gefallen hatten.

Gleichzeitig entwickelte ich über die Jahre eine Abneigung gegen dinglichen Besitz: Zu viele Möbel, zu viel Kleidung, zu viele Sachen – neue Sachen kamen mir am liebsten nur ins Haus, wenn etwas dafür wegkam. Jetzt sortierte ich Bücher aus, die ich nicht nochmal lesen würde.

In dem Jahr vor unserem Umzug innerhalb desselben Hauses wurde mein Weggeben 2020/2021 richtig systematisch: Ich las immer mehr als E-Book, dadurch merkte ich, dass ich selbst Bücher, die ich vielleicht nochmal lesen wollte, ja dann als E-Book lesen könnte. Berechtigung zum Behalten hatten jetzt nur noch Bücher, an denen mir aus welchen Gründen auch immer lag. Der Rest kam möglichst weg, hier ein Beispiel. Und weil es schon seit vielen Jahren schwierig ist, Bücher loszuwerden, verschenkte ich sie stapelweise gegen Porto.

Der verbleibende Bestand zog mit mir in die neue Wohnung, geschätzt ein Drittel meines Höchst-Bestands. Was jetzt die Bücherregale in fast jedem Zimmer unserer Wohnung füllt (und bei Besuch immer noch aufgerissene Augen hervorruft), gehört zum allergrößten Teil Herrn Kaltmamsell – darunter auch in den vergangenen Jahren neu Gesammeltes (allerdings hat auch er in den vergangenen 10 Jahren deutlich aussortiert).

Und jetzt nähere mich eben dem Kriterium: Welches Buch werde ich nicht vermissen? Buchbesitz macht mich schon lang nicht mehr stolz, nur die allerwenigsten Bücher erfreuen mich im eigenen Haus.
(Menschen sind verschieden. Ich freue mich wirklich sehr, wenn es weiterhin so viele Bücherleseri*innen mit Faible für das Ding Buch gibt, dass ganz viele vor allem Inhaber-geführte Buchläden davon leben können.)

(Anlässlich seines Umzugs schreibt auch Southpark gerade übers Bücheraussortieren.)

§

Schöne Serie von Fotos auf der Staten Island Ferry bei instagram – reflexartige Zuschaltung dieses Sounds (nochmalige Empfehlung des Films Working Girl von 1988 – einer der wenigen Mainstream-Filme dieser Epoche, die sich wirklich gut gehalten haben).

die Kaltmamsell

4 Kommentare zu „Journal Mittwoch, 26. November 2025 – Vom Bücheraussortieren“

  1. Flusskiesel meint:

    Schon ulkig, dass auch gerade (wenn auch in weit geringerem Maßstab) meine Bücherregale aufräume.
    Bei mir kommt erschwerend hinzu, dass ich dazu neige, alles Buch-Ähnliche einfach in den Bücherregalen abzulegen und sie damit zusätzlich vollzumüllen.

    Bei mir gibt es für das Behalten von Büchern die Prioritäten:
    1. Möchte ich noch mal lesen (selten)
    2. Ich habe eine persönliche Bindung zum Buch (z.T. das physische Exemplar) aufgebaut.
    3. Nützlich

    Der Rest kann weg. Ich freue mich schon auf die nächste Sortierrunde! Da entdecke ich so viele Dinge und Erinnerungen wieder – und das Gefühl, wieder Platz geschaffen zu haben, ist wunderbar!

    Dieses „Does it spark joy?“ von der Aufräumfrau im Fernsehen mag ja häufig zu Recht parodiert werden, aber es hat durchaus seine Berechtigung.

  2. albatros meint:

    Ah, danke für die ausführliche Einführung in deine Buch-Vergangenheit. :) Ich stieg 2023ff. privat auf E-Books um, nachdem ich beruflich seit 2020 fast ausschließlich mit E-Books gearbeitet hatte. Ich merke, dass der Gedanke, der mich am meisten davon abhält, mich von alten Bestand zu trennen, tatsächlich immer noch die Verbindung in die Vergangenheit ist. Alles, was hier steht, wurde angeschafft, weil ich es gebrauchen konnte, meistens für den Unterricht in der Erwachsenenbildung. Oder was halt so zu meinem Fach gehört. Und das Gehören hört ja nicht einfach so auf. Es sind Klassiker und haben deshalb auch etwas von „Sammlung“. :) Ich habe jetzt erst einmal damit begonnen, Ausmist-Stapel in einer Zimmerecke zu bilden. Wenn die Bücher dort eine Weile gelegen haben, merke ich am ehesten, was mir tatsächlich fehlen würde, wenn es nicht mehr da wäre.

  3. Sanne meint:

    Vielen Dank für die erhellende Geschichte zur Buch-Sozialisation.
    Ich stamme selbst aus einem Bücher verehrenden Haushalt (der meiner Eltern; in den Haushalten meiner Großeltern gab es kaum Bücher). Dazu arbeite ich in einer Bibliothek. Das ernüchtert im Umgang mit Büchern schon sehr.
    Selbst lese ich ausschließlich E-Books, gleichzeitig schätze ich schön gestaltete und meisterlich gebundene Bücher durchaus (es ist kompliziert!). Meine Kriterien zum Aussortieren ähneln denen von @Flusskiesel. Interessanterweise behalte ich aber lieber Lyrik als Prosa.

  4. Nina meint:

    Meine Buchreise ist nahezu identisch, außer dass ich mit Büchern zuhause aufgewachsen bin. Ich habe bei einem Umzug letztes Jahr 70 % meines Buchbestandes weggegeben. Jetzt darf nur noch bleiben, was in das einzige Bücherregal passt. Also miste ich jetzt wohl einmal im Jahr aus, da immer wieder was dazu kommt. Ich kann einfach nicht an Buchläden vorbeigehen, auch wenn ich inzwischen viele E-Books lese. Allerdings muss ich nun auch noch die Bücher meines Sohnes retten, an denen ich hänge. Der ist nämlich ein absolut rigoroser Ausmister. Mir geht es insgesamt genau so: je älter ich werde, desto weniger möchte ich besitzen. Nur noch Dinge, die ich wirklich nutze und die ich wirklich mag.

Beifall spenden: (Unterlassen Sie bitte Gesundheitstipps. Ich werde sonst sehr böse.)

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