Essen & Trinken

Journal Freitag, 20. Dezember 2024 – Ackern in die Weihnachtsferien, rape culture

Samstag, 21. Dezember 2024

Unruhiger Schlaf (unter anderem fiel mir ein, dass ich ein Weihnachtsgeschenk vergessen und nicht eingepackt hatte), müde aufgestanden. Letzter Marsch in die Arbeit vor Weihnachtferien in Nachtdunkel, zumindest hatten sich Sturm und Regen gelegt.

Letzter Tag vor Weihnachtsferien in ungewöhnlich hohem Arbeitsturbo. Eine Ursache: Menschen, die eigentlich diese Woche schon in Weihnachtsurlaub waren, arbeiteten in diesem Urlaub durch. Hat auf eine Assistenz ähnliche Auswirkung wie durchgearbeitete Wochenenden von Schnittstellen. Also verbrachte ich die ersten anderthalb Stunden im Büro mit Aufarbeiten der Nacht. Als immer weitere Querschüsse reinkamen, schaltete ich einfach schon mal die Abwesenheitsnachricht ein – ein bisschen hilflos, denn bei zu vielen anderen bedeutete sie ja offensichtlich keineswegs das, was drinstand (“Ich bin derzeit nicht im Büro und lese meine E-Mails nicht.”). Warum sollte sie also jemand ernst nehmen?

Zum ersten Mal in meinem Arbeitsleben fürchte ich mich vor dem ersten Arbeitstag nach Weihnachtsferien. Bisher konnte ich mich darauf verlassen, dass in diesen einen Ferien im Jahr wirklich, wirklich nichts passieren würde (Krisen ausgenommen), in dieser Zeit war alles zu, tat überhaupt niemand etwas. Dieses Jahr muss ich davon ausgehen, dass andere auch in diesen beiden Wochen das Arbeiten nicht sein lassen.

Mittagscappuccino an der Theresienhöhe. Es war geradezu winterlich kalt. Auf dem Hinweg traf ich auf den einstigen Sandkastenfreund jetzt Arbeitskollege (und NICHT bei Audi!), wir tauschten Weihnachtspläne mit Ingolstädter Familie aus.

Café-Szene, im Vordergrund auf einer Holztischplatte eine Tasse Cappuccino, daben liegen Mütze und Fingerhandschuhe, dahinter ein goldenes Bäumchen, im Hintergrund Menschen an Café-Tischen, dahinter Wand-große Fenster, durch die moderne Gebäude sichtbar sind

Abschied von Weihnachtsdeko.

Auf dem Rückweg sprach mich ein Kameramann mit Mikrofrau an: Straßenumfrage fürs Lokalfernsehen zu Weihnachten. Und seit ich als junge Lokalradio-Volontärin bei Straßenumfragen so froh war um jede*n Angesprochene*n, die nicht wegliefen, bleibe ich bei sowas immer stehen und spiele mit. Auf dem Stück bis ins Büro fiel mir die weihnachtlichste meiner Straßenumfragen ein: Wie ich Weihnachten 1987 Ingolstädter*innen dazu brachte, mir Weihnachslieder ins Mikrophon zu singen. (Später suchte ich sie daheim raus: Wenn Sie nachhören möchten, bitte schön.) (Mit falscher Grammatik für indirekte Rede.)

Zu Mittag gab’s am Schreibtisch Pumpernickel mit Avocado.

Später vorm Bürofenster ein Schauer Schneegriesel, abgelöst von einer Phase mit Deko-Flöckchen.

Wie geplant machte ich um drei Feierabend, also noch bei echtem Tageslicht. Allerdings ackerte ich bis zur letzten Minute (konnte aber noch unerwartet Dinge abschließen).

Auf dem Heimweg reichlich Lebensmitteleinkäufe beim Vollcorner. Zu Hause kam ich im immer noch Hellen an. Es war noch Zeit für Plaudern mit Herrn Kaltmamsell, draußen schneite es kurz. Zeit für eine halbe Stunde Yoga-Gymnastik, ein zackiger Flow. Mittlerweile habe ich erfahren, dass es im Januar 2025 kein neues 30-Tage-Programm mit Adriene geben wird, mal sehen, wie ich weitermache.

Für den Abend hatte ich einen Tisch für Herrn Kaltmamsell und mich im Neni reserviert.

Dort gab es Alkohol, auf den ich mich sehr gefreut hatte, in Form von Sicilian Spritz (Bitterorange) und Amalfi Spritz (Zitrone), außerdem ließen wir uns das Menü mit einmal alles servieren. Berlin-Vibes, als einer der Kellner, dessen Deutsch akzentfrei klang, mit uns meist Englisch sprach.

Gelbe Leuchtschrift "Neni München" an einer Betonwand in einem wenig beleuchteten Gastraum

Etagere auf einen Tisch mit grauer Oberfläche, gefüllt mit den Speisen, die unterm Foto beschrieben sind

Die Vorspeisen von oben: Lachs-Sashimi, Babaganoush, Falaffel, dazu hervorragendes Pitta. Als Hauptspeise kamen die drei Teller Sabich (gebackene Aubergine), gebratene Dorade (im Ganzen, aber ohne Gräten – ich war sehr beeindruckt), Hühnchen mit Hummus und Paprika – alles wunderbar.
Auf einem Brettchen der Nachtisch: Cheese cake und Sesam hoch 3 bestehend aus geröstetem Sesam, Muscovado-Eis, Halva-Spänen.

Zu Hause gab es noch Espresso (koffeinfrei) und Schnaps, den guten Enzian – wirklich aromatisch, warum ist der in Vergessenheit geraten?

§

Ich ringe immer noch um Worte für das, was Gisèle Pelicot angetan wurde – und für meine Bewunderung ihrer menschlichen Größe, ihrer Selbstlosigkeit, ihres unfassbaren Muts, den Prozess gegen die Täter für das Ziel zu nutzen: Die Scham muss die Seite wechseln. So konnte im Gerichtsprozess jeder sehen, dass sich Männer an einer bewusstlosen Frau vergingen. Ganz normale Männer aus der Nachbarschaft, keine Monster, die nachts aus einem Busch sprangen. Und nicht zwei oder drei, sondern über 80. Sowie ihr eigener Ehemann, der sie im Internet dafür anbot.

Gisèle Pelicot nahm durch den öffentlichen Prozess in Kauf, dass auch sie als Opfer sichtbar wurde – einer der häufigsten Gründe, warum Frauen sexualisierte Gewalt gerade im beruflichen Umfeld nicht anzeigen: Sie wollen nicht für alle Zukunft über diese Gewalt definiert werden. Dieser öffentliche Prozess hat hoffentlich endgültig damit aufgeräumt, dass Vergewaltigung irgendwas mit Erotik zu tun hat, mit zu kurzem Rock, zu tiefem Ausschnitt – mit irgendwas, was die Schuld auf die Seite des Opfers schiebt. Es gab sehr wohl Männer, die bei den Pelicots zurückschreckten, als sie die Bewusstlosigkeit des Opfers bemerkten. Doch keiner von ihnen hat Gisèle geholfen und ihren Mann gemeldet.

Und dann wurde dieser Tage auf der Messenger-Plattform Telegram ein weiteres Vergewaltiger-Netzwerk aufgedeckt, die Opfer stammen wieder aus dem engsten Familienkreis. Das ist die Hauptbedrohung für Frauen, der Fall Pelicot ist eben kein grotesker Einzelfall. Kein Mann kann sich hinter dem Selbstbetrug verstecken, dass es in seiner Umgebung sicher keine Vergewaltiger gibt: Der schlechte Vergewaltigungs-Witz des Kollegen ist wirklich nicht lustig, sondern Symptom für eine Geisteshaltung, die solche Vergewaltiger-Netzwerke ermöglicht. DAS meinen wir Feministinnen mit rape culture. Gisèle Pelicot ist zu verdanken, dass das niemand mehr bestreiten kann. Danke.

Post auf Mastodon von @irritationshintergrund: "Es ist schon komisch, dass jede Frau ein Opfer kennt, aber kein Mann einen Täter"

Journal Mittwoch, 18. Dezember 2024 – Weihnachtsgeschenkevollzug

Donnerstag, 19. Dezember 2024

Dass ich immer wieder ein Freitagsgefühl hatte, lag nicht nur an den brutalen Arbeitstagen Anfang der Woche: In der Münchner Innenstadt machte sich bereits weihnachtliche Leere breit, es begannen die Tage ohne Parkplatzprobleme.

Der Tagesanbruch zeigte noch heiteren Himmel, aber es zog immer weiter zu. Im Büro arbeitete ich zackig auf die Freiheit eines Mittagscappuccinos im Westend hin, das klappte auch.

Mittagessen erst kurz vor zwei, weil Besprechungen um die Mittagszeit: Joghurt mit Sahnequark.

Den Nachmittag durchgeackert. Recht erledigt nur wenig spät Feierabend gemacht, denn ich hatte Pläne: Letzte Weihnachtsgeschenkbesorgungen in der Innenstadt. Der Marsch dorthin war schön, die lediglich kühle Luft erinnerte mich an das eine Kindheits-Weihnachten bei der Tante im italienischen Latio, die Luft roch auch ein wenig so.

Vor schwarzer Nacht ein paar beleuchtete Buden und ein leuchtende Kinderkarussel, Silhouetten von Mensche

Kinder-Christkindlmarkt auf der Theresienhöhe vorm Verkehrsmuseum.

In der Innenstadt arbeitete ich meine Liste zügig ab, war in allen Punkten erfolgreich und kann Vollzug melden: Alle Geschenke rechtzeitig für Christkindl im Haus, es müssen nicht die reyes bemüht werden – der spanische Migrationshintergrund lässt ja die Hintertür, dass Geschenke erst an Heilig drei König kommen. Jetzt fehlt nur noch das Einpacken. (“NUR”, HAHAHAHAHA!)

Zu Hause war ich spät, wir hatten uns die Option Christkindlmarkt für Abendessen offen gehalten. Doch die Entscheidung fiel dann doch zugunsten heimischen Nudeln mit Tomatensauce, davor hatte ich noch Zeit für Häuslichkeiten.

Auf einem grünen Tisch-Set ein weißer Teller mit Spaghetti, darauf Tomatensauce, darauf geriebener Käse, rechts vom Teller eine rote Stoffserviette, darauf Gabel und Löffel

Danach erstmal Saucenspritzer aus der weißen Bluse handwaschen.
(Die Tomatensauce war leicht scharf und enthielt Kapern – hervorragend.)

Nachtisch Früchtebrot mit Butter, Schokolade.

Früh ins Bett zum Lesen, neue Lektüre: Edna O’Brien, The Little Red Chairs nahm mich mit nach Irland.

§

Letzthin fiel mir eine Geschichte aus meiner eigenen Vergangenheit ein, die illustriert, wie das World Wide Web einmal war, vor über 20 Jahren. Zum Glück hatte ich sie schon 2004 in meinem Blog aufgeschrieben, einige Details waren mir entfallen.

Und dieses Web werde ich wohl nie aus meinem leicht naiven Blick aufs Internet rauskriegen (was aber auch damit zusammenhängt, dass mir aus dieser Zeit so viele Menschen-Kontakte geblieben sind).
“Anruf aus Hollywood”.

(Harlan Ellison ist jetzt auch schon über sechs Jahre tot, seufz.)

§

Hazel Brugger kennt sich im Trend moderne Hausfrau voll aus.

Journal Samstag, 14. Dezember 2024 – Ein wenig Sonnenschein ausgerechnet in Ingolstadt

Sonntag, 15. Dezember 2024

Mittelguter Schlaf und der bloß bis Werktags-Weckerklingelzeit. Der Wiedereinschlafversuch schubste mich lediglich ins Angstkarussell, ich stand lieber auf.

Bett abgezogen, Waschmaschine gefüllt. Dank zu frühem Aufwachem drappierte ich Laken und Bettüberzug schon vor neun über die Türen. Der Tag wurde nur wenig heller als Freitag, der Hochnebel ließ dem Licht wenig Chance.

Ich brach zeitiger als sonst zu meiner Schwimmrunde auf, denn für Nachmittag hatte ich Pläne. U-Bahn zum Olympiapark, dort im Grünen gegenüber der Olympiahalle eine niedliche Entdeckung: Ein Kaninchen hoppelte und saß unter den Büschen, hier hatte ich noch nie eines gesehen.

Das Schwimmen lief gut auf der mittel frequentierten Bahn, ich fühlte mich schnell und elegant. Gemein war allerdings, dass mein Hirn sich die neue Berufs-Aufgabe von Freitagabend als Beschäftigung aussuchte, Alternativen abwog, Ideen entwickelte. Ohne dass damit der Umstand verschwand, dass ich das alles eigentlich nicht unterkriege. Bekomme ich wieder nicht bezahlt. Dabei hätte ich die kreative Energie sehr gut für ein paar letzte Weihnachtsgeschenk-Ideen brauchen können. Doch in den gut 80 Minuten, die ich für meine 3.000 Meter brauchte, stiegen auch schöne Erinnerungen an den Tel-Aviv-Urlaub über Weihnachten und Neujahr vor elf Jahren auf, die genoss ich sehr.

Zurück daheim flinke Häuslichkeiten, zum Frühstück kurz nach eins machte ich mir eine Crowdfarming-Avocado mit Grapefruit.

Ausicht auf eine weiße Schüssel mit Stücken rosa Grapefruit und angematschten Avocado-Stücken, die sich auch über die Grapefruit und die Schüsselwand verteilt haben

Das kann man sicher appetitlicher anrichten. Ich nicht.

Plan für den Nachtmittag: Fahrt zu meiner Mutter nach Ingolstadt zwengs Weihnachtsgebäck-Austausch. Der Zug nach Nürnberg war ziemlich voll, ich hörte vielerlei Sprachen – wahrscheinlich waren die meisten Passagiere auf dem Weg zum dortigen Christkindlmarkt.

Zu meiner Überraschung riss kurz vor der Holledau einmal der Himmel auf. Zu meiner größeren Überraschung schien in Ingolstadt, DEM Nebelloch im Donautal, so richtig die Sonne. Mir ging auf dem Weg vom Nordbahnhof zu meiner Mutter das Herz durch und durch auf – ich hatte seit zwei Wochen keine Sonne mehr gesehen.

Aus München brachte ich Stollen (zum Teilen mit Bruderfamilie) und Schneeflocken, außerdem ein Hutzelbrot von der lieben Frau Schwieger, meine Mutter hatte für uns Dosen mit Plätzchen aus ihrer eigenen Produktion gefüllt. Wir saßen eine Weile über Tee zusammen und erzählten einander, das war schön.

Rückfahrt in einer wieder sehr vollen Regionalbahn; diese Herrschaften sahen aber nicht nach Christkindlmarkbesucher*innen aus. Zu Hause machte ich uns saisonale Drinks: Tee mit Rumtopf (dem schrecklichen Trockenfrüchte-Rumtopf, der einfach nicht alle gehen will).

Herr Kaltmamsell verwandelte den Großteil der Ernteanteil-Süßkartoffeln (ja: die dunklen Röhren waren ebenfalls Süßkartoffeln, und zwar lila-fleischige; die Exemplare in erwarteter Form erwiesen sich dafür als weiß-fleischig – ?) in Mac’n’Cheese mit starker Süßkartoffel-Betonung.

Auf Holzplatte im Vordergrund ein großer Glasteller mit Nudeln in dicker weißer Creme, darauf frische Kesse, im Hintergrund eine gläserne Auflaufform mit dem restlichen Auflauf, die Oberflche gebräunt, eine Hand nimmt gerade mit einem Servierlöffel daraus

Schmeckte ausgezeichnet (Kresse aus Ernteanteil). Nachtisch Schokolade.

Im Bett las ich weiter in Annette Hess, Deutsches Haus: Verdutzung und leise Empörung über eine lange Passage mit falschen Verbformen in indirekter Rede.

Die Geschichte von ihm und seinem großen Bruder. Sie wären zusammen aus Berlin ins Lager deportiert worden. Sein Bruder wäre im Widerstand gewesen und in die politische Abteilung gekommen. Dort wäre er bei einem Verhör so gefoltert worden, dass er daran gestorben wäre. Und man hätte ihn gerufen, den kleinen Bruder, der ihn wegschaffen musste. Er hätte ihn nicht wiedererkannt.

Und so weiter. Das ist Konjunktiv II für Irrealis statt Konjunktiv I, ich bin mit einem Studiendirektor verheiratet, ich muss sowas anprangern.

§

Hauck & Bauer haben den Deutschen Karikaturenpreis bekommen.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/FPxTl7m48uc?si=MD7MWuuS57PsQUdT

Lustig. (Allein das “Büro”!)

Journal Freitag, 13. Dezember 2024 – Die Geschichte meines Nudelholzes

Samstag, 14. Dezember 2024

Einen eigenen Haushalt führe ich, seit ich gerade 19 geworden war. Zu meinen ersten Anschaffungen dafür gehörte ein Handrührgerät (KRUPPSCH – besitze ich noch heute, riecht bei Einsatz manchmal ein wenig nach verbranntem Gummi, tut aber eisern seinen Dienst) sowie ein Bügeleisen samt Bügelbrett (ich komme aus einer Bügelfamilie, it’s cultural). Zu den am längsten genutzten Gegenständen in meinem Haushalt gehört fast 40 Jahre später auch dieses Nudelholz.

Auf einer hellen Arbeitsfläche in Kunstlich ein Nudelholz mit roten Griffen, das Holz der Rolle hat an einem Ende einen dunklen Einschluss

Erst neulich fiel mir seine Geschichte ein, nämlich als ich es zum Stollenbacken benutzte (meiner wird gefaltet und nicht etwas in einer Form gebacken): Es ist das Geschenk meines damaligen Freundes, als ich 20/21 war. Wir hatten uns als Volontär/Volontärin derselben Regionalzeitung kennengelernt, und der Herr war sensationell unpünktlich. Als er mal wieder Stunden später als vereinbart bei mir klingelte, öffnete ich die Tür, und er hielt mir vorsichtig ein eigens dafür gekauftes Nudelholz hin: Damit ich bei der nächsten solchen Gelegenheit dieses drohend erhoben hinter der Tür stehen konnte. Ich musste sehr lachen, es hatte seinen Zweck erfüllt.

Auch fiel mir ein, dass man diesen Scherz vermutlich heute nicht mehr machen könnte, weil die Witzbildchen von der Ehefrau, die hinter der Wohnungstür mit erhobenem Nudelholz auf ihren (betrunkenen?) Ehemann wartet, ausgestorben sind. Hurra.

Den Fehler im Holz enteckte ich erst beim Abstreifen der Papp-Umhüllung – ich finde ihn sehr schön.

§

Mittelguter Schlaf, bei Weckerklingeln wäre ich gerne noch liegen geblieben.

Der Morgen hielt sich nicht lang mit Hellwerden auf: Auf halber Strecke blieb es bei düsterem Grau. So neblig-hochneblig blieb es, in dieser Woche ein weiterer Düsterkeitsrekord.

Ich war den Vormittag über fleißig – wie viel mehr sich das so anfühlt, wenn ich geordnet Dinge abarbeiten kann, als wenn ich Querschüssen hinterher hechte.

Schöne Nachrichten aus dem Freundeskreis, ein Wiedersehen wurde in die Wege geleitet.

Mittagscappuccino beim Nachbarn.

Wieder spätes Mittagessen – aber diesmal, weil ich einen Job vorher abschließen wollte (und eh keinen Appetit hatte): Apfel aus Ernteanteil (köstlich), Pumpernickel mit Butter.

Emsiger Nachmittag. Da ich es nicht zu spät werden lassen wollte, nahm ich mich zusammen und machte Tempo. Als ich gerade guten Mut gewann, erwischte mich noch ein Auftrag – zwar mit Deadline erst in ein paar Wochen, doch zufällig in genau der Woche, die ich mir eigentlich frei nehmen wollte (einfach so mal für reines Nichtstun), und mit beträchtlichem Arbeitsumfang, den ich leider sofort absehen konnte. Andere gewinnen aus Berufserfahrung Gelassenheit, bei mir führt sie zu einem reflexartigen Blick für die involvierten Tasks und Unter-Tasks, die eine Aufgabe für mich bedeutet; und die fast immer deutlich mehr sind, als die Auftraggebenden denken. Nein: Ich kann nicht delegieren, ich bin bereits das letzte Glied der Delegier-Kette.

Es trat der Dementoren-Effekt meines Arbeitslebens ein, ohne Lebenswillen machte ich mich auf den Heimweg. Vorm Bürohaus wieder der Amslerich mit Revier-Koloraturgesang – der spinnt. Kurze Drogerie-Einkäufe.

Daheim bellte ich Herrn Kaltmamsell nur kurz an, der mir dann erstmal auswich. Plätzchenbacken (die Schneeflocken), zum Glück machte ich nichts richtig kaputt in meiner Laune. Aber der Teig war zu weich und klebte (ich wusste, dass er direkt aus dem Kühlschrank zu hart sein würde und hatte ihn bereits morgens rausgestellt, das war falsch), die Plätzchen wurden zu flach.

Yoga-Gymnastik brachte zwar keine innere Entspannung, stoppte aber zumindest das Rutschen in immer düstereres Befinden. Nächstes Mittel: Alkohol.

Auf einer vollgestellten Küchenarbeitsfläche vier Flaschen - Noilly Prat, Canadian Club, Angostura, Martini rosso - davor zwei Süßweingläser mit Bernstein-farbener Flüssigkeit und einer Cocktail-Kirsche mit Stiel

Dieser Manhattan perfect hatte eine große Verantwortung: Er musste eine Dementoren-Woche in der Arbeit gutmachen. Funktionierte ein wenig.

Das Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell zweigängig: Zunächst Jalapeños mit Frischkäse-Füllung aus dem Ofen (super und gerade nicht zu scharf), dann Ernteanteil-Spinat mit Entrecôte.

Dazu öffnete ich einen Würtemberger Lemberger/Merlot Weinkonvent Dürrenzimmern, schmeckte mir immer noch so gut, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Nachtisch Schokolade.

Schließlich machten wir die Küche ein bisschen kaputt: Der schwere Bräter, der auf dem Abtropfgitter neben der Spüle lag (unterschiedliche Auffassungen: für manche – Herrn Kaltmamsell – ist das ein Abtrockengitter, für mich ein Abtropfgitter), rutschte lärmend auf den Boden. Sprung im Bräter, Schramme im Boden. Vielleicht ist noch ein Slot im Brief ans Christkindl frei.

§

Diese Woche kam mal wieder die Idee eines Altersheims für Blogschaffende auf, in diesem Fall eine Villa Buddenbohm nach dem Vorbild der Villa Verdi. Auf Mastodon wurde die Idee weitergesponnen: Die einen beantragten Aufnahme, die anderen träumten von guter Gesellschaft, Leseabenden, gemeinsamen Essen.

Oh ja, die Vorstellung eines Bloghauses gefällt mir. Ich wiederum beantrage einen eigenen Flügel für die vielen Menschenscheuen unter uns, der nur mit expliziter Einladung betreten werden darf, und von dessen Einwohnerschaft Abwesenheit bei Geselligkeiten vorausgesetzt wird (manchmal schaffen sie es ja doch).

Journal Donnerstag, 12. Dezember 2024 – Gemüserätsel

Freitag, 13. Dezember 2024

Früh wie immer aufgestanden, aber später das Haus verlassen: Ich nahm mir noch Zeit für Theaterbloggen.

Das Draußen lohnte sich auch 15 Minuten weiter in den Morgen als sonst nicht: Das müde Tageslicht erhellte lediglich ein weiteres Dunkelgrau. Sehr müde fühlte auch ich mich, ich konnte nur hoffen, dass der Arbeitstag nicht zu fordernd würde. (Noch 7 Arbeitstage bis Weihnachtsferien.)

Tatsächlich arbeitete ich geordnet los, nach meinem frühen Feierabend am Mittwoch war nichts Panik-auslösendes reingekommen. (Aber immer wieder erstaunlich: Hochrangige externe Anfragen, die sich durch schlichtestes Googlen – oder wie auch immer man heutzutage Internet-Recherche nennt – beantworten lassen. Was ich weiß, weil ich die allerallermeisten Antworten ja auch nicht im Kopf habe, sondern eben googlen muss.)

Unter lähmender Hochnebel-Decke auf einen Mittagscappuccino ins Westend, daran war alles schön.

Zurück am Schreibtisch Turbulenzen, dazwischen Menschliches, für das ich mir gern mehr Zeit genommen hätte. Erst kurz vor zwei kam ich zu meinem Mittagessen: Pumpernickel mit Butter, einige Mandarinen (an denen ich am meisten den Duft mag, mit dem ihre Schalen im Mülleimer mein Büro aromatisieren).

Den Nachmittag halt auch rumgekriegt, alles weist darauf hin, dass der Druck und die Taktung bis mindestens nächsten Donnerstagabend hoch bleiben, also bis zum vorletzten Arbeitstag vor den Weihnachtsferien.

Schon beim Aufwachen und jetzt wieder spielten meine Atemwege (Schluckweh, Bitzeln in den Nebenhöhlen, gewaltige Nieser) “vielleicht werde ich krank”. Doch da das regelmäßig vorkommt, baue ich weiter auf die Abwehrkräfte, die mir solche Attacken fast immer vom, haha, Hals halten.

Auf dem Heimweg Lebensmitteleinkäufe im Edeka und Vollcorner. Zu Hause Häuslichkeiten, eine schöne Folge Yoga-Gymnastik, Teigzubereitung für die eine Sorte Plätzchen, zu denen ich mich aufraffe: Schneeflocken von Frau Mutti.

Gestern war Tag der Ernteanteilrätsel: Nachdem Frau Brüllen über diesen Trumm in ihrem rätselte, standen wir vor diesen… Stangerln.

Auf heller Fläche verbogene dunkelbraune Wurzeln, rechts daneben eine Avocado

Avocado zum Größenvergleich.

Nach ebenfalls Befragung von Mastodon kreisten wir Süßkartoffeln ein: Das passte zur Liste auf dem Kartoffeldruck – auch wenn zwei große, dicke und eindeutig als Süßkartoffeln zu identifizierende dabei waren. Verifizierung durch Verarbeitung am Wochenende.

Als Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell frisch geholten Ernteanteil-Schwarzkohl mit -Karotte als Eintopf – Kartoffeln musste er allerdings zukaufen.

Weißer Teller auf grünem Set, im Teller Eintopf aus Schwarzkohl, Kartoffeln, Karotte, weißen Bohnen, Wurst

Ganz besonders schmackhaft diesmal.

Journal Sonntag, 8. Dezember 2024 – 2. Regenadvent auf Bahngleisen

Montag, 9. Dezember 2024

Verschlafen! Ich hatte mir den Wecker gestellt, um noch ein wenig Zeit mit den Freunden in bei Basel über Morgenkaffee verbringen zu können. Gestellt ja, erwies sich, aber nicht eingeschaltet. Und so standen wir deutlich später auf als geplant.

Für Morgenkaffee mit Freunden reichte es trotzdem noch, das war sehr schön.

Im greislich niesligen Wetter gingen wir zum Bahnhof und starteten unsere Rückreise. Am Basler Bahnhof war beim Umsteigen noch Zeit für Brotzeitbesorgung im edlen Buffet: Ich steuerte es gezielt an, nachdem @cuorecomarmo so davon geschwärmt hatte, und sah mich mit Herrn Kaltmamsell ausführlich um.

ICE nach Mannheim. Dort waren nur fünf Minuten für den Umstieg eingeplant; ich ging davon aus, dass wir eh Verspätung haben und einen anderen Anschlusszug nehmen würden, dass uns das also Zeit für einen Mittagscappuccino lassen würde. Hatten wir dann auch, aber nicht weil der ICE nach Mannheim verspätet war (pünktlich auf die Minute!), sondern weil der anschließenden ICE nach München fast eine halbe Stunde nach Fahrplan fuhr. Egal: Mittagscappuccino mit Baustoff-festem Milchschaum in einer Bäckereifiliale im Bahnhof, deren Backwaren deutlich besser aussahen, als der Cappuccino schmeckte (geht mir weg mit “die Kaffeebohne ist eine Beere und soll sauer schmecken”).

Im Vordergrund auf einem Holztischchen zwei Tassen Cappuccino, dazwischen ein Deko-Weihnachtsbäumchen mit Kugeln, im Hintergrund eine Bahnhofshalle mit Passagieren und Läden

Von Mannheim nach München saßen wir dann in einem ICE 3neo mit ganz neuem Schnickschnack. Der Bildschirm im Großraumabteil erklärte sie netterweise (und dass das “ICE 3neo” war): U.a. Tablet-Halterung am Vordersitz (mit verstellbarer Klammer drüber zum Festhalten), Mobilfunk-durchlässige Fenster, Reservierungsanzeige mit rotem Licht für “jetzt reserviert” oder gelbem für “serviert ab Anzeige”, Rollstuhl-Hublift, Fahrradstellplätze.

Vernünftige Brotzeit um zwei ohne Appetit: Apfel, Maissemmel (weicher als erwartet) mit Tomate, Mozzarella, Frischkäse.

Auf dem Weg nach München las ich Matt Haig, The Midnight Library aus (mit sehr wackliger Internetverbindung; da ich das Buch in der Bücherei ausgeliehen hatte und im Browser las, musste ich immer wieder Zwangspausen einlegen, bis das nächste Stück lud). Es war schon nett. Mir gefiel der nicht-realistische Erzählansatz: Die Britin Nora findet sich nach ihrem depressiven Suizid an der Schwelle zum Tod in einer endlosen Bibliothek wieder, die verschieden grünen Bände in den Regalen bringen sie in Varianten ihres Lebens – wie es verlaufen wäre, hätte sie andere Entscheidungen getroffen, große oder kleine. Diese Grundidee mochte ich, wenn ich auch bereits diese viel zu breit ausgewalzt und erklärt fand. Dieses Übererklären zieht sich durch den gesamten Roman, beim x-ten Auswalzen der Grunderkenntnis, dass es kein ideales Leben und Lebensziel gibt, sondern immer nur einen solchen und solchen Umgang mit der aktuellen Situation, rollte ich nur noch mit den Augen. Gleichzeitig fand ich mich durch die vielen Lebensgeschichten derselben Person mit ähnlichen Nebenpersonen durchaus unterhalten auf einer langen Bahnfahrt. Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass das Buch mit seiner Besinnungsnote ein Bestseller ist.

Ankunft im nachtdunklen, regnerischen, kalten München mit 20 Minuten Verspätung, das ist bei geplanten sechs Stunden Fahrtzeit mittlerweile im akzeptablen Rahmen.

Daheim viel Kruschen und Räumen, Vorbereitung der nächsten Arbeitswoche, aber auch Telefonat mit Vater auf Reha (alles gut). Yoga-Gymnastik mit Kräftigung, tat gut.

Als Nachtmahl hatte Herr Kaltmamsell den kleinen Kopf Weißkraut aus Ernteanteil in Absprache mit mir in eine Art spanische Krautfleckerl verwandelt: Spanisch war die Zubereitung des Weißkrauts in Streifen gebraten in der Pfanne mit Knoblauch und Pimentón de la vera (mild und scharf), nicht vorgesehen ist in Spanien dann aber das Untermischen von gekochten Nudeln. Die Kombi erwies sich als gut.

Nachtisch Plätzchen von Frau Schwieger, Schokolade.

Früh ins Bett zum Lesen, nächste Lektüre: Annette Hess, Deutsches Haus.

Journal Freitag, 6. Dezember 2024 – Regennikolaus

Samstag, 7. Dezember 2024

Jemand anders hatte Nikolaus keineswegs vergessen: Als ich völlig erschlagen (trotz guter Nacht) nach Weckerklingeln meine Schlafzimmertür öffnete, begrüßte mich davor ein wunderschöner Schoko-Nikolaus. Der Schenker amüsierte sich darüber, dass ich Nikolaus vergessen hatte.

Schon bei einem leichten Zwischen-Aufwachen hatte ich das Regenrauschen gehört – und diesmal war mir dabei eingefallen, dass ich Gummstiefel besitze: Ich saß im Büro also nicht wie am Regenmorgen der Vorwoche eine Stunde strumpfsockert am Schreibtisch, die nassen Turnschuh-Vorderteile mit Papiertüchern ausgestopft, damit Socken und Schuhe trocknen konnten. Aber Spaß machte der Weg in die Arbeit in prasselndem Regen, den Schirm gegen den Wind gestemmt, auch so nicht. Mein feuchter Wollmantel dominierte den ganzen Tag den Geruch meines Büros. (Ich kam erst nicht drauf, wieso es in dem Raum nach Schaf roch.)

Geordneter Start des Arbeitstags, ich unterbrach das Abarbeiten nur hin und wieder nach innerem Hochschrecken für Nachfragen zur Beruhigung, es schoss nur wenig quer dazwischen.

Draußen wurde das Wetter graubunt, es regnete aber nur vereinzelt.

Sehr erhöhter Blick auf Vorstadt mit Bürogebäuden, mehrspurige Straßen, S-Bahn-Gleise, im Hintergrund die Stadt-Silhouette von München

Also wagte ich mich nach dem Check des Regenradars in Turnschuhen und Mantel, ohne Regenschirm auf einen Mittagscappuccino ins Westend, kam trocken hin und zurück. Danach Weiterarbeiten, allerdings mit der Erschwernis schwankender Konzentrationsfähigkeit.

Mittagessen wieder sehr spät, aber gestern wegen Appetitlosigkeit (my old Stress-friend): Apfel, Granatapfelkerne mit Sojajoghurt.

Nachmittag weiter geackert mit wenig Durchschnaufen dazwischen, ich brauchte fast durchgehend Kunstlicht.

Feierabend nur wenig in die Überstunden gezogen. Auf dem Heimweg Edeka-Einkäufe: Es war spannend, auf dem Weg dorthin in der Einkaufslisten-App zu beobachten, was Herr Kaltmamsell wegbesorgte. Wetter halbwegs trocken.

Zu Hause erstmal Geschäftigkeit (Wäsche, Pflanzen, Reisevorbereitungen) und Yoga-Gymnastik, dann war endlich wirklich Feierabend. Herr Kaltmamsell hing ebenfalls sehr in den Seilen, sorgte dennoch für Nachtmahl. Ich reichte vorher Negronis an, dann gab es den Ernteanteil-Kürbis als DEN Salat.

Mit Postelein statt Ruccola, weil der halt im Ernteanteil war. Dazu den Rest Rosé von der Vorwoche (vakuumiert verplöppelt im Kühlschrank frisch gehalten), der überraschend gut zu Kürbis und Apfel passte. Nachtisch Schokolade, vor Bauchkneifen aufgehört.

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In der SZ-Reihe “Reden wir über Geld” gestern Gonzalo Ùrculo, Gründer und Geschäftsführer von Crowdfarming (bin treue und überzeugte Kundin) – viel interessanter Hintergrund zu Vertriebswegen von Obst, u.a. wie Restaurants in Juni an Orangen kommen (€):
“‘Wenn der Kunde Orangen im Juni möchte, können wir sie ihm nicht liefern'”.

Wir verkaufen nur saisonal und ernten immer schrittweise auf den Feldern, nach Bedarf. Die meisten Früchte halten sich sehr gut am Baum. Wenn du bei einem unserer Landwirte etwas bestellst, hängen deine Früchte noch am Baum. Damit wenden wir uns gegen den Trend, die Produkte innerhalb kürzester Zeit zu liefern. Das hat hohe Umweltkosten, weil das Obst dann überall in Europa zwischengelagert werden muss. Unsere schnellste Lieferung beträgt ab dem Zeitpunkt der Bestellung vier Tage. So lange dauert es mindestens, bis die Früchte gepflückt, verpackt und verschickt werden.

Hin und wieder werde ich hier nach konkreten Crowdfarming-Anbauern und der Qualität der Früchte gefragt. Ich nenne gerne die Standorte meiner Baum-“Adoptionen”, doch was die Qualität angeht: Kommt drauf an, nämlich auf die konkrete Saison. Jede und jeder, die mit Obstanbau zu tun hatten, weiß, wie stark der Einfluss des Wetters auf die Ernte ist. Genau das ist der Unterschied zum Supermarkt-Obst: Dort wird nur die schönste, standardisierte Ware angeboten, und wenn der Lieferant sie nicht liefern kann, wird ihm nichts abgenommen. Und schon sind Lebensmittel zu Müll verwandelt. Bei Crowdfarming kauft man einen Ernteanteil, große und kleine Früchte, viele davon nicht ebenmäßig. Wie sie halt am Baum hingen.

§

Wenn wir schon bei Lebensmitteln sind: Chris Kurbjuhn erzählt eine Familiengeschichte damit.
“Mutters Essen: Knödel mit Geschichte”.