Schön war’s gestern. Ich bin halt nur ausgesprochen unentspannt, wenn ich Fahrten nicht wie gewohnt von A bis Z durchplanen kann.
Das Abenteuer bestand darin, ohne Auto einen Ausflug nach Sepúlveda zu machen; von dort ums Eck kommt meine großmütterliche Familie, ich verbinde mit dem malerischen Örtchen viele Kindheits- und Jugenderinnerungen. Außerdem ist Sepúlveda weithin berühmt für Milchlamm aus dem Bäckerofen (cordero asado), das wollte ich gerne mal wieder essen.
Zug fährt gar keiner hin (es gibt dann doch erstaunlich wenige Gleisverbindungen in Spanien, mag mit der spärlichen Besiedlung des Landes zu tun haben), Linienbus gesichert nur zweimal am Tag bis Boceguillas, was 12 Kilometer vom Zielort entfernt liegt. Zum letzte Stück waren Informationen im Web spärlich und widersprüchlich. Einige Quellen rieten zu Taxi (mit der Empfehlung, dieses zu bestellen, denn vor Ort gebe es keines), manche Reiseplattformen gaben eine regelmäßige Busverbindung an, doch auf der Website des angegeben Busunternehmens (keine Suchfunktion) war der einzige Hinweis das PDF eines schief eingescannten Tabellenausdrucks. Ich sah uns schon in Boceguillas gestrandet (= Nirgendwo an der Autobahn nach Burgos, 750 Einwohner) auf den einen Abendbus zurück nach Madrid wartend. Doch Herr Kaltmamsell argumentierte: “Na und, dann müssen wir halt genug zu lesen dabei haben.” Ich kaufte also online zwei Tickets hin und zurück nach Boceguillas. Und tatsächlich kamen wir nach Sepúlveda, ich konnte den kleinen kastilischen Teil meiner Seele streicheln lassen.
Erstes Abenteuer war allerdings der Madrider Busbahnhof an der Avenida de América, der drei weitläufige unterirdische Ebenen umfasst und sich nicht eben um Informationstransparenz bemüht. Doch selbstverständlich waren wir so rechtzeitig da, dass genug Zeit für die Suche nach dem richtigen Bussteig blieb.

In Boceguillas stiegen wir an einem Umsteigebusbahnhof mit Bar aus; ich fragte die Barangestellte, ob hier tatsächlich in 15 Minuten ein Linienbus nach Sepúlveda halten würde: Nein, meinte sie, den gebe es nur Dienstag und Freitag. Also Taxi, zum Glück fand die Dame in ihren Schubladen die Telefonnummer eines Taxianbieters. Als wir draußen auf diesen warteten, hielt ein kleiner Autobus der erwarteten Linie; die Barangestellte war bestürzt und verlegen, ließ sich vom Fahrer für künftige Nachfragen die Abfahrtzeiten geben – und wir ließen uns mit dem Taxi nach Sepúlveda bringen.



Fürs Mittagessen steuerte ich unter den vielen hornos wieder Zute el Mayor an. Dort gibt es nichts außer cordero asado: Wir sahen nicht mal eine Karte, kaum saßen wir, standen schon Brot und Salat vor uns, kurz darauf kam das Lamm. Nach Wünschen wurde nur bei Getränk und Dessert gefragt. Vor zehn Jahren habe ich schon mal alles zu Speisen und Lokal aufgeschrieben – und warum ich mich dem Restaurant bis heute verpflichtet fühle.

Aktualisiert werden müssen aber die Angaben zu Casa Paulino: Es gibt sie nicht mehr in der beschriebenen Form. Aus der lärmigen Bar mit sieben Metern hervorragenden und immer neuen Tapas und Raciones ist ein gesittetes Restaurant geworden, das nur noch im vorderen Bereich eine kleine Bar hat. Dort trank ich gestern zum Aperitiv einen Vermouth Segovia (schön mild).
Sehr gesättigt und mit je einer halben Flasche einfachen Rotwein aus der Gegend (Ribera del Duero) intus, spazierten wir die Gässchen Sepúlvedas hinauf und hinab. Am Himmel und in den Gassen viele Schwalben und, was ich fast schon wieder vergessen hatte, Unmengen Gänsegeier: An Sepúlveda schließt sich der Naturpark Hoces del río Duratón an, und in diesem ist eine der größten Gänsegeierpopulationen Europas beheimatet. Im gestrigen schönen Sommerwetter segelten sie zu Dutzenden auf den Thermiken, ich zählte bis zu 50 auf einmal.


Da Sepúlveda von Schluchten umgeben ist (eben den hoces) und die Geier auch hier kreisten, sahen wir sie manchmal fast auf Augenhöhe fliegen.






Zum ersten Mal sah ich mir den deutlich abgelegenen Friedhof von Sepúlveda an; überraschend viele Erdgräber (sonst sind ja Mauergräber typisch) und ein auffallendes Falangisten-Denkmal, so groß wie das größte Mausoleum auf diesem Friedhof.






Alberne Tagträumereien wie es wäre, hier ein (schwer erreichbares) Ferienhäuschen zu haben.
Derselbe Taxifahrer holte uns abends ab und brachte uns zurück zur Busstation in Boceguillas, Rückreise nach Madrid ereignislos. 
die Kaltmamsell