Abneigungen sortieren

Dienstag, 5. Dezember 2006 um 9:59

(Dieses Idiosyndings-Wort will sich einfach nicht in meinen aktiven Wortschatz fügen.)

Letzte Woche habe ich es wieder ohne große Mühe geschafft, eine Gruppe freundlicher und entspannter Menschen schlagartig aufzubringen: Ich zog in geselliger Runde beim passenden Stichwort mit meinen Ansichten über Hochzeiten vom Leder, natürlich unaufgefordert. Und schon war die entspannte Stimmung beim Teufel.
(Ja, ich kenne den Auslöser: Die Gruppe bestand aus 15 Kolleginnen und Kollegen, die ich bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal sah und zu meiner Bestürzung umgehend duzen musste. Und wie stellt die schlaue Frau Kaltmamsell nach solch einer erzwungenen Distanzlosigkeit reflexartig Abstand her? Indem sie renitent und böse ist, damit niemand sie leiden kann. Ganz prima.)

Worauf ich hinaus will: In dem Selbstekel, mit dem ich die anschließende Nacht verbrachte, versuchte ich eine Bestandsaufnahme, welche Traditionen ich genieße und welche ich ablehne.
Adventszeit – herrlich
Familienweihnacht – mit zusammengebissenen Zähnen, hin und wieder aber diese Anstrengung wert
Hochzeit – zum Kotzen
Fasching – wundervoll
Oktoberfest – am besten verbieten
Geburtstag – anderer Leute: sehr willkommen; eigener: problematisch
Silvester – Ablehnung bessert sich, Begeisterung will sich dennoch nicht einstellen
Taufen – fürchterlich
Beerdigungsfeiern („Leich“) – großartig, meine Erfahrung beschränkt sich hier allerdings auf genau zwei
Valentinstag, Halloween, Muttertag, Vatertag lösen bei mir gar nichts aus.

Ich finde keinen roten Faden, der meine impliziten Kriterien für Akzeptanz oder Zorn herleiten könnte.

die Kaltmamsell

18 Kommentare zu „Abneigungen sortieren“

  1. creezy meint:

    Glückwunsch! Sie sind also doch ein herrliches Individuum!

  2. Helga B. meint:

    Ich für meinen Teil gehe wesentlich lieber auf eine Hochzeit als auf eine Beerdigung. Allerdings sind tatsächlich einige Veranstaltungen derer Art – Hirn und Persönlichkeit ein Jahr vorher irgendwo abgegeben. Aber doch nicht alle! Noch nie ein wirklich schönes Fest erlebt? Einfach mit einem Paar zusammen gefeiert?

  3. Nicky meint:

    Hochzeiten waren mir auch immer ein Graus – wahrscheinlich, weil ich auf dem Land groß geworden bin und vor allem diese “hier kommt die ganze Sittschaft”-Hochzeiten noch im Kopf hab. Zweihundert Leute und mehr…, jeder tätschelte einem den Kopf “Mei is des Moidl scho wida groaß g’woan…”, ganz egal ob man das nun wollte oder nicht. Allerdings haben Freunde von uns im August in Wien geheiratet und das ganze Fest war einfach nur himmlisch! So geht’s also auch ;)

  4. KleinesF meint:

    Bis auf Fasching stimme ich zu – mit kleinen Unregelmäßigkeiten bei Hochzeit.

  5. Susanne meint:

    Ich sehe schon, wir stimmen da mal wieder stark überein. Ich gehe auch lieber auf eine Beerdigung als auf eine Hochzeit. Muss dann allerdings gleich hinzufügen, dass ich im Sommer auf zwei sehr schönen Hochzeiten war, die individuell und persönlich waren. Was die diversen Feiertage angeht muss ich sagen, dass ich Halloween und den Valentinstag aus tiefstem Herzen verabscheue, den Vatertag albern finde, den Muttertag früher schrecklich und seit ich selber Mutter bin irgendwie doch gut. (Okay, jetzt dürfen alle Luftholen.)

    Adventszeit wird schlimmer, seit wir mit Kind im Kindergarten gesegnet sind. Ich hätte sogar Theater spielen sollen für die Weihnachtsfeier. Das ist eine Zumutung. Weihnachtslieder mag ich irgendwie nicht mehr so gerne, seit ich Zeiten hatte, wo ich von Berufs wegen ab Anfang November bis Weihnachten fünf Mal die Woche jeden Nachmittag damit verbringen musste. (Ich unterrichte Klavier, Gesang und Blockflöte.)

    Ich glaube, Ihr gemeinsamer Nenner ist erzwungene Fröhlichkeit. Oder das, was unter solchen Umständen als Fröhlichkeit angesehen wird. Ich trinke zum Beispiel gerne mal ein Bier mit Freunden, aber das Oktoberfest finde ich in seiner Hohlheit richtiggehend gruselig.

  6. croco meint:

    Alles was entspannt abläuft, aber trotzdem eine Dramaturgie aufweist, hat meinen Segen. Ich war schon auf so vielen Hochzeiten, dass ich sagen kann, welche die nettesten waren: die in der tollsten Kirche mit der schönsten Orgel, und die, bei denen das Brautpaar fröhliche und interessante Verwandte mitbrachte.
    Das Ganze kann einem auch bei Beerdigungen geboten bekommen.

  7. beh meint:

    Ein weiterer Kandidat fuer einen gemeinsamen Nenner, oder das Ur-Uebel, koennten uebersteigerte Erwartungen sein. Oder ueberhaupt Erwartungen. Und die Befuerchtungen, dass andere denken koennten, man selbst wuerde etwas erwarten, dem sie gerecht werden muessen.

    Extrem ist das beim Jahresendfest (nicht Silvester), bei Hochzeiten doch aber auch (“der schoenste Tag im Leben”, und was ist? die Hochzeitsgesellschaft ist vom Polterabend noch breit und kloppt sich), und beim eigenen Geburtstag. Bei allen uebrigen Gelegenheiten, die von Ihnen als Gelegenheiten wahrgenommen werden, sind die Erwartungen nicht so hoch gehaengt. Oder der Inhalt der Gelegenheit nicht vollstaendig durch Erwartungen ersetzt.

  8. Greenbay meint:

    Ja, die Familie. Wenn ich mit meinen Schwestern und Brüdern (das ist jetzt biologoisch gemeint) und deren Kindern zusammen bin ist es zu laut. Es wird zu viel getrunken. Keiner gönnt dem Anderen was. Jeder kennt die dunklen Punkte im Leben des Anderen und natürlich auch seine Schwächen und puhlt genüsslich darin herum.

    Wenn ich dann in die Runde schaue, muss ich schmunzeln, weil ich sie alle wirklich gern habe, so wie sie sind. Kunststück, sie sind unegfähr wie ich. Ob schlecht oder gut, es ist meine Familie und ich freue mich jetzt schon auf den Austausch von Gehässigkeiten, den wir Weihnachten und Silvester mit Sicherheit wieder haben werden.

  9. Arztgatteneherfrau (ex) meint:

    Verehrteste Frau Kaltmamsell,

    mir gefallen Hochzeiten ganz doll. Als meine Cousine Margret Pralinenhochzeitmfeierte, schleppte ich (fast 19 und mit frischem Führerschein) den Cousin ihres Mannes ab (fast 18 und mit einem Mercedes mit Lenkradschaltung ausgestatettet, der Rest war auch nicht übel). Was haben wir gemacht ?… und im übrigen sind wir an diesem traumhaften Maiabend über die Dörfer gefahren und haben uns einen großen Spaß daraus gemacht bei anderen Hochzeiten aufzutauchen. Alle dachten wir gehörten zur jeweils andern Seite. Also, auf Hochzeiten amüsier ich mich wie Bolle.
    Am langweiligsten war es auf der Hochzeit meiner Cousine. Da war Arztgatte schon dabei und ich konnte nicht so aus mir rausgehen.
    Unsere Hochzeit? Ich hab mir extra ein super taubenblaues Businesskostüm gekauft. Und einen Hut. Alles andere wäre mir zu sehr verkleidet vorgekommen. Ist wohl eine Frage des Selbstverständnisses. Ich bin halt zu erfolgsorientiert und zu wenig Muttchen.
    Die Hochzeit war trotzdem toll. Wir hatten zum Mittag und zum Abend mehrgängiges Essen. Und unsere Familien hatten viel Spaß zusammen. War auch das erste und das letzte Mal, dass sie zusammengekommen sind. Sozusagen ein Speed-family-dating.
    Mit der nächsten Familie komme ich jetzt demzufolge öfter zusammen. Aber Schwimu ist auch eine Kracherin. Gelernter Schmiedin, hat mit Schwiegervater eine Firma nach dem Krieg aufgezogen und weiss wo Bartel den Most holt. na, ja, was soll ich sagen, sie ist genau wie ich. Sie ist nordisch unterkühlt, und dabei sowas von ehrlich, das ist echt und sympathisch. Da braucht es keinen böhmischen Möhlschpeisn-Schmäh. Eher einen echten Korn. Man merkt, ich mag die neue Schwiegermutter.
    Das beste, ihr ist es scheissegal, was ich beruflich mache. Ich habe das Gefühl, einfach als die Frau akzeptiert zu sein, für die sich ihr Sohn entschieden hat. Und das ist gut so.

    Nun zu den Schneeköniginnenkleidchen. Als meine Schwester heiratete, da hatte ich weder hinter noch vor der Hüttn irgend was zum vorzeigen. Ihr probeweise angezogenes Kleid war dann auch noch viel zu lang. Kurzum ich versank in Lagen von Tüll, Pailetten, Spitze. Und ich überlegt immer, was macht man am schönsten Tag im Leben, wenn man mal muss? Ich muss immer, vor allem wenn ich aufgeregt bin. am Hochzeitstag ist man aber aufgeregt. Ich habe vor lauter Aufregung morgens gekotzt.

    Verehrte Kaltmamsell, ich kann Ihnen nur beipflichten. Hochzeiten sind furchtbar, wenn es die eigenen sind. Die HOchzeiten von anderleit kann ich nur empfehlen.

    Die Sache mit den Beerdigungen erzähl ich jetzt nicht. Auf jeden Fall gefallen mir Beerdigungen sehr gut.

    Wenn ich Siedas nächste Mal treffe, dann erzähle ich Ihnen, was passierte, als der Vater eines Schulfreundes starb…

    Ihre
    Arztgattenehefrau

  10. Ärztingattin meint:

    Wir sollten einfach mehr Beerdigungen feiern.
    Mit Herrn Kid natürlich. Sinn-und stilvoll.

  11. Sebastian meint:

    Wir sollten einfach mehr Beerdigungen feiern? Selbst wenn das provokant gemeint ist und nicht eben mal so rausgeschrieben: Wie bitte?

    Sicher, Beerdigungen sind die ehrlichsten, brachialsten und archaichsten Feiern, weil nicht so planbar wie Hochzeit usw. und daher auch nicht so aufgeladen mit Erwartungen; und sie sind auch reich und klingen lange nach und sind echte Wendepunkte und absolut nötig, also alles so Sachen, die uns im Leben immer mehr fehlen und deswegen großartigen Stoff für Film und Buch abgeben.

    Aber deswegen jetzt mehr Beerdigungen feiern zu wollen oder sie lieber feiern zu wollen als Hochzeit, Taufe usw., das geht mir nicht übers Herz, dafür ist mir der ganze Schlamassel zu schmerzlich und fehlen mir die Toten zu sehr. Und die sind immer noch der Grund für eine Beerdigung. Nicht wir. Große Gefühle gibt es auch zu kleineren Preisen.

  12. Ärztingattin meint:

    Wenn das Essen dann auch noch geliefert würde…
    Würden unsere Herzen nicht überspringen und die unserer Verstorbenen sowieso?

  13. arztgattenexehefrau meint:

    Bei Beerdigungen muss man zwei Sachen machen: erst mal sich die ganze Trauer rausheulen, wenn es sein muss auch rausschreiben. Wie die Klageweiber.
    Das ist ganz wichtig um mit dem Abschliessen anzufangen.

    Und dann sollte man sich zusammensetzen und eine schöne Leich machen. Das ist ganz wichtig, damit man merkt, es geht weiter. Man hört dann immer so Sprüche, wie “Das hätte der Verstorbene gewollt”. Und tatsächlich, wer wollte nicht, dass am Tage seiner Beerdigung alle recht fröhlich sind? Also, das ist bestimmt keine Ausrede, um ein schlechtes Gewissen zu vermeiden. Man muss auch mit dem Weitermachen anfangen.

    Kleiner Tip von mir: der schlimmste Tag ist der Tag nach der Leich. Wenn da einer allein ist, ist es nicht gut. Also am besten für den Tag danach und auch weiters Zuspruch und Beistand organisieren, falls es um eine alleinstehende Person handelt.

    Noch was lustiges zum Abschluss: mein Schatz sagte kürzlich, dass es eigentlich schade ist, dass zu unserer Hochzeit unsere jetzigen Ehegesponsel nicht kommen können. Ja warum eigentlich nicht? Na, da sind beide doch schon tot.
    Da haben wir mal alles beide recht nett zusammen oder?

    Schönen Nikolaus oder (Glüh)Weinnachtsmanntag noch.

  14. kid37 meint:

    Erzwungene, emotional durchtränkte Heiterkeit (oder auch “Besinnlichkeit”) empfinde ich beklemmend. Selbst beim Fasching kann man noch den traurigen Clown spielen. Die Feierlichkeit einer Beerdigung ist da nicht nur in Kleidungsfragen wirklich vorzuziehen.

  15. L9 meint:

    Im ersten Moment dachte ich jetzt auch – roter Faden – das Gezwungene. Aber stimmt wohl nicht. Ich kann Ihnen jetzt mustererkennungstechnisch garnicht helfen.
    Wie ists bei mir? Eigentlich ähnlich. Bis auf Fasching (fürchterlich) und Beerdigungen. Beerdigungen gehen mir extrem nahe. Da habe ich aber auch schon ein paar wirklich schlimme Beerdigungen erlebt – Leute, die ich sehr mochte und Leute, wo es einfach zu früh war. Direkt aus dem Leben gerissen. Nein, Beerdigungen mag ich nicht.

  16. Ärztingattin meint:

    Der Tod steht mitten im Leben. In Mexiko werden Faschings- und Beerdigungsrituale ungezwungen miteinander vermischt. Vielleicht sollten wir uns einfach davor hüten, konventionellen Ritualen zu verfallen, die von Anfang bis Ende festgelegt sind.
    Aufs Christkind freuen wir uns aber alle, da jede/r etwas eigenes/anderes erwartet ;-)

  17. Jean-Luc meint:

    War das auf Firmenweihnachtsfeier?
    Naja, das hätte ich Ihnen gleich sagen können, daß Sie sich damit keine Freunde machen werden.

  18. Buster meint:

    Also um jetzt – sehr überflüssigerweise – auch noch Lokalkolrit in die Diskussion zu werfen: “Lieber eine badische Leich als eine schwäbische Hochzeit”.

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