Mysterium Oktoberfest

Montag, 22. September 2003 um 11:41

Das mit dem Oktoberfest werde ich meiner Lebtag nicht kapieren. Dieselben coolen Münchner, die beim Stichwort „Fasching“ Ausschlag bekommen, kostümieren sich jedes Jahr in Lederhose und Dirndlartigem, um sich auf die Theresienwiese zu stürzen, wenn sie für drei Wochen das Bierzentrum der Welt ist.

Dort ringen sie um einen Sitzplatz in einem der zahlreichen und allesamt überfüllten Bierzelte und betrinken sich. Auf dem Weg zur nahen Alkoholvergiftung sind diese Menschen bereit, Musik zu ertragen, gegen die sie sonst Umwege einschlagen, wenn sie ihnen auch nur aus Autos entgegen schallt. Und dann ertragen sie diese Musik nicht nur, sie tanzen auch noch dazu! Steigen auf ihre Bänke, bewegen sich rhythmisch, singen mit! Das allerallerallerseltsamste: Niemand scheint das seltsam zu finden!

Am häufigsten höre ich begeisterte Oktoberfest-Geschichten allerdings von Besuchern von außerhalb. Spanier, Engländer, Dänen, Kaiserslauterer berichten alles das gleiche, fast bis in den Wortlaut. Wie sie von ihren Münchner Geschäftspartnern auf das Oktoberfest eingeladen wurden, viel Bier tranken, australischen Touristen beim alkoholisierten Entgleisen zusahen, wie dann ihr eigener Banknachbar ebenso entgleiste, wie sie es fast nicht mehr bis aufs überfüllte Klo und später zurück ins Hotel geschafft hätten, wie am Morgen zwei Drittel der Kollegen nicht zum Frühstück erschienen. Beim Erzählen haben sie alle dieses Leuchten wirklicher Begeisterung in den Augen, lachen sich noch bei der Erinnerung schier scheckig. Ich habe den berechtigten Verdacht, dass sich so manches ausländische Unternehmen nur deshalb einen Geschäftspartner in München sucht, um aufs Oktoberfest eingeladen zu werden. Oder wie ist es sonst zu erklären, dass ich noch nie erlebt habe, dass eine Einladung zu einem Oktoberfest-Event im Ausland abgelehnt worden wäre?!

Allein schon die enthusiastischen Beschreibungen der Alkoholisierung auf dem Oktoberfest… Ben Elton, britischer stand-up Comedian, hat das in einer seiner frühen Shows schön zusammengefasst: “I couldn’t walk!!! I couldn’t talk!!!!
I couldn’t remember me own name!!!!” Elton empfiehlt darauf hin: “Well, next time throw yourself in front of a bus: same effect, and it lasts FOREVER!!!”

Ich gestehe, dass mein Eindruck davon beeinflusst ist, dass ich direkt in der Einflugschneise zum Oktoberfest wohne. Dadurch komme ich zwar bei entsprechender Windrichtung in den Genuss aller Wohlgerüche des Oktoberfests, also Zuckerwatte, gebrannte Mandeln, Bratwurst, Steckerlfisch. Aber ich sehe halt auch die Oktoberfest-Besucher in Scharen vorbeiziehen. Auf dem Hinweg ein netter Anblick, auf ihrem Heimweg eher gewöhnungsbedürftig. Gerade wenn sie, wie vergangenes Jahr, ihre gute Laune an meinem Auto auslassen. Das hieß konkret: ein zertretener Scheinwerfer, zwei zerstochene Reifen.
Wir haben sehr gelacht.

die Kaltmamsell

6 Kommentare zu „Mysterium Oktoberfest“

  1. Andreas meint:

    Hoffentlich hast Du heuer Deine Ente bei Deinem Lieblingsschrauber geparkt ;-)

  2. Wurzel meint:

    Um die Persönlichkeitsveränderungen durch den Besuch des Oktoberfestes zu verstehen, gibt’s nur ein Mittel: Hingehen, saufen und es los lassen: das wilde Tier im Manne oder der Frau!

  3. die Kaltmamsell meint:

    @Andreas: Wenn doch aber die Ente gerade lahm ist! Jetzt steht sie schon wieder hilflos der betrunkenen Spaßgesellschaft im Heimweg!
    @Wurzel: Mach ich lieber im Fasching…

  4. Knut Budnase meint:

    Steckerlfisch … ist das so eine Art Fisch am Stiel, an dem die Bayern andächtig schlecken, wenn Speiseeismangel herrscht?

  5. die Kaltmamsell meint:

    @Knut: Nee, ganz anders.
    Im 19. Jahrhundert begab sich auch der bayerische König Ludwig I. (der mit der Lola Montez) auf Reisen. Auf der iberischen Halbinsel entdeckte er sein neues Leibgericht: Bacalao. Da es sich bei diesem Ludwig um einen sehr neugierigen Menschen handelte, fragte er, was denn "Bacalao" heiße. "Stockfisch" erwiderte ihm die königliche Entourage.
    Als König Ludwig I. (von seinen Freunden "Luggi" genannt) zurück nach Bayern kam, ließ er sofort den königlichen Hofkoch rufen und wies ihn an, ihm künftig einmal in der Woche "Stockfisch" zuzubereiten. Der Hofkoch (siehe "Zwerg Nase") salutierte, brüllte "Yes, SIR!" (hatte zuvor zu oft Full Metall Jacket gesehen) und verzog sich in seine Küche. Hier wurde ihm klar, dass er ein Problem hatte: "Stockfisch" stand nicht in seinem Kochbuch. Aber blöd, nein blöd war der Koch nicht. Er setzte ein Brainstorming mit seiner Küchenmannschaft an. Alle setzten sich um den großen Arbeitstisch, und schon ging es los:
    – "Stockfisch."
    – "Stock."
    – "Also bei uns Steckerl."
    – "Fisch und Steckerl."
    – "Langer Fisch."
    – "Also eher Makrele."
    – "Steckerl durch Makrele!"
    – "Braten."
    – "Grillen."
    – "Makrele auf Steckerl grillen!"
    So wurde der Steckerlfisch erfunden. Ludwig I. liebte ihn. Als gute Führungskraft verschwieg er seinem stolzgeschwellten Hofkoch, dass das Ergebnis komplett anders schmeckte als Bacalao.

  6. Knut Budnase meint:

    *lach* … dann ist das ist ja sozusagen die bayrische Grillvariante des Bismarckherings :-)

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