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Freitag, 19. Dezember 2003Ich will. SOFORT!!!! Nach Manhattan.
Da gibts wohltrainierte strickende junge Männer im Bus auf dem Weg zum Kino.
Ich will. SOFORT!!!! Nach Manhattan.
Da gibts wohltrainierte strickende junge Männer im Bus auf dem Weg zum Kino.
The Comfort of Strangers.
Maybe I really should go a out a little bit more.
Mag schon sein – wenn man endlich bei „ehrlich“ angekommen ist. Doch das ist nicht so einfach.
Sucht man nach Tipps, den Staat – also die gesamte Bevölkerung – übers Ohr zu hauen, bekommt man Hilfe von allen Seiten. „Steuern sparen“ – also so geschickt lügen, dass man alle Begünstigungen mitnimmt – dafür gibt es sogar Software. Dass das ab einer bestimmten Größenordnung „Steueroptimierung“ heißt, habe ich erst kürzlich gelernt. Genaue Kenntnisse von Abgabepflichten und den zugehörigen Gesetzen haben ganz offensichtlich nur die, die sie umgehen wollen. Und zumindest einen Kontakt zu einem Schwarzarbeiter hat nun auch wirklich jeder. „Kavaliersdelikt“ ist selbst bereits ein Euphemismus, nämlich für Kleinkriminalität.
Jetzt habe ich da aber eine Freundin, die verzweifelt versucht, gestohlenes Geld nachzuzahlen – allerdings ohne andere mit hineinzuziehen. Sie hat Geld geerbt, für meinen kleinstbürgerlichen Horizont sogar ziemlich viel Geld. Nun kommt dieses Geld aber aus einem Ausland, in dem die Erbschaftssteuer niedriger ist als in Deutschland. Nach dem offiziellen Transfer ins Inland wird demnach die Differenz zum deutschen Erbschaftssteuersatz nachgezahlt. Hört sich eigentlich einfach an.
Das fanden allerdings nicht die direkten Erben, Verwandte der Freundin. Die schaffen das ererbte Geld seit einigen Monaten schrittweise in bar aus besagtem Ausland heraus und zahlen nicht nach. Als Bargeld haben sie einen beachtlichen Teil des Erbes an meine Freundin weitergegeben. (Ob das dann wieder so was wie „Schenkung“ ist und noch mal Steuern kostet, weiß ich nicht.)
Diese Freundin freut sich über das Geld, heißt das Procedere aber nicht gut. Sie möchte bitteschön die gesetzlichen Steuern zahlen. Nicht so einfach, denn sie möchte die anderen direkten und indirekten Erben nicht denunzieren. So begann sie sich also in ihrem Bekanntenkreis zu erkundigen, bei Leuten, die sich immer als interessiert und kundig in Gelddingen gezeigt hatten. Die konnten ihr zwar Tipps geben, auf welchen Umwegen sie das bare Schwarzgeld waschen kann (sehr nett, wie das reflexartig immer als Erstes aus den Befragten rausbricht, in vielen Facetten). Doch als sie insistierte, sie wolle es gesetzeskonform legalisieren, verstummten sie alle. Komplette Ratlosigkeit. Der einzige brauchbare Vorschlag: Vielleicht mal unter falschem Namen beim Finanzamt anrufen und nachfragen, wie tief die Beamten bei einer offiziellen Anmeldung des Geldes nach der Quelle forschen? Doch genau genommen ist das ja schon wieder gelogen.
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Unterm Strich fällt mir auf, dass ich auf der Vorspeisenplatte eigentlich nie meine Stimmung beischreibe. Mit einer vorsichtigen Ausnahme, weil ich sehr gereizt war. Ort für Stimmungsäußerungen ist mein Tagebuch, das ist seit dem 9. Lebensjahr führe und nach fast zwei Jahren Pause vor kurzem reaktiviert habe. Wenn ich hier mit Stimmungsäußerungen anfinge, zum Beispiel schriebe, dass ich gerade in dem für Depressive typischen Morgentief sitze – wäre mir das zu intim?
Ganz sicher bin ich mir ja immer noch nicht, ob ich nicht einfach einem Scherz aufgesessen bin. Denn diese Woche erzählte mir eine Kollegin aus Biberach (westlich von Augsburg) vom angeblich uralten Brauch des Christbaumlobens.
Christbaumloben geht laut dieser Kollegin so: An Heilig Abend besuchen sich bei Einbruch der Dunkelheit Freunde, Nachbarn und Verwandte, um – tja, um den geschmückten Christbaum zu besichtigen und laut zu bewundern. Der so Gelobte revanchiert sich mit Schnaps. Das war’s dann eigentlich schon.
Kichernd erzählte die Kollegin, dass die Besucher gerne schon an der Haustüre, viele Meter und Zimmerecken vom Weihnachtsbaum entfernt, in „Oooooh!“ und „Aaaah!“ ausbrechen, um keinen Zweifel am Grund ihres Besuches zu lassen.
Es gibt durchaus Versuche, Kriterien fürs Christbaumloben aufzustellen.
Hier finden sich Bilder, wie so was dann aussieht. Allerdings habe ich in der Navigation dieser Website auch das Stichwort „Ostereierloben“ gefunden. Ich glaube, darüber will ich jetzt lieber nicht nachdenken.
Heilig Abend ist ja in Deutschland hauptsächlich ein großes Fressen, aber kein traditioneller Anlass, sich zu betrinken. Vielleicht hat eine kleine Region in Deutschland einfach einen offiziellen Vorwand dafür geschaffen. Bei Google gibt das Stichwort 63 Treffer.
Andy Gage’s psyche was destroyed at age three by his abusive stepfather, and from its fragments arose a crowd of personalities vying for control of his body. When the novel opens, the body has just been taken over by 26-year-old Andrew. Shy, intelligent Andrew, the narrator, is now trying to give Andy Gage a normal life. He finds a job at a software company in Seattle and makes friends with his sympathetic boss, Julie. This stability is threatened, however, when Andrew meets self-destructive Penny, whose own multiple personalities are in a state of chaos.
Endlich wieder ein Buch, das ich vorbehaltlos empfehlen kann. Selbst Leuten, die Matt Ruff nicht von Fool on the Hill (1988) oder Sewer, Gas & Electric: The Public Works Trilogy (1997) mögen.
„Ganz anders“, hatte mein Mitbewohner, ein Ruff-Fan der ersten Stunde, schon im ersten Buchdrittel von Set This House in Order (erschienen 2003) geurteilt. Finde ich gar nicht mal so. Was in Matt Ruffs ersten beiden Romanen draußen oder in der Zukunft stattfand, passiert jetzt in den Protagonisten selbst.
Die menschliche Psyche findet eine unglaubliche Vielfalt von Auswegen, um mit tiefen Verletzungen fertig zu werden. Zum Beispiel, indem sie ihre verschiedenen Facetten voneinander abkoppelt. Die Medizin beschreibt das (umstrittene) Phänomen mit MPD – Multiple Personality Disorder. Andrew, die Hauptperson, hat sich damit arangiert. Er tritt nicht als heilungsbedürftiger Psychopath auf, sondern als jemand, der seine Persönlichkeiten gut organisiert hat und so den Alltag meistert. Wie diese psychische Störung ohne Ordnung einen Menschen zermürben kann, wird an Penny vorgeführt.
Matt Ruff macht die Hintergründe und Zusammenhänge dieser Form des Überlebens so einleuchtend, dass die beiden nicht krank erscheinen. Verrückt, ja. „Complicated“ ist aber die am häufigsten verwendete Bezeichnung.
Die Geschichte – spannend und mit Elementen von Queste / Road Movie – erfasst viele Aspekte psychischer Verwerfungen – auch die der Verantwortlichkeit. Andrews Haltung ist klar: Psychische Verletzungen können Vergehen erklären, doch aus Schuld und Verantwortung entlassen sie nicht.
Matt Ruff schreibt seine Charaktere auch in Set This House in Order mit großer Fürsorge und Liebe. Möglicherweise ist er der einzige Romanautor, der die Guten interessanter zu gestalten weiß als die Bösen. Zu dieser Fürsorge gehört auch Humor: Wenn auf einer langen gemeinsamen Autofahrt die multiplen Persönlichkeiten zweier Menschen außer Kontrolle geraten, dann IST das einfach komisch. Gerade hier zeigt sich die Stärke von Matt Ruffs Sprache: Sie tritt nie in den Vordergrund, ist immer nur Werkzeug. Dadurch bekommen Charaktere und Ereignisse allen Raum.
Auf Deutsch scheint es Set This House in Order noch nicht zu geben. Hoffentlich findet sich dafür ein so guter Übersetzer wie bei Fool on the Hill.
Ganz aufgeregt hasten und wirbeln sie, mal hierhin, mal dort. Dass sie noch ganz junge und damit unerfahrene Schneeflocken sind, sieht man schon an ihrer Größe. Deshalb treten sie wohl auch in dieser größeren Gruppe auf. Dass überhaupt welche den Boden erreichen, erscheint fast unmöglich: Sieht man genau hin und konzentriert sich auf eine einzelne der Nachwuchsflocken, ist ganz klar eine Aufwärtsbewegung erkennbar. Vielleicht haben sie ja die Orientierung verloren?
Etwas zur Ruhe kommen sie kurz vor meinem Bürofenster. Als nehme ihnen mein Anblick ihr Lampenfieber, halten sie kurz inne – um dann entspannt auf’s Fensterbrett zu trudeln.
Vor Jahren schrieb ein Praktikant Geschichte, weil er sich innerhalb einer Woche den Titel “Liebling der Massen” verdiente: Alex. Dem Praktikantendasein längst entwachsen, erwies er sich eben ein weiteres Mal dieses Titels würdig: Er schickte mir ins Büro einen Lindt-Schokoladennikolaus. Das allein wäre eine heimliche Träne der Rührung wert gewesen. Aber dann hing auch noch ein goldener Stern um Nikolausis Hals, auf dem neben lieben Grüßen stand: “Der Schokonikolaus würde übrigens sehr gerne einmal Rohrpost fahren. Kannst Du ihm diesen Wunsch erfüllen?”
ABER SICHER!!
An sich hatte ich ihm noch einen Helm aus einem halben Überraschungsei basteln wollen. Dann fiel mir ein, dass ich das Ei schon weggefressen hatte. Nikolaus musste also auf sich selbst aufpassen.
Er kam in die High-Tech-Patrone.
Vor der Reise gab ich ihm noch ein wenig Gelegenheit, das Medium Rohrpost zu begutachten.
Aber dann ging es ab.
Mittlerweile ist er natürlich ebenfalls weggefressen.