Archiv für Februar 2004

Old Economy ist… (3)

Freitag, 6. Februar 2004

Casino (45k image)

…wenn es so im Gästecasino aussieht.

Pfarrer, Ärzte und Lehrer

Donnerstag, 5. Februar 2004

Es gibt in Deutschland drei Berufsgruppen, denen die Gesellschaft nicht verzeiht, wenn sie durch etwas anderes als selbstlosen Idealismus motiviert sind:
Pfarrer, Ärzte, Lehrer

„Wieso hast Du eigentlich BWL studiert?“ „Na ja, ich dachte mir, damit kannst Du immer mal was anfangen…“
Völlig in Ordnung, da sagt keiner was.

„War Bäcker eigentlich dein Traumberuf?“ „Ach, das war damals sauschwer überhaupt eine Lehrstelle zu kriegen, und da hat mir ein Freund von meinen Eltern bei sich in der Bäckerei was verschafft. Aber jetzt gefällt’s mir schon.“
Ist akzeptiert.

Ganz anders aber:

„In Polen ist Pfarrer halt so ziemlich der einzige krisensichere Job.“
?!
Habe ich vor ein paar Jahren fast wörtlich von einem Priesterseminaristen gehört. Das geht natürlich gar nicht.

„Ach weißt du, ich hab am liebsten einen Schreibtisch zwischen mir und dem Patienten.“
Diese Doktoressa hat das mit einer Stelle in einem Gesundheitsamt auch bekommen. Aber: Wie bitte?

„Nee, Aufsicht bei der Schullandheim-Fahrt mach ich nicht mehr. Eine ganze Woche weg von der Familie, und dann muss ich ja alles aus der eigenen Kasse zahlen.“
Da fehlt’s ja wohl an der richtigen Einstellung!

Ich glaube, deshalb hat das Ansehen dieser Berufsgruppen in den letzten Jahren auch so gelitten. Na gut, katholische Pfarrer gibt’s ja fast nicht mehr. Aber Ärzte und Lehrer werden immer schräger angeschaut. Weil sie sich immer mehr verhalten, als hätten sie einen Beruf wie jeder andere. Und schon werden sie darauf reduziert: „Der will den Patienten ja bloß das Geld aus der Tasche ziehen“, beziehungsweise „der will sich ja bloß um die Arbeit drücken“.

Folgen- und einflussreiche Tätigkeiten sind auch die von Elektrikern, Architekten oder Krankenschwestern. Wäre es nicht eine Idee, einfach auch bei Pfarrern, Ärzten und Lehrern davon auszugehen, dass es da Gute und Schlechte gibt, Faule und Fleißige, Idealisten und Realisten, Motivierte und Lahme?

Minette Walters Acid Row

Mittwoch, 4. Februar 2004

Acid (5k image)

Eben fertig gelesen und für gut befunden (innerhalb des Genres Englischer Sozialkrimi sogar sehr gut): Acid Row von Minette Walters.

Es geht um gewalttätige Unruhen in einem englischen Arme-Leute-Wohngebiet, die eines Ta-ges völlig außer Kontrolle geraten. Anlass ist das Gerücht, ein eben zugezogener Mann sei schon mal wegen Kindesmissbrauchs verurteilt worden.
Und dann lese ich heute morgen in der Süddeutschen dieses:
Die brutale Tötung eines verurteilten Sexualstraftäters durch fünf junge Männer schockiert die Einwohner von Burg nahe Magdeburg

Don Camillo und Peppone

Mittwoch, 4. Februar 2004

Vor Jahren schon habe ich endlich alle Folgen Don Camillo und Peppone auf Video aufgenommen. Ich liebe sie inniglich, alle miteinander. Zum einen, weil das gemeinsame dreckige Lachen mit meinem Vater sonntags auf dem Sofa beim Gucken dieser Filme so ziemlich das engste Band ist, das uns verbindet. Zudem weil Fernandel nie besser war (habe mir in später Jugend mal die Mühe gemacht, andere Filme mit ihm aufztun).

Und dann weil mir der Anblick des norditalienischen Städtchens am Po in den 50ern jedesmal das Herz zerreißt: Fast exakt so sah es in der kastilischen Heimat meines Vaters aus: arm – so arm, dass nie ein geschöntes „ärmlich“ daraus werden konnte. Und weil meine Gedanken dann zu den Männern schweifen, die nach Deutschland fuhren, um dieser Armut zu entkommen. Die man „Gastarbeiter“ nannte, um den schon damals historisch negativ besetzten Begriff „Fremdarbeiter“ zu umgehen (der in Fassbinders Katzelmacher deshalb sehr absichtlich klingt). Und in meiner Kehle sammeln sich Tränen.

Assoziationsflut, ausgelöst durch dieses Foto.

Mein merkwürdigster Ferienjob

Dienstag, 3. Februar 2004

Don Dahlmann ist natürlich mal wieder nicht zu übertreffen: Vaseline-Schmelzer bei Penaten ist wirklich ein Stück Vergangenheit, das für die Nachkommen konserviert gehört. Ich bin zwar schwer versucht, mit „Aktmodell für eine lokale Künstlergruppe“ gegenzuhalten, aber erstens wäre das billig (da hätte Don ja gleich „Porneaux Filmkritiker“ nehmen können), zweitens war ich zu meiner Akt-Zeit bereits in festem Lohn und Brot, 20 Jahre alt, und der Job war hauptsächlich Teil meiner (langfristig erfolglosen) Kampagne „ich freunde mich mit meinem dicken Körper an“.

Erinnernswerter ist da schon der Sommer, in dem die Redaktion, in der ich sonst die Semesterferien über Urlaubsvertretung machte, mich nicht brauchen konnte. Ich war gottsfroh, bei Audi zu landen. Mein Job als „Werkstudentin“ (keine Ahnung, warum die Ferienjobber dort bis heute so heißen) war in der Lackiererei, Qualitätssicherung.

Der Arbeitsplatz lag so richtig mitten in einer der riesigen Produktionshallen. Er erinnerte ein wenig an eine Pferdebox: Ein schulterhohes Metallgestell umgab eine gut autogroße Fläche, die an einer Seite offen war. An dem Gestell waren Scheinwerfer befestigt, über die offene Seite wurden frisch lackierte Karossen eingeschoben. Der väterliche Meister (es war die Audi-Ära der grünen Meisterkittel), der sein Kabuff gleich nebenan hatte, gab mir einen weißen und einen schwarzen dicken Wachsmalstift, ein Klemmbrett mit Formularen und ein Prüfgerät in der Größe eines Kassettenrekorders.

Sechs Wochen lang war es meine Aufgabe, Karossen in das Gatter zu schieben und die Lackierung zu überprüfen. Einschlüsse und Unregelmäßigkeiten umkringelte ich mit dem Wachsstift (weiß für dunkle Lacke, schwarz für helle). Das Gerät war dazu da, die Dicke der Lackschichten zu messen. Alle Ergebnisse und Funde trug ich in ein Formular ein, das ich an der Karosse befestigte, bevor ich sie zurück auf die Fertigungslinie schob. In der Nebenbox arbeitete ein festangestellter alter, dürrer Mann in blauem Kittel. Vielleicht war er gar nicht so alt, aber sein fehlender Arm sah nach Kriegsverletzung aus, Jahrzehnte langer Alkohol-Abusus hatte seinen Teint korrodiert.

Der große Haken: Über den Tag verteilt sollte ich sechs Karossen überprüfen. Pro Karosse brauchte ich selbst bei peinlichst genauer Untersuchung höchstens 25 Minuten. Damit musste ich aber täglich siebeneinhalb Stunden füllen – netto, denn Pausen wurden addiert. Ich war schlicht unterbeschäftigt bis weit über die Schmerzgrenze.

Also nahm ich schon bald ein Buch mit in die Arbeit und stellte mich lesend an das Metallgestell. Keine gute Idee: Der Meister wies mich darauf hin, dass ein vorbeilaufender Abteilungsleiter aus meinem Lesen schließen könnte, dass nicht genug Arbeit für zwei Qualitätsprüfer da sei (richtig!) und eine Stelle streichen könnte (das wollte ich natürlich nicht).

Somit verwandte ich sechs Wochen lang all meine Energie darauf beschäftigt zu erscheinen. Ich hatte nie einen anstrengenderen Job. Zehn-Minuten-weise verkroch ich mich in einen der Brotzeiträume bei den Werkstätten im Keller zum Lesen. Dann musste ich mich mal wieder blicken lassen. Ich setzte einiges an Ehrgeiz daran, die Karossen immer noch gründlicher zu kontrollieren. Aber irgendwann gab es Reklamationen, weil alle Karossen, die ich geprüft hatte, fast flächendeckend von Wachsmal-Kringeln überzogen waren. In meiner Not hatte ich sogar besonders glatte Flächen angekringelt: Derart überglatt, das konnte doch nicht normal sein? Das musste doch auf einen Fehler in der Programmierung der Spritzroboter hindeuten? Ich begann mich zum Zeitvertreib intensiv mit Lackiertechniken im Markenvergleich und aus historischer Perspektive zu befassen. Doch als Quelle hatte ich nur Kollegen, die entweder tatsächlich etwas zu tun hatten oder mir bei aller Freundlichkeit bedeuteten, dass ich sie nervte.

Ich sehnte mich inbrünstig nach den Lokalredaktionen meiner Zeitungsjobs, nach den Scharmützeln mit Freien Mitarbeitern („So ungekürzt veröffentlichen, da ich eigens zu dem Termin gefahren bin!!!“), nach der Gänsehaut über Vereinsfotos, nach der Behäbigkeit eines Monopolblattes. Ich spürte, wie mein Hirn über die Wochen hinweg in Stand-by-Modus fiel, überfordert von Leere.

Und deswegen werde ich nienienie mehr bei Audi arbeiten.

Einen echten Nutzen hatte der Job dann doch: Ich durfte die speziellen Wachsstifte mit nach Hause nehmen. Und nutzte sie, um eines Nachts einem Freund auf die Motorhaube seines roten Citroën 2CV einen Brief zu schreiben.

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Nachtrag:
Da sie selbst sicher versuchen wird es zu verschweigen:
Übertroffen wird Don Dahlmann allerdings in Jobs von Lyssa, die sich bei einer Weihnachtsbaumbörse als Moderatorin verdingte.
Zu lesen in mehreren Teilen:
(1) (2) (3) (4)
Schrieb hier nicht kürzlich irgendwer in den Kommentaren, dass das Internet nichts vergisst…?

Weil grad Zeit ist…

Dienstag, 3. Februar 2004

GREENEYED_SISTER (33k image)

… mal wieder ein antikes Perry-Mason-Cover.

Selbst schuld

Montag, 2. Februar 2004

Zack! Mit dem Suchbegriff “vater hat mich erwischt mit feinstrumpfhose” haben die Suchmaschinen mich erwischt.

Bis vor zwei Wochen sahen die Bots über mich hinweg: Beruflich muss ich wissen, wie eine Website sich möglichst gut in Suchergebnissen platziert. Somit weiß ich auch, wie man sich wegduckt: Suchmaschinen mögen es gar nicht, wenn in einer Website nicht drin ist, was drauf steht. Auf meiner stand “Vorspeisenplatte” drauf, das war aber nicht drin. Also ignorierten sie mich.
Doch da ich Huhn es immer noch todeskomisch finde, dass mein Blog “Vorspeisenplatte” heißt, und da ich befürchtete, meine Leser könnten diesen genialen Geistesblitz nicht mitbekommen, schrieb ich vor zwei Wochen über alle Seiten den Titel “Vorspeisenplatte”. Die Bots (die ich mir übrigens wie diese bösen Maschinenkraken in Matrix vorstelle) haben mich erfasst.