Archiv für September 2005

Mehr Material zu den Folgen von Katrina

Dienstag, 6. September 2005

Ich verstehe nicht, warum die deutschen Medien die Weltnachrichtenlage so völlig anders gewichten als ich – bisher konnte ich das immer nachvollziehen. In der heutigen Süddeutschen Zeitung sind die Folgen des Hurrkans Katrina zwar noch auf der Titelseite, aber nur noch ein kleiner Zweispalter ganz unten. Aufmacher ist die Freigabe von 80 Millionen Textilien aus China.

Na gut, hier also für die scheinbare Minderheit, die die Katastrophe im Süden der USA interessiert, ein paar Links:

Herr Rau hat gefunden:
Main St. USA:Vor Ort gebloggt, über den Schaden, den Politikerauftritte angerichtet haben (siehe auch die neueren Einträge)
– Zum Vergleich die Reaktion auf das Erdbeben in St. Francisco 1906

Heute im Independent:
– „The city where the dead are left lying on the streets“ (über eine Frau namens Vera)
– “Texas struggles to cope as refugee influx hits 240,000” (über das weitere Schicksal der Flüchtlinge)

Heute in der New York Times:
Bush makes Return Visit; Two Levees Secured” (ein wenig durcheinander: Stand der Deichreparatur, kernige Bush-Ansprachen vor Ort und die Reaktion der Betroffenen auf seinen Besuch)

Nachtrag:
bei BBC: “Amidst the horror, American broadcast journalism just might have grown its spine back, thanks to Katrina.” (via wirres)

Nachtrag 2:
auch BBC: “One lesson (help) agencies might want to learn is that someone senior should do nothing but monitor TV.” im Artikel “Multiple failures caused relief crisis

Mein Wochenende vorm Fernseher

Montag, 5. September 2005

“We wanted soldiers, helicopters, food and water,” said Denise Bottcher, press secretary for Gov. Kathleen Babineaux Blanco of Louisiana. “They wanted to negotiate an organizational chart.”

The New York Times

Das ganze Wochenende lief bei mir CNN, und ich verfolgte mit, wie sich eine Weltmacht deklassierte. Zu den eher verhaltenen Vorwürfen gehörte, die betroffenen Bundesstaaten hätten besser vor einer solchen Naturkatastrophe geschützt werden müssen – es schien auch den Kritikern klar, dass es völligen Schutz nie geben kann. (Zudem habe ich den Verdacht, dass sich zu jedem Vorfall irgend ein Experte finden lässt, der das schon immer prophezeit hat.)

Es war der Umgang mit den Folgen der Katastrophe, der selbst die sonst so schablonenhaft berichtenden CNN-Korrespondenten sichtlich empörte: „Das sieht hier aus wie in einem afrikanischen Flüchtlingslager“, kommentierte einer sinngemäß, „nur dass die Hilfstruppen fehlen.“ Ein anderer berichtete über ein kleines, öffentliches Krankenhaus, in dem Ärzte und Pflegekräfte ohne Strom und sauberes Wasser bei Kerzenlicht Notfälle versorgten und beherbergten. Der CNN-Mann hakte einer Nebenbemerkung des interviewten Arztes nach: „Wie bitte? Nebenan steht eine private Klinik, aus der Patienten und Personal bereits gestern systematisch evakuiert wurden?“ Der Arzt war zu erschöpft für Empörung.

Ja, die Bewohner der jetzt überfluteten Gebiete seien gewarnt worden und aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen. Nur dass damit die Vorkehrungen beendet waren: New Orleans ist eine erbärmlich arme Stadt, und Tausende hatten keine Fahrzeuge für die Flucht.

Oder der Anblick des einzelnen Baggerchens, das fünf Tage nach dem Deichbruch das Loch flicken sollte. Dahinter ein erster Ponton, auf dem zwei Arbeiter weiteres Gerät bringen sollten. Erst gestern sah die Baustelle so emsig und belebt aus, wie man es bald nach dem Bruch erwartet hätte.

Oder die verstreuten lokalen Einsatztruppen, die beteuerten, dass sie umgehend einsatzbereit gewesen wären – wenn jemand sie angefordert hätte.

Oder die örtlichen Blogs (bei Mathias Heil eine gute Zusammenstellung), die versuchten, Bürgerhilfe zu koordinieren – was ohne Informationen über Verbleib und Bedürfnisse der Opfer nicht ging.

Jaja, ich weiß durchaus, dass beim Oderhochwasser vor drei Jahren die Einsatzkräfte teilweise so haufenweise und unkoordiniert aus den verschiedenen Landkreisen zusammenkamen, dass sie die Straßen für Notfallfahrzeuge blockierten (manche Landräte würden sich tendenziell lieber den kleinen Finger abschneiden als mit dem Kollegen von der anderen Partei zu telefonieren und sich abzustimmen). Aber solch eine Ignoranz und Lässigkeit von oben hätte es nicht gegeben.

Mein persönlicher Verdacht (jetzt werde ich ja doch noch politisch): Die Katastrophenopfer waren zunächst nicht besonders interessant, weil unter ihnen kaum Wähler sind. Ich kenne zwar die konkreten Bürgerrechte in Louisiana nicht, doch auch dort muss man sich für Wahlen anmelden – was die armen und ungebildeten Schichten kaum tun. Und bei Straffälligkeit ist dieses Bürgerrecht ohnehin schnell mal wieder weg.

Mozartknödel a la kelefs Schwägerin

Sonntag, 4. September 2005

Die abgefahrenste österreichische Mehlspeise, von der ich je gehört habe. Roh schauen sie noch aus wie normale Knödel:

Aber auf dem Teller geben sie ihr sündiges Geheimnis preis: Mozartkugeln.

(Fotos von Mitbewohner)

Das Rezept ihrer Schwägerin hat Frau kelef hier veröffentlicht.

Denn du bist schön!

Sonntag, 4. September 2005

Gesichtsmasken sind der große Gleichmacher: Ein gefeiertes Fotomodell sieht damit genauso dämlich aus wie Buchhalter Mayer oder du oder ich. Lila hatte die geniale Idee, die Belege dafür bei flickr zu sammeln. Join us in the flickr group “Facial Masks”!

Familienalbum – 9: Grillen

Samstag, 3. September 2005

Auch wenn diese Feststellung großmütterlich wirkt: Vor 40 Jahren besaß der deutsche Durchschnittsbürger erheblich weniger als heute. Ein richtiger Grill bedeutete zum Beispiel eine größere Investition. Ein beliebter Ersatz waren große Blumentöpfe, in denen die Holzkohle brannte, darüber wurden Kuchengitter oder Ähnliches gelegt. Meine Eltern (links, einige Zeit bevor ich auf der Bildfläche auftauchte) hatten damals, 1966, am Baggersee ganz offensichtlich trotzdem Spaß.

Auf meinem Weg in die Arbeit (26): Fremdschämen

Freitag, 2. September 2005

Das ist dann halt meine englische Seite: die tiefe Abneigung gegen jede Art von making a fuss. Zwar ist meine gegenspielende deutsche Seite stark genug, mich bei höchster Ungehaltenheit zu wortlosem Schnauben und scharfem Tonfall zu bringen, doch insgesamt setze ich viel daran, fuss zu vermeiden, auch bei Mitmenschen.

Die Kehrseite: Es ist mir über Gebühr unangenehm und peinlich, wenn sich jemand anderer in meiner Gegenwart zu making a fuss hinreißen lässt. Wie zum Beispiel heute Morgen im Zug.

Ich saß im ICE an einem Vierertisch, mir schräg gegenüber schlief ein sehr dunkelhäutiger, jüngerer Herr, die dunkelblau besockten Füße auf dem Sitz ihm gegenüber, eine blaue Baseballmütze tief über die Augen gezogen, die Arme verschränkt. Zur Fahrkartenkontrolle weckte ihn die Schaffnerin und wartete, bis er zahreiche Beutel und Hosentaschen nach seiner Fahrkarte durchwühlt hatte. Sie knipste die Karte ab und bat darum, auch die Bahncard zu sehen. Nach einem Blick darauf bat sie zusätzlich um den Personalausweis des Herrn.
Und da ging der fuss los. „Wieso? Was willst du?“, blaffte der Herr mit starkem Akzent. Die Schaffnerin erklärte, dass er laut Bahncard 85 Jahre alt sein müsste, auf der Karte zudem das Foto fehle, und sie deshalb die Bahncard mit einem anderen Ausweis abgleichen wolle. Führerschein sei auch in Ordnung. (Spätestens an diesem Punkt wäre ich sehr gern sehr weit weg gewesen.) Unter halblautem Blaffen zog der Herr seinen Führerschein heraus und warf ihn auf den Tisch. Die Schaffnerin verglich und sagte: „Da steht ein anderer Vorname.“ Dann ging sie weg, der Herr steckte seine Karten ein.

Einen kurzen Moment lang hoffte ich, die Schaffnerin hätte einfach auch keine Lust auf fuss und würde die Sache übergehen. Vergebens, denn sie kam umgehend wieder, begleitet von der Zugchefin. Diese bat ebenfalls um die Bahncard und den Ausweis. Unter lautem Protest in gebrochenem Deutsch (hauptsächlich „Was willst du?“ und „Ich habe!“) schleuderte der Herr sie auf den Tisch. Auch die Zugchefin machte klar, dass viel zu hohes Alter und Unterschiede im Namen belegten, dass die Bahncard nicht seine sei. Mir war das Ganze furchtbar unangenehm, ich begann schon mal, meine Zeitung einzupacken. Die Zugchefin wies ihre Kollegin an, sich von dem Herrn die Bahncard-Ermäßigung nachzahlen zu lassen und die Bahncard zur Prüfung einzuschicken. Jetzt wurde es richtig laut, der Herr fuchtelte und protestierte in deutschen Brocken – viel mehr making a fuss geht eigentlich nicht. Aber mehr musste ich mir auch nicht antun: Der Zug rollte schon auf meinen Zielbahnhof zu, ich nahm meine Tasche und verließ den Wagen. Die Verkrampfung meiner Nackenmuskulatur löste sich erst Stunden später.

Angestrengter Wahlkampf 2

Freitag, 2. September 2005

Das kabelgebundene Wahlplakat von vorne.
(Und weil mich manchmal dann doch die journalistische Sorgfalt übermannt: Die Aufnahme oben stammt von heute, aber das Bild unten habe ich bereits vor zwei Wochen aufgenommen. Dazwischen zerschnitt jemand die Kabelbinder, das Plakat lag einige Tage auf der nassen Wiese. Fürs Wiederaufrichten wurde das Plakat klassisch mit Draht am Baum befestigt.)