Archiv für August 2007

Der bessere Pfirsich

Montag, 13. August 2007

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Er hat’s also auch nach München geschafft, dieser Pfirsich, bei dessen Entdeckung letztes Jahr in Brighton ich bereits über den deutschen Namen rätselte.

An Bezeichnung habe ich mittlerweile gefunden:
Flachpfirsich
Planetenpfirsich
Plattpfirsich
Przewalski-Pfirsich
Saturnpfirsich
Tellerpfirsich
Weinbergpfirsich
Weißer Pfirsich
(auf Spanisch immer noch Paraguaya)

Zu kaufen gibt es ihn derzeit an Obstständen, in Obstläden, in jeder besseren Obstabteilung Münchens, überall für teuer Geld (5,99 bis 7,99 Euro das Kilo). Da dieses gehäufte Auftauchen eine Vermassung dieses bislang ungewöhnlich köstlichen Obstes ankündigt, empfehle ich: Kaufen und futtern Sie diese Pfirsiche dieses Jahr, so viel Sie können. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie nächstes Jahr den traurigen Weg der anderen Pfirsichsorten gehen, also überwiegend unreif, mehlig, geschmacksneutral zu uns gelangen.

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Postmigränale Nächte

Montag, 13. August 2007

Die Tür des Eigenheims steht offen, also gehe ich hinein und direkt in die große Küche, Einbauküche mit Eichenfront. Die neu entdeckte Foodbloggerin steht an der Küchentheke und schnippelt, sie sieht sehr hausfrauundmütterlich aus. Als ich ihr erkläre, dass ich sie im Internet entdeckt habe, lässt sie mich beim Kochen zuschauen, antwortet aber nicht. Ich sehe mich in ihrer Küche ein wenig um, sehe wenig Interessantes. (aufgew.)

§

Die alte Japanerin in zu großem, kurzen weißen Träger-Häkelkleid, weißen Strumphosen, das Gesicht mit bröckelndem Clownweiß geschminkt, am Hals eine riesige lila Satinschleife. Sie starrt mich unverwandt an. (aufgew.)

Scones

Sonntag, 12. August 2007

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Gestern habe ich spontan mal wieder Scones gebacken. Ist ein ideales spontanes Gebäck, hier steht das Rezept.

Ausgesprochen habe ich es in England als “Skons” gelernt. “Skouns” geht aber auch, soweit ich weiß.

Mode marginal: Das beste Männerstyling aller Zeiten

Samstag, 11. August 2007

Jedes Jahr gibt es neue Listen mit den angeblich bestgekleideten Männern und Frauen – die wenigsten davon kann ich nachvollziehen. Dass es tatsächlich überzeitlich exzellenten Stil gibt, beweist Herr Sartorialist mit der aktuellen Auseinandersetzung “Astaire vs Grant”.

Zunächst das Plädoyer für Cary Grant:

When Cary Grant walked into a room it was taken for granted that “men wanted to be him and women wanted to be with him” because he was handsome and impeccably dressed.
To be sure, this was a large part of his appeal; he looked so crisp you could practically smell his after shave lotion, but it was the way he moved that was really the key to Cary Grant’s style.

Und hier das Votum für Fred Astaires Style:

Simply put, Astaire had the talent to construct a new model for men based on the democratic ideal of the classless aristocrat. He was a hero whose weapon was style, and that style was a distinctive casualness.

Alles in allem bewundere ich Herrn Astaire mehr für seinen Stil: Es steckte viel mehr Kreativität und Anstrengung dahinter als bei einem von Natur aus hinreißenden Cary Grant, dessen Styling nur dieser natürlichen Gabe nicht ins Handwerk pfuschen musste.
(Was jemanden wie Cary Grant oder andere schöne Schauspieler übrigens erst so richtig attraktiv werden lässt: Wenn sie sich auch mal optisch zum Affen zu machen. Wie Cary Grant in Arsenic and Old Lace – oder George Clooney in O Brother, Where Art Thou und Intolerable Cruelty.)

Von wegen Kommunikationsexpertin

Samstag, 11. August 2007

Oder: Warum ich mit der alten Hausmeisterin nie heiteres Treppenhausgeplauder fertig bringen werde.

Nein, ich finde nicht, dass man keine Kinder in der Welt setzen möchte, wenn man sich die Welt heutzutage so anschaut.

Nein, ich finde nicht, dass es die jungen Leute heutzutage es viel schwerer haben als die Generation nach dem Krieg.

Nein, wir leben heute nicht in einer viel gefährlicheren Welt als früher.

Nein, ich fühle mich nicht von den herumlungernden Alkoholikern am Sendlinger Tor bedroht – auch wenn sie mir keineswegs angenehme Nachbarn sind.

Ja, die Menschen in diesem Wohnhaus haben heute sicher ein anderes Verhältnis zueinander als früher. Nur: Ich bedaure das nicht.

Nein, nach meiner Beobachtung werden die vielen tausend deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkriegs keineswegs verschwiegen.

Nein, ich finde nicht, dass ein deutscher Wehrmachtsoldat für seine Kriegsgefangenschaft in Russland die gleichen Entschädigungszahlungen wie nach Deutschland verschleppte Zwangsarbeiter erhalten sollte.

Nein, ich finde nicht, dass den jungen Leuten heutzutage ein wenig Armeedrill gut tun würde.

Nein, meines Erachtens haben es Häftlinge in deutschen Gefängnissen keineswegs zu gut.

Nein, ich bin überzeugt, dass es überhaupt nichts bringen würde, Gewaltverbrecher bei Wasser und Brot Zwangsarbeit verrichten zu lassen.

Nein, meiner Meinung nach ist die Münchener Innenstadt keineswegs so gefährlich geworden, dass man sich nachts nicht mehr vor die Türe traut.

Ihnen auch noch ein schönes Wochenende, Frau Hausmeisterin.

§

Die Versuchung liegt nahe, es als typisch deutsche Art der Verbindungsaufnahme zwischen einander eher Fremden anzusehen, dass gemeinsam geklagt, gejammert, beschuldigt wird. Aber es ist zumindest europäisch: Genau diesen seufzenden Gesprächsauftakt kenne ich auch aus Spanien, Italien und unter Türken. (Nicht allerdings aus England und Dänemark.)

Zeta-Jones gegen Gedeck

Donnerstag, 9. August 2007

So so, Sie haben also Bella Martha, einen meiner überzeitlichen Lieblingsfilme, auf Amerikanisch nachgefilmt. Und Catherine Zeta-Jones versucht mit Trotzmündchen einer Martina Gedeck das Wasser / das Bratfett zu reichen.

Für das Gesamtergebnis No Reservations müssen wir hier in Deutschland noch bis 13. September warten, aber in dieser Geschichte über Restaurantküchen in Filmen (via deliciousdays) gibt es einen ersten Reinschmecker (es ist der achte Clip).

Der kleine Waschsalon in der Altstadt

Donnerstag, 9. August 2007

Wäscheautark wurde ich spät: Als der Mitbewohner vor elf Jahren zum Mitbewohner wurde, brachte er eine Waschmaschine und einen Wäschetrockner in unser gemeinsames Leben ein. Davor nutzte ich Heimatbesuche und somit Mutters Maschine, später bereits wäscheautarke Freundinnen – und einen Waschsalon mit Mangelstube in der Altstadt meines Studienortes.

Der Waschsalon hatte nichts mit dem Bild zu tun, das man aus Großstädten, Filmen, Fernsehen kennt: Er bestand aus einem langen, neonbeleuchteten Gang, der tief in ein schmales Haus aus dem späten Mittelalter hinein reichte. An der linken Wand aufgereiht acht weiße eingemauerte Waschmaschinen, dann zwei öltonnenförmige Wäscheschleudern, dahinter zwei riesige Wäschetrockner. An der rechten Wand Holzbänke, Garderobenhaken, ein Tisch zum Zusammenlegen der Wäsche. In einem Hinterzimmer die Heißmangel. „Salon“ war sowas von die falsche Bezeichnung dafür.

Die Besitzerin und Führerin des Geschäftes war die gute, liebe Frau Karkosch: klein, steinalt, drahtig und nur wenig gebeugt, immer in Kittelschürze, die wenigen dunkelgrauen Haare im Nacken zum Knoten gebunden, ununterbrochen in Bewegung. Jeden begrüßte sie beim Betreten des Waschladens mit ihrer bis fast zur Unhörbarkeit heiseren Altfrauenstimme mit einem herzhaften „Grüß Gooooott!“. Sie liebte ihre Arbeit, das war in jedem Handgriff sichtbar, liebte es, sauber und effizient zu arbeiten, liebte den Kontakt mit den Menschen jeden Alters. Gleichzeitig war sie feinfühlig genug, niemandem ein Gespräch aufzunötigen, dazu hätte sie auch gar keine Zeit gehabt; sie sprach ihre Kunden und Kundinnen nur auf Anfrage oder auf ein Signal mit ihrem dicken schlesischen Akzent an, blinzelte freundlich von ein bisschen schräg unten durch ihre Brillengläser hoch. Doch dann warf sie sich mit Leidenschaft in jedwedes Thema – vielleicht klang sie aber auch deswegen immer leidenschaftlich, weil sie sich über ihre Heiserkeit hinweg nur verständlich machen konnte, wenn sie heftig in die Stimmbänder atmete. Sie liebte es, Geschichten und Neuigkeiten zu hören, liebte es zu staunen, und besonders heftiges Staunen unterstrich sie mit einem Altfrauenkrallgriff an den Arm des Gesprächspartners.

Die liebe Frau Karkosch trug wegen ihrer dauerkalten Füße immer kurze Winterstiefelchen, mit Fell gefüttert. Richtig warm war ihr nie, auch im heißesten Hochsommer nicht und obwohl die Trockner zusätzlich Hitze abstrahlten. Mehrmals am Tag schaute ihr dicklicher Sohn vorbei, im blauen Hausmeisterkittel, selbst schon um die 60. Wenn es etwas zu reparieren gab, reparierte er es, wenn es etwas zu besorgen gab, ging er Einkaufen. Ich bin nicht draufgekommen, wie alt Frau Karkosch Anfang der 90er selbst war. Irgendwann erwähnte sie, sie habe in den 20er Jahren als eine der ersten Frauen den Führerschein gemacht – dann hätte sie ja schon um die 90 sein müssen!

Bei Frau Karkosch konnte man nicht nur selbst Wäsche waschen, schleudern, trocknen. Man konnte auch die schmutzige Wäsche da lassen und am nächsten Tag sauber abholen. Dieses Angebot nahm ich zwar nie in Anspruch (ich ging lieber Einkaufen oder las, während meine Maschine lief), aber so konnte ich Frau Karkosch bei der professionellen Wäschebehandlung beobachten und so einiges über fachgerechtes Zusammenlegen lernen. Ebenfalls übernommen habe ich von ihr, vor dem Entnehmen der sauberen Wäsche aus der Trommel erst mal den Gummirand mit einem Lappen sauber zu wischen – so geraten keine Waschmittelreste an die Kleidungsstücke.

Sie liebte vor allem das Gespräch mit jungen Leuten, die gute Frau Karkosch, bei älteren war sie eher kurz angebunden. Sie war neugierig auf deren andere Sichtweise, schaute sich gerne ihre Kleidung an, von krachbunten Resten der 80er über gesamtschwarzen Waver-Look bis zu Selbstgestricktem, dessen Herstellung sie sich genau erklären ließ. Selbst berichtete sie nur über ihren Alltag in der Gegenwart, leider erzählte sie kaum aus ihrem langen Leben.

Frau Karkosch kümmerte sich um die jungen Leute, die zu ihr zum Waschen kamen, zurückhaltend und doch auf vielerlei Weise. Es gab keine Möglichkeit für Aushänge ihn ihrem Laden (kleine Flyer mit Konzertankündigungen befestigte sie aber gerne im Fenster zur Straße), so vermittelte sie zum Beispiel Wohnungen mündlich. Wer ihr erzählte, dass er gerade auf Zimmersuche sei, konnte damit rechnen, von jemand anderem zu hören, der gerade eines zu vergeben hätte. Und ihr Alter war auch deshalb so schwer einzuschätzen, weil sie sich so gar nicht als schonenswert sah – im Gegenteil: Immer wieder nahm sie mir den schweren Korb mit nasser Wäsche aus den Händen. Frau Karkoschs heiser hervorgestoßene Begründung: „Sie sind noch jung, Sie müssen noch auf sich aufpassen. Bei mir is eh schon egal.“

Das letzte Mal habe ich wohl vor zwölf Jahren bei Frau Karkosch gewaschen, deren Namen ich hier nach dem Gehör aufschreibe. Es ist unwahrscheinlich, dass sie den Laden noch führt, dass er überhaupt noch existiert. Ich muss den Mitbewohner bitten, dass er mich daran erinnert, beim nächsten Besuch der Studienstadt an dem Haus vorbeizuschauen.

Nachtrag: Ein Kommentar korrigiert die Herkunft der Dame auf Sudetenland.