Archiv für März 2008

A bissl was zum Lesen

Montag, 10. März 2008

Die US-amerikanische Bussi-Gesellschaft wandelt sich: Aus Bussi-Bussi zum Gruß wird wohl immer häufiger ein Schmatz auf den Mund. Die Benimmtante Helena des empfehlenswerten Food-Portals CHOW erörtert die Angemessenheit in
The Awkward Lip-Kiss Greeting“.

(Allein schon wegen der Beobachtung des „bend-at-the-waist hug“. Kenne ich, finde ich furchtbar. Ein weitere Vorteil des Älterwerdens: Händeschütteln ist als Begrüßung auch privat und unter Altergenossen immer akzeptabler.)

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Georg Ringsgwandl (der heißt wirklich so), kluger Kopf im Clownskostüm, macht sich in der SZ-Wochenendbeilage Gedanken über die Anstrengungen der Politik am Beispiel des mal wieder gewählten Münchner Oberbürgermeisters Christian Ude: „Der, wo wirkt.

Herr Ringsgwandl weiß, wovon er schreibt, er hat das mit der Lokalpolitik nämlich selbst probiert:

Und kaum ist die Kandidatenvorstellung vorbei, erhebt sich ein alkoholisierter Frührentner und lallt in den Wirtshaussaal, die Gemeinde müsse am Strand unten einen Biergarten einrichten, damit man beim Bier den Sonnenuntergang betrachten kann.
Schon da riss mir der Geduldsfaden. Für Alkoholiker, sagte ich, ohne mich auch nur um einen Hauch von Diplomatie zu bemühen, geht die Sonne immer unter, dazu braucht es keinen Biergarten.
Nun haben Säufer aber, auch wenn ihr Hirn betäubt ist, ein feines Gespür dafür, wer ein Herz für ihre Belange hat und wer nicht. Gerade die Süchtigen haben ein Recht darauf, in den demokratischen Gremien vertreten zu sein. So bestrafte man meinen arroganten Spruch, ich wurde nicht gewählt.
(…)
Zur Wahl stand auch jetzt wieder nicht der beste aller Politiker, sondern der bestmögliche, halt der beste, der sich freiwillig meldete. Es ist so ähnlich wie Fernsehen: Man hat ein paar Kanäle zur Auswahl und sucht sich den aus, wo der Schmerz am geringsten ist.
(…)
So weit wird es der Schmid von der CSU nie schaffen, schon allein deswegen, weil die Leute nie wissen, wen sie vor sich haben. Reden sie mit dem richtigen Schmid, oder ist es der Schmied Josef? Der Schmidt Sepp oder der Beppi Schmitt, oder am Ende gar eine Mischung aus allen vieren?
Auch sein Gesicht kann sich keiner merken. Es heißt, er habe sich schon selbst verwechselt und nach einer harten Nacht sein Gesicht im Spiegel als den Schmidt aus der Bettenabteilung vom Karstadt an der Münchner Freiheit begrüßt.
Den kann ich mir ums Verrecken nicht merken, sagen die Leute. Ausschauen tut er wie aus dem Sport Scheck Katalog, Model Nr. 37965 aus der Abteilung Beste Jahre/männlich der “Bundesagentur für Angenehme Typen”; ein Sky Dumont der Trachtenmodels.
(…)
Der Text ist eine Spitzenleistung modernen Marketings. Die Studenten der FHS für Multimedia und andere verdeckte Formen des Erwachsenenmissbrauchs hatten einen Satz zu bilden, in dem folgende Worte vorkommen sollten: ressourcen, schonen, nachhaltig, wärme, umwelt, verträglich, CO2, neutral, energie, sparen, Kraft-Wärme-Kopplung, klima, freundlich, erneuerbar.
Formuliere den Satz so, dass ihn keiner versteht, aber ein gutes Gefühl aufkommt! Tippe den Text in deinen PC und importiere ein Bild mit verantwortungsvoll blickenden Politikern vor einem Windpark (du kannst sie auch in den Windpark hineinkopieren, man soll es nur nicht sehen)! Jetzt verfügst du über eine Text-Bild Datei, mithilfe derer du Ökofondsanteile und/oder modische Politik verkaufen kannst! Gratuliere. Prüfung bestanden. Wenn du zum Arbeitsamt gehst, darfst du als Berufsbezeichnung Bachelor in Umweltmarketing angeben.

(Die Sorte Aufsatz, die ich eigentlich gesamt zitieren möchte; lesen’S halt selber.)

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Und dann noch die Geschichte von Frau creezys Omas, darunter ein waschechtes berliner Revuegirl! MIT Fotos!

Das ist es nämlich auch und nicht zuletzt, das Blogistan: Chronik.

Menschen, Tiere, Sensationen

Montag, 10. März 2008

Ich habe ein Eichhörnchen am Schwanz gezupft.
An einer Tram-Haltestelle nahe dem Englischen Garten hängt im Gebüsch ein kleines Vogelhäuschen. Sonst sehe ich darin und daran hauptsächlich Tauben, manchmal auch Meisen. Gestern aber, nach meinem Isarlauf, ragte ein dunkelbrauner Eichkätzchenschwanz aus dem Häuschen. Ich beugte mich hinunter und schreckte das knurpselnde Tier dadurch auf; es sprang ein paar Äste ins Gebüsch hinein, gluckste und knackte warnend. Ganz offensichtlich war es aber erheblich weniger scheu als die drei Eichhörnchen (rot, schwarz, grau), die ich regelmäßig auf den beiden Kastanien vor meinem Wohnzimmerfenster zu Besuch habe – die wären nämlich sofort über alle Berge geflohen.

So kehrte es auch schnell zurück ins Vogelhäuschen und knurpselte weiter, das Hinterteil samt buschigem Schwanz zu mir gekehrt. Ich sah ihm eine Weile zu, dehnte dabei sorgfältig meine Waden, Oberschenkel, Hüftbeuger. Als ich fertig war, beugte ich mich wieder langsam hinunter zu dem Eichkätzchen – und zupfte es am Schwanz. Es machte einen Satz aus dem Häuschen und schimpfte mich heftig an, mit noch mehr Glucksen und Schlagen seines Schwanzes. Hihihi.

8. März ist UNO-Weltfrauentag

Samstag, 8. März 2008

Hätte ich glatt vergessen, wenn Tanja mich nicht erinnert hätte. Ich empfehle zu diesem Anlass den von Tanja empfohlenen Artikel in der WOZ. Es braucht weiter Menschen, die sich nicht blöd vorkommen, zum hundertsten Mal darauf hinzuweisen:

Warum nehmen an den meisten Podiumsdiskussionen vier bis sieben Männer und eine oder keine Frau teil, und alle finden das normal? Warum ist es so schwierig, Frauen zu finden, die bei Gemeinderatswahlen auf den vorderen Listenplätzen kandidieren? Warum sind von den mehreren Tausend Bands, die in der Schweiz Musik machen, bestimmt über neunzig Prozent reine Jungen- und Männergruppen? Warum gibt es so viele Frauen, die sich für Journalismus interessieren, und so wenige, die Leitartikel schreiben? Dass Frauen für die gleiche Arbeit immer noch viel weniger verdienen als Männer, verwundert unter solchen Umständen nicht mehr.

Auch wenn solche Hinweise seit vielen Jahren in erster Linie Augenrollen ernten. Ich bleibe dabei: Die zitierten Umstände sind ungerecht. Und sie haben nichts mit biologischen Unterschieden zwischen den Geschlechtern zu tun, sondern mit der Inpretation angenommener Unterschiede.

Was Kleidung tut

Freitag, 7. März 2008

Sorgfältig gewählte Kleidung ist mir ein Bedürfnis. Das Grundkonzept habe ich von meiner Mutter, die damit immer ihren Hang zum Einrichten und Dekorieren begründet: „Es ist mir ein Bedürfnis.“ So esse sie, das ist ihr Lieblingsbeispiel, lieber Currywurst von Rosenthal-Porzellan als Kaviar vom Pappteller.
Und eine kluge Frau hat mal gesagt: „Wie kann man denn schöne Gedanken haben, wenn man von hässlichen Dingen umgeben ist?“

Mir geht es so mit Kleidung. Im Moment bin ich sehr angespannt – doch es muntert mich auf, wenn mir morgens etwas Lustiges anzuziehen einfällt. Zumal ich weiß, dass ich damit auch meine Umgebung erfreue. So trage ich heute einen schwarz-weiß karierten, kurzen Rock, dazu ein schwarzes Jackett, dicke, schwarze Klosterfrauen-Strumpfhosen und – das ist das Lustige – knallrote Flamenco-Pumps (auch „Mary Janes“ genannt). Ja, das ist zieht Blicke auf sich. Doch es freut mich einfach, wenn sich die Mienen von Passanten und Kollegen aufhellen, weil ihr Blick auf meine lustigen roten Schuhe fallen.

Die sicherste Wette allerdings ist diese Mütze. Wenn ich damit durch München gehe, schauen mich nur freundliche bis laut lachende Gesichter an. In der Kälte des Novembers und des Dezembers hatte ich mich schon so an diese positiven Reaktionen gewöhnt, dass ich mich mit einer normalen Mütze von aller Welt abgelehnt fühlte.

Umgekehrt freut mich der Anblick anderer Leut’ sorgfältig gewählter Kleidung. Deshalb hoffe ich ja auf den Mut, ihnen das auch zu sagen. Nicht dass ich Menschen gering schätze, denen Kleidung egal ist (echt ehrlich), aber ein besonderes Einzelteil oder eine bestimmte Kombination kann Assoziationen wecken und mich inspirieren. Gestern die hellgraue Strickjacke in Tulpenform an der schmalen Personalerkollegin war einfach eine Freude an einem sonst eher unerfreulichen Tag.

Bits and bobs

Donnerstag, 6. März 2008

Man glaubt also, meine Wohnstatt liege in einem „Glasscherbenviertel“. Zumindest äußerte sich am Sonntag eine Wahlhelferin so, die einen weiteren Wahlhelfer aus ihrer Heimatrichtung höchst erleichtert begrüßte, weil er sie abends zum Bahnhof begleiten könne und sie nicht „alloa durch des Glasscheamviertl do“ laufen müsse.

Und dann las ich, dass mein Wahlbezirk den in München mit Abstand höchsten Stimmanteil für die Grünen abgegeben hat. Ein sicherer Beweis für Glasscherbigkeit, finde ich.

Meinem Ziel, auch Wildfremden Komplimente zu machen, bin ich gestern ein wenig näher gekommen. Beim Verlassen der Muckibude sah ich eine Frau mit höchst interessanter Halswärmung in Dunkelbraun: Wirkte auf den ersten Blick wie eine gestrickte Pellerine mit Zopfmuster, war aber, wie die Dame mir auf mein „DAS sieht ja toll aus, was Sie da um den Hals haben!“erklärte, ein Schal. Passte ganz hervorragend zu der taillierten Form ihres Mantels. In gemeinsam genutzten Räumen kann ich das also schon mal. Als nächstes muss ich es noch auf der Straße schaffen.
(Fand ich in Manhatten so ungemein sympatisch, dieses „Love your coat“ im Vorbeigehen, das „Is that a garnet? It’s beautiful.“ der Verkäuferin, oder das „Where did you get this bag?!“ auf der Rolltreppe. Wir Sartialists halt.)
Fernziel: Fotos von solchen Leuten machen, genauer, mich trauen, sie anzusprechen und zu fragen, ob ich sie fotografieren darf.

Entdeckt, dass die Täter der grünen Gentechnik „innovative Präzisionszüchtung“ dazu sagen.

Ich Herz Jane Austen

Dienstag, 4. März 2008

… and before he had been at Mansfield a week she was quite ready to be fallen in love with.

(mal wieder Mansfield Park am lesen)
Heute wäre sie vermutlich die teuerste Dialogschreiberin Hollywoods.

Eine Erklärung für den Geburtenrückgang

Montag, 3. März 2008

Wenn ich Statistiken über sinkende Geburtenraten und ihre Hintergründe lese, lese ich gerne besonders gründlich und recherchiere, bis ich das Studiendesign und die ganz konkreten Fragen mitsamt Anwortmöglichkeiten finde. Dabei habe ich noch kein einziges Mal als Antwortangebot gelesen: „Weil ich Kinder nicht mag.“

Deshalb muss es als revolutionär gelten, wenn Reason Magazine titelt:

Why are People Having Fewer Kids?
Perhaps it’s because they don’t like them very much.

Glücksforscher haben nämlich herausgefunden, dass es nicht unbedingt Freude bereitet, Kinder groß zu ziehen.

“Economists have modeled the impact of many variables on people’s overall happiness and have consistently found that children have only a small impact. A small negative impact,” reports Harvard psychologist and happiness researcher Daniel Gilbert. In addition, the more children a person has the less happy they are. According to Gilbert, researchers have found that people derive more satisfaction from eating, exercising, shopping, napping, or watching television than taking care of their kids. “Indeed, looking after the kids appears to be only slightly more pleasant than doing housework,” asserts Gilbert in his bestselling, Stumbling on Happiness (2006).
(…)
And if people with fewer children are happier, then people with no children must be happiest, right? Not exactly, but the data do suggest that voluntarily childless women and men are not less happy than parents. And they sure do have more money to squander as they try to pursue what happiness they can and strive to somehow fill up their allegedly empty lives.

Ganzer Artikel

via feministing

(Was selbstverständlich keinerlei Widerspruch dazu ist, dass bitteschön jeder und jede, die Kinder haben wollen, das auch können sollen und dabei durch die Gesellschaft unterstützt werden.)