Rührender Glaube an die Vernunft

Samstag, 2. August 2008 um 10:08

Dabei sollte sich doch herumgesprochen haben, dass garantiert nebenwirkungsfrei auch garantiert wirkungsfrei bedeutet.

schreibt da Gerd Antes, Leiter des Deutschen Cochrane-Zentrum in Freiburg in seiner Stellungnahme zum angeblichen Gesundheitsexperten Hademar Bankhofer in der SZ. Oh mei, Herr Antes – wann haben Sie zuletzt mit einem der Millionen Homöopathie-Gläubigen gesprochen? Es war vor vielen Jahren, als ich meinen lieben, kundigen Hausarzt fragte, woran man eigentlich als Laie erkennen könne, ob einem ein Placebo verordnet worden sei: “Wenn der Beipackzettel keine Nebenwirkungen nennt.”

Aber, auch das entnehme ich der SZ, es gibt ja da den “Aberglauben bei Tauben”:

Der Psychologe Burrhus Frederic Skinner machte 1947 einen Versuch, der als ,,Aberglauben bei Tauben‘‘ berühmt wurde. Er ließ die Tiere hungern und setzte sie dann einzeln in einen Käfig, in den nach exakt 15 Sekunden automatisch Futter gekippt wurde. Das Prozedere wurde oft wiederholt, und die Tauben begannen ihre zunächst zufälligen Handlungen wie ein Ritual zu wiederholen. Egal ob sie pickten, tänzelten oder sich drehten – die Tiere verfestigten die Handlungsmuster, mit denen sie scheinbar erfolgreich Futter im Käfig auftauchen ließen.

Dieser Mechanismus funktioniert auch bei Menschen und würde das Renommee eines Herrn Bankhofer erklären.

die Kaltmamsell

9 Kommentare zu „Rührender Glaube an die Vernunft“

  1. Alice meint:

    Gut dass ein Wissenschaftler wie Antes erreicht hat, dass der “Gesundheitsexperte” seine Glaubensbekenntnisse icht mehr am öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausbreiten kann.

  2. creezy meint:

    Bei Herrn Antes ist außerdem unangenehm peinlich, dass er sich in den Artikeln gerne mal zuschreiben lässt, er hätte Bankhofers Abgang provoziert. Und tatsächlich wurde der Bankhofer-Vorwurf zu allererst bei lanu publiziert wurde, ist also ein «Blog-Skandal».

  3. Sebastian meint:

    Bitte nicht das Bankhofersche Showtalent unterschätzen, ich habe ihm jedenfalls unheimlich gerne dabei zugehört, wenn er seinen herrlichen Nonsens erzählt hat und wäre sofort hingegangen, wenn sie ihn in die Lach- und Schießgesellschaft eingeladen hätten. Besser als Lachyoga.

  4. walküre meint:

    Falsche Information des Publikums ist offensichtlich keine Auffälligkeit. Interessant wäre auch, von der Universität Wien den Grund für die Auszeichnung mit dem Berufstitel Professor zu erfahren. Dafür ist eine 15-jährige Unterrichtstätigkeit in Wissenschaft oder Kunst Voraussetzung.

    So schreibt die Süddeutsche Zeitung – und schießt übers Ziel hinaus, denn:

    Außerhalb der Sphäre der Hochschulen und Universitäten kann die Bezeichnung Professor in Österreich auch als Berufstitel verliehen werden. Hierbei handelt es sich um eine durch den Bundespräsidenten vergebene Auszeichnung für besondere Leistungen, die besonders für Verdienste im künstlerischen und kulturellen Bereich (z. B. bildende Kunst, Unterhaltung, Erwachsenen- und Weiterbildung) verliehen wird. Kandidaten müssen ein bestimmtes Lebensalter erreicht haben. Der Berufstitel Professor wurde beispielsweise an Karl Farkas, Udo Jürgens, Richard Billinger, Johannes Urzidil, Thomas Schäfer-Elmayer oder Robert Seeger verliehen. Ohne formelle Verleihung führen den Amtstitel “Professor” zudem pragmatisierte Lehrer an allgemein- und berufsbildenden höheren Schulender Entlohnungsgruppen LPA und L1. Manche L1- und LPA-Professoren sind auch Universitäten zugewiesen worden. Weder der Berufstitel “Professor” noch der “Professor” an einer höheren Schule hat einen Bezug zur Tätigkeit an einer Universität oder sonstigen Hochschule. Dies ist der Grund, warum an den österreichischen Universitäten – im Unterschied zu Deutschland oder der Schweiz – in aller Regel der Langtitel “Univ.-Prof.” (statt nur “Prof.”) geführt wird. Allerdings wird der Berufstitel “Professor” auch an Persönlichkeiten, die außerhalb des universitären Lebens wissenschaftliche Leistungen erzielt haben, verliehen; so z. B. an den Dirigenten Karl Böhm, an Hans Hass (Tiefseetaucher und Meeresforscher) oder an Heinrich Harrer (Bergsteiger und Tibetologe). Verleihungen des Berufstitels “Professor” an Ärzte erfolgen in der Regel nach Begutachtung durch die Medizinische Universität Wien.

    Quelle: Wikipedia

    So genau nimmt es dann (leider) auch die SZ nicht mit ihrer Recherche, wie es scheint.

    Von den Geschehnissen um Herrn Bankhofer habe ich erst hier gelesen; befremdet frage ich mich, wie es möglich ist, dass jemand, der im österreichischen Vorabendprogramm vorwiegend mit Allerweltsthemen gastierte und darüber hinaus in drittklassigen Printmedien als Kolumnist in Erscheinung trat, in der BRD dermaßen reüssieren konnte. Das, was Bankhofer als vorgeblicher Gesundheitsexperte an Ratschlägen gab/gibt, war/ist für mich eine Mischung aus Hausmitteln und populärwissenschaftlichen Gemeinplätzen, aufgewärmt und gefällig serviert.

    Als Beispiel ein Link zum ORF; der Text ist an Trivialität nicht zu überbieten:

    http://wien.orf.at/magazin/magazin/gesundheit/stories/69120/

  5. Sebastian meint:

    This link made my day, walküre – speziell die Weisheit “Wer Schnupfen hat, der flirtet auch nicht” (sondern nimmt Fußbäder) sowie das Bild vom kranken Professorr gleich oben.

  6. walküre meint:

    Die Bildunterschrift leitet in die Irre – der Mann auf dem Bild ist NICHT Bankhofer.

    PS: Vielleicht hätte ihm jemand sagen sollen, dass Bambi aus dem Disney-Film kein Reh, sondern ein Weißwedelhirsch ist:

    http://wien.orf.at/magazin/magazin/gesundheit/stories/128424/

  7. kelef meint:

    also, erstens einmal – bevor hier jemand verunsichert wird und falsche rückschlüsse zieht: natürlich kann nie und nimmer nicht ein plazebo verordnet werden, never ever, also keine sorge. was der arzt verordnet, wirkt auch. garantiert.

    grundsätzlich stellt sich mir ja immer die frage, wie es denn sein kann dass selbsternannte gesundheitsexperten ÜBERHAUPT öffentlich heilmittel oder medikamente welcher art auch immer anpreisen, abgesehen davon, dass ja das arzneimittelgesetz für rezeptpflichtige präparate laienwerbung sowieso strikt verbietet.

    natürlich: wo kein kläger, da kein richter. und da die pharmareferenten nicht mehr so willkommen sind bei der ärzteschaft (weil: dürfen keine geschenke mehr verteilen), da muss sich die industrie also was anderes einfallen lassen. und das ist eben schleich- und laienwerbung. in den anwaltsbüros sitzen dann die firmenvertreter im kreis und der tenor der unterhaltung ist: pinkelst du mir nicht ans bein, pinkel ich dir nicht ans bein.

    umso schlimmer empfinde ich persönlich dann diese bagatellisierung von krankheiten oder auch nur befindlichkeitsstörungen (die ja durchaus anzeichen ernster erkrankungen sein können), die kulminieren in beispielsweise “und bei grippe nehmen sie ein teelöfferl xyz”. erstens ist grippe eine viruserkrankung und nicht mit einer erkältung zu verwechseln, und so frei aus dem fernsehschirm heraus ist das stellen einer differentialdiagnose vermutlich nicht ganz einfach, nicht einmal für uri geller und verwandte seelen. und zweitens, wiewohl ich durchaus der meinung bin, dass es eine unzahl von naturheilmitteln etc. gibt, haben auch diese – man glaubt es kaum – neben- und wechselwirkungen, wenn sie denn wirken. weil: keine wirkung ohne nebenwirkung.

    zu den potentiellen wirkungsbeeinträchtigern gehören übrigens unter anderem auch grapefruitsaft, lakritze, alkohlhältige bonbons mit oder ohne kirsche, manche gewürze, für allergiker auch gerne: öffnen sie doch einmal eine tüte mit selbstgemischtem kräutertee gegen was auch immer und atmen sie den duft tief ein: cortisonspray bereithalten.

    solche kleinigkeiten werden natürlich gerne bei allen gesundheitssendungen unter den tisch fallen gelassen, da soll sich dann der apotheker darum kümmern, oder wer auch immer. insofern also kann man die diversen medienbetreiber nicht frei von schuld sprechen. denn dass die breite masse nicht über den fachlichen hintergrund verfügt, die unter “gesundheitsblablabla” verzapften pseudoinformationen kritisch hinterfragen oder selektieren zu können, sollte auch den für die sendungen verantwortlichen klar sein. dass andererseits zu wünschen wäre personen, die öffentlich ratschläge verteilen, würden dies nur tun wenn sie die notwendige fachliche qualifizierung hätten, ist eine frage von rückgrat (manche haben halt nur ein gummibandl anstatt, wegen der flexibilität) bieser personen.

    und wenn einer showtalent hat, soll er bitte einen entsprechenden beruf ergreifen und nicht medizinische ratschläge verteilen. ich kauf mein mehl nicht beim kohlenhändler und meine zwiebeln nicht beim friseur, und wenn das zimmer ausgemalt gehört dann lass’ ich das auch nicht den mechaniker machen.

  8. kecks meint:

    Das ist kein “Aberglaube”, sondern eine klassische Konditionierung, vulgo einer der Grundmechanismen des Lernens. Er funktioniert bei beinahe allen Lebewesen. Man kann damit (d.h. vor allem mit instrumentellen, weniger mit klassischen Konditionierungen) z.B. Hunden oder Meerschweinchen ohne jede Negativeinwirkung, nur mit Futter bewaffnet, auf Signal rückwärts sprinten beibringen. Wäre auch ziemlich dumm, wenn das nicht der Fall wäre – wir kämen mit wechselnden Umweltbedingungen sonst wohl eher schlecht bis gar nicht zurecht.

  9. croco meint:

    Nach den Regeln von Frau Walküre wär ich ja auch eine Frau Professor.
    Na, das wär doch was.
    Aber wer einen Nicht-Arzt über öffentlich-rechtlichen TV so über Gesundheitsthemen schwallen lässt, der gehört verhauen, aber richtig.

Sie möchten gerne einen Kommentar hinterlassen, scheuen aber die Mühe einer Formulierung? Dann nutzen Sie doch den KOMMENTAROMAT! Ein Klick auf einen der Buttons unten trägt automatisch die gewählte Reaktion in das Kommentarfeld ein, Sternchen darüber und darunter kennzeichnen den Text als KOMMENTAROMAT-generiert. Sie müssen nur noch die Pflichtfelder "Name" und "E-Mail" ausfüllen und den Kommentar abschicken.