Archiv für Oktober 2008

Die Camargue ist flach

Donnerstag, 9. Oktober 2008

Die Camargue ist noch flacher als die Schweiz. (Sie müssen schon entschuldigen, aber eine Fahrt von München auf kürzestem Weg nach Genf beweist eindeutig, dass Obelix mit seinem Urteil über die Schweiz recht hatte.)

Enthält aber bedeutend mehr Flamingos.

Die wir uns nach einer langen Wanderung die Küste entlang im Vogelpark genauer ansahen, während uns die Mücken fraßen. An diesem Tag lernte ich, dass auch in Südfrankreich frischer Wind beim Wandern nicht vor Sonnenbrand schützt. Abends konnten wir nicht entscheiden, ob eher das lächerlich tiefe Rot am Hals oder die riesigen roten Mückenstichbeulen uns am Tragen tiefer Ausschnitte hinderten.

Arles ist schön

Mittwoch, 8. Oktober 2008

Eigentlich lag es einfach nur günstig auf dem Weg, doch dann stellte sich Arles als Schmuckstück heraus. Nicht nur kamen wir in einem ganz entzückenden Hotel unter.

Auch erinnerte mich der Ort sehr an Kastilien.

Anderes entsprach wieder ganz meinem Südfrankreich-Stereotyp.

Tatsächlich bin ich schon längst ganz woanders, nämlich in Nizza. Ich sitze auf der Terasse unseres Hotelzimmers über den Dächern von eben dort, lasse mir einen schwarzen Rollkragenpullover wachsen. Vorher gab es Camargue und handfeste Provence (Luberon), woselbst ich mich aber nicht um Internet-Zugang bemühte. Fotos und Geschichten hole ich noch nach. (Das Schreiben ist im Moment sehr anstrengend: Meine Lektüre ist Wolf Schneiders Speak German!, und wie immer während und nach einer Dosis Schneider prüfe ich jeden Ausdruck, jede meiner Formulierungen mit einer riesigen Lupe.)

Wir kamen als Fremde und gingen als Genfer

Mittwoch, 1. Oktober 2008

Ich hatte zwar vorsichtshalber betont, dass ich gar nicht gut im Entdecken überraschend guter Speisenlokale an fremden Orten bin, gleichzeitig aber meine Theorie angeboten, dass dort, wo man Weine sehr ernst nimmt, auch gutes Essen respektiert wird.

Bei unserem abendlichen (hat man das früher eigentlich mit t geschrieben?) Stromern am Genfer Ende des Genfer Sees war uns ein recht neu aussehendes Lokal ins Auge gefallen, das “Café, Restaurant, Vins” unter seinem Namen “Le Patio” auf der Scheibe stehen hatte. Wir spazierten durch den kleinen englischen Garten, den auch Genf hat, sahen schwarz gekleidete Juden beim Beten an der Brüstung zum See (hat das noch mit Rosh hashanah zu tun? aber warum am See?). In der Dämmerung flatterten offensichtlich Insekten jagende Flugtiere – die Schwalben waren doch sicher schon gezügelt? Dann waren das wohl Fledermäuse.

Das Speisenlokal erwies sich als Volltreffer. Drei Herren im späten Papi-Alter und eine Dame aus ähnlichem Jahrgang stellten das Personal, verstanden sich blendend und verbreiteten eine herzliche, freundschaftliche Stimmung. Die Karte war klein und übersichtlich, in Vorspeisen und Hauptgänge aufgeteilt. Das ist nun das Französisch, das ich am besten kann – für Speisenkarten brauche ich praktisch nie einen Dolmetsch. (Schrieb sie, die noch vor wenigen Jahren in Wales quail bestellte und beim Servieren überrascht war, weil sie irrtümlich squid erwartet hatte.)

Als Aperitiv empfahl man uns einen Pinot gris, der schön kräftig daherkam. Als Vorspeise hatte ich mir ein Avokado-Tartar ausgesucht, das zwischen zwei Scheiben rote Beete serviert wurde und sehr gut war. Wir baten um weitere Gläser Weißwein; der Herr Bedienerich stellte selbige hin und meinte todernst, er verrate uns nicht, was das sei. In fünf Minuten werde er wiederkommen, und er erwarte, dass wir bis dahin Herkunft und Jahrgang erschmeckt hätten. Meine Begleiterin versuchte das Gegengeschäft, ob dann wenigstens die Flasche auf´s Haus gehe? Vergebliche Liebesmühe, blind erschmecke ich vielleicht gerade mal den plumpsten aller Cabernet Sauvignons aus Kalifornien. Der wunderbare Wein gestern stellte sich als ein 2006er aus Nimes heraus. Bei dem wir auch gleich blieben, passte er doch wunderbar zu meinem Hauptgericht: Frikassee aus Jakobsmuscheln und Garnelen mit Linguine, die in einer köstlichen, sahnig-tomatigen Soße rutschte. Wir schafften sogar noch Nachtisch (eine sehr safran-lastige Creme brulee), obwohl der Schumann-Lookalike hinter dem Tresen hervorrief, er sei doch das Süßeste hier.

Das mit der Sprache funktioniert bislang gut: Ich verstehe ja viel Französisch, lache also (hoffentlich) an den richtigen Stellen – und antworte in kleinen Dingen mit Deutsch, unterstützt von viel Mimik, setze meine drei französischen Brocken ein und verweise im Notfall auf meine französischsprachige Begleiterin, die beim eingeborenen Volk ohnehin ein echter Ankommer ist.