Journal 12. Juni 2009

Samstag, 13. Juni 2009 um 8:52

Bemerkungen zum Verkehr

Eine Vollbremsung, meine Damen und Herren, eine Vollbremsung ist für Radfahrer keine Option. Als ich also auf dem Weg in die Arbeit aus einer Seitenstraße von links einen Lastwagen preschen sah, konnte ich, unterwegs mit hoher Geschwindigkeit bergab auf einer mehrspurigen Haupt- und Vorfahrtsstraße, nicht einfach kräftig in die Bremshebel greifen – der abrupte Stopp hätte mich über den Lenker in den Laster katapultiert. Statt dessen musste ich darauf vertrauen, dass kontrolliertes Bremsen mich rechtzeitig zum Stehen bringen würde. Was zum Glück auch eintraf, doch meine Knie zitterten auch noch zwei Stunden später.

Es scheint der Moment gekommen zu sein, mich über die Münchner Radler auszulassen, die ein veritabler Schmerz im Hinterteil sind. Sie mögen sich nach der obigen Schilderung wundern, warum die Radler Ziel meines Ärgers sind und nicht die Lenker motorisierter Fahrzeuge. Das ist, weil ich nämlich eine Theorie habe. Die geht so: Münchner Autos und Lastwagen verhalten sich schlicht, als existierten Fahrradfahrer nicht. Beim Rechtsabbiegen zum Beispiel halten sie grundsätzlich quer über der Radlerspur oder dem Radweg, um Fußgänger passieren zu lassen. Beim Linksabbiegen werden ausschließlich entgegenkommende Kraftfahrzeuge berücksichtigt. Parkend am Straßenrand wird nur nach Kraftverkehr ausgeschaut und dann dem zufällig passierenden Radler die Fahrertür ins Vorderrad geknallt.

Nur: Daran gebe ich den Münchner Fahrradfahrern die Schuld. Mindestens 30 Prozent leiden offensichtlich unter einer Rechts-Links-Schwäche und fahren auf der falschen Straßenseite (so viele Briten, Südafrikaner, Australier oder Japaner kann es unmöglich in München geben). Zwischen 70 und 80 Prozent sind farbenblind, was sich an der sehr erratischen Beachtung der Ampelschaltung zeigt. Höchstens 8 Prozent signalisieren ihren Abbiegevorsatz per Handzeichen. 90 Prozent der Münchner Radfahrer fühlen sich mit der Straßenverkehrsordnung nicht gemeint. Das Ergebnis aus Kraftfahrersicht: Radler können jederzeit, in jeder Form, aus jeder Richtung auftauchen – sie sind nicht berechenbar. Die Konsequenz kann Paranoia sein oder, und dafür haben sich die Kraftfahrer in München offensichtlich entschieden, konsequente Verdrängung. Radfahrer? Welche Radfahrer?

Hoffentlich bringe ich morgen die Disziplin auf, mir endlich einen Helm zu kaufen. Weiß jemand, warum Fahrradhelme so völlig anders aussehen als anderen Helmarten? Und erheblich weniger Fläche zu schützen scheinen? Spricht etwas gegen sowas?
(Wenn ich schon bescheuert aussehe, dann bitte auf meine ganz eigene Art.)

Selbstverständlich gibt es auch Zuckerl auf den Radwegen der Münchner Innenstadt: Heute fuhr ein gutes Stück der Ludwigstraße vor mir ein junger Mann auf einem Akrobatikfahrrad (heißen die noch BMX?) – da diese Räder nicht als Transportmittel konzipiert sind, konnte er sich nicht setzen und wackelte in einer verrenkt stehenden Position mit unbequem gerecktem Kopf daher. Sehr lustig anzusehen.

§

Mittagessen mit den wenigen diensthabenden Abteilungskolleginnen. Das Tischgespräch führte von den Vor- und Nachteilen verschiedener Körpergrößen über das ideale Verhältnis von Körpergröße in Partnerschaften unter besonderer Berücksichtigung physiotherapeutischer Aspekte zu der Idee, einen zu großen Größenunterschied als Risikofaktor in Krankenkassenbeitragsbemessungen zu definieren. (Ulla Schmidt: Feel free…)

§

Nach einem Hexen-Streifschuss am Vormittag verspannte sich Stück für Stück der gesamte Rücken. Ich überlegte hin und her, ob die medizinische Muckibude, die ich für einen Abendbesuch eingeplant hatte, sich in diesem Fall gut oder schlecht auswirken würde. Als wehrlose Sklavin der Härte gegen mich selbst und des Pflichtbewusstseins entschied ich mich natürlich für den Besuch. Schon das Radeln zur Bude war allerdings unter diesen Umständen – speziell. Ich fragte vorsichtshalber einen Trainer um Rat, der mich zwar nicht gleich heim schickte, aber für heute die Hälfte meiner Maschinen verbot. Daheim Entspannung per Alkohol.

Nahrung: Café con leche (der so und nicht anders heißt, weil er mit spanischem café gemacht ist), Apfel, Banane, Rindsroulade mit Soße, Rohkostsalat, Automatenkakao, Pacharán, Salzkaramell, Maccheroni mit Sauce Bolognese, dazu Osoti Vendimia Seleccionada Rioja Cosecha 2006
Wetter: Sonne und Wolken im Wechsel

die Kaltmamsell

26 Kommentare zu „Journal 12. Juni 2009“

  1. postorette meint:

    Großer Beifall am Morgen.
    Die Radfahrer in anderen Städten sind auch nicht besser und so weiß ich jetzt wenigstens, warum entgegen kommende Radler öfter RECHTS an mir vorbeifahren – alles Briten und Japaner!
    Zum Thema Helmkauf empfehle ich – um wenigstens auf witzige Art bescheuert auszusehen – die Skater-/Fahrradhelme von Nutcase: Bunt, rund und sogar TÜV-geprüft.

  2. Claudio meint:

    [veritabler Schmerz im Hinterteil] küüühl!

  3. Nicky meint:

    Ich frage mich ja immer, ob meine Erinnerungen an die Studentenzeit in Regensburg so nostalgisch verklärt sind oder ob damals wirklich alles besser war. Zumindest war ich dort noch begeisterte Radfahrerin und kann mich weder an Beinahe-Unfälle noch ständige Streitereien mit anderen Radfahrern/Fußgängern/Autofahrern erinnern… München dagegen hat für mich manchmal ein eigenes Darwin-Prinzip: “Survival of the most reckless” und Ihre Schlußfolgerung, liebe Frau Kaltmamsell, die finde ich recht treffend. Grundsätzlich versuche ich (90 % Fugängerin, 10 % Autofahrerin) ja die Situation mit Humor zu nehmen – nur leider bleibt einem dieser doch oft im Hals stecken. Beispiele gefällig?

    1) Der Holzsteg an der Isar. Ein ausgeschriebener Fußweg, der mit Metallabsperrung und manchmal sogar Kette die Radler zum Absteigen animieren soll. Theoretisch. Praktisch juckt es keinen und als ich dort kurzzeitig das Schieben eines Kinderwagens neben einem anderen Kinderwagen übernahm, rollte von hinten eine Fahrradtruppe heran und beschimpfte uns als “blöde Korinthen”, weil wir ihnen keinen Platz zum Durchradeln ließen. Sie haben sich dann radelnderweise an uns vorbeigequetscht und sind nichtmal abgestiegen.

    2) Ausgeschriebener Fußweg im Englischen Garten nahe dem Ritzi, wir sind etwa 12 Leute mit kleinen Kindern und “blockieren” mehr oder weniger den ganzen Weg beim gemütlich dahin spazieren. Bis uns eine Radlerin entgegenkommt und sich beschwert, dass sie ja gar keinen Platz zum Radfahren hat. Der Hinweis auf das blaue Fußwegschild in Sichtweite interessierte nicht.

    3) Wir spazieren vom Cinema kommend zum Volksgarten. Ein durch eine klitzekleine Stufe baulich unterteilter breiter gepflasterter Fußweg neben einem schmalen, geteerten Radweg. Wir gehen auf dem Fußweg, zwei Radler nähern sich von vorne – ebenfalls auf dem Fußweg – bis man sich Auge in Auge gegenübersteht. Unser Hinweis, dass dies nunmal der Fußweg sei wird mit einem ausgesucht freundlichen “Ja klar, halt’s Maul!” quittiert.

    Ich fange erst gar nicht an mitzuzählen, wie oft rote Ampeln missachtet werden, einem auf dem Bürgersteig ein Radfahrer mit Tempo 30 plus begegnet oder man mit wüstem Geklingel zum Platzmachen aufgefordert wird… Ich bin bestimmt nicht heiliger als der Papst, aber wenn ich schon auf dem Bürgersteig Rad fahren muss, dann zumindest rücksichtsvoll und eher “kleinlaut”?

    Leider werden Radler viel zu selten kontrolliert und die geringen Strafen sind alles andere als abschreckend, eine Besserung also wohl in weiter Ferne ;(
    Da lob’ ich mir Singapur, da werden Fugängerbereiche mit Schildern versehen, die zu 100 % befolgt werden: NO RIDING. FINE: $ 1000

  4. Sabine meint:

    Ja, unglaublich, die vielen Radlerdeppen, die unterwegs sind. Ich stimme Ihrer Meinung, dass sie das größere Problem als die Autofahrer darstellen, völlig zu. Beim Autofahrer reicht es, wenn man als Radler davon ausgeht, dass man eh nicht beachtet wird; auf die freien Interpretationen der StVO durch die Mitradler kann man gar nicht kommen, so vielfältig und kreativ wie sie sind.

    Schönes Wetter ist des Berufsradlers größter Feind: dann holen sie alle ihre Drahtboliden aus dem Keller und zeigen, was sie so drauf haben. Furchtbar. Im Sommer ist ein Helm noch wesentlich wichtiger als im Winterhalbjahr, wenn nur die erfahrenen Radler unterwegs sind. Diese lustigen topfförmigen Skaterhelme sehe ich übrigens viel bei männlichen Jugendlichen.

    Mit einem Radlhelm auf dem Kopf in ein Zimmer voller Erwachsener zu spazieren, weil etwa beide Hände zu voll zum Abnehmen sind, hilft einem übrigens, nachzuvollziehen, wie sich das Leben als Pfarrer anfühlen muss: ein jeder fühlt sich bemüßigt, eine große Beichte abzulegen, um seine eigene Nachlässigkeit beim Helmtragen zu erklären und rechtfertigen und eine Absolution dafür zu erwarten. Da hilft nur mildes Lächeln und stilles Segnen.

  5. Sabine meint:

    Ich bin bestimmt nicht heiliger als der Papst, aber wenn ich schon auf dem Bürgersteig Rad fahren muss, dann zumindest rücksichtsvoll und eher “kleinlaut”?

    Genau! Mitunter geht es ja wirklich nicht anders, manchmal muss man sogar ein kurzes Stück falschrum fahren (Gasteig zum Rosenheimer Platz, beispielsweise), aber dann hat man doch gefälligst auszuweichen und sich defensiv zu verhalten.

    Ich wünsch’ mir immer eine lustige Kampagne entlang der Radwege, die Radler zu mehr Höflichkeit und Rücksicht erzieht. Und dass die Polizei nicht nur das fehlende Licht, sondern die fehlenden Manieren moniert.

    Gegenüber Kindern beispielsweise verhält sich der Münchner Kampfradler beispielsweise auf eine Weise rücksichtslos, die nur als suizidal bezeichnet werden kann. Vorschriftsgemäß auf dem Gehweg radelnde Kinder werden in rasendem Tempo rechts auf ebendemselben Gehweg überholt und beschimpft – wenn da was passiert, ist keiner schuld als der radelnde Rowdy allein, und wie der damit leben will, das weiß ich auch nicht. SO wichtig kann es doch gar nicht sein, als Erster an der nächsten Ampel zu stehen.

  6. Martha meint:

    ” doch meine Knie zitterten auch noch zwei Stunden später”
    Sklavinnenknie und Opferrücken gehören einem Zentralen Nervensystem. Wie gut, daß ein Trainer Partei ergreift und irgendwann “Genuss” auf dem Plan steht: mit gutem Wein entspannen !
    Liebe Frau Kaltmamsell, eine gute Erholung wünsche ich Ihnen, ein schönes Wochenende. Beifall und danke für Ihren blog

  7. Heike meint:

    Aus dem Stand könnte ich mindestens drei Fußgängerampeln aufzählen, an denen man bei grün erst auf die Fahrbahn treten sollte, wenn kein Fahrradfahrer kommt. Sogar die extra Fahrradfahrer-Ampeln werden nicht beachtet, obwohl es in der Vergangenheit immer wieder zu Zusammenstößen kam. Regelmäßige Kontrollen mit Sofortkasse würden bestimmt helfen ;)))

  8. Kommentator meint:

    Ist es nicht doch eher so, dass Radfahrer den Druck, den Autofahrer auf sie ausüben, an Fußgänger weiterleiten? Mit “Druck” ist die Angst vor dem Stärkeren, Tödlicheren (kein Witz) gemeint, es handelt sich also um so etwas wie eine Machtpyramide mit den Autofahrern oben und dem gemeinen Fuß- und Radelvolk unten, dass die Sache unter sich ausmachen muss, weil die Autofahrer sich für beide Sorten Pöbel nicht recht interessieren mag.
    Will sagen: Was der Fußgänger als Autofahrer sich an Fehlleistungen gegenüber dem Radfahrer leistet, bemängelt er am Verhalten des Radfahrers gegenüber dem Fußgänger – Irrationalität, wohin man schaut, rationale Lösungsvorschläge verpuffen wirkungslos.
    (Disclaimer: STVO-beachtender Radpendler in Hamburg, Helmträger, morgens Warnweste, um die Überlebens-Chancen zu erhöhen)

  9. maike meint:

    ich fand das radfahren in münchen auch immer viel anstrengender – nervlich – als im norden. die bessere hälfte hingegen regt sich regelmäßig über die norddeutschen radfahrer auf, die 200m hinter einem einmal kräftig die klingel betätigen. das war’s dann aber auch schon, man wird nicht angepöbelt oder sonst irgendwas, was in münchen -gefühlt- eigentlich immer passiert.
    interessante und adrenalinspiegel steigernde stellen sind auch die (rad)unterführungen an der isar entlang. wenn da mal ein fußgänger käme..katastrophal!
    zum helm kann ich mich auch noch immer nicht durchringen…der müsste dann ja auch unter die regenjacke passen…aber unverantwortlich ist es eigentlich schon, so ohne helm..
    ich wünsche auf jeden fall baldige entspannung der rückenmuskulatur!

  10. Remington meint:

    Ich hatte mal während einer Bergab-Schussfahrt einen Schlagabtausch mit einem kleinen Schaufelbagger. Mein Helm ging in drei Teile, der Kopf blieb zum Glück heil. Seitdem keinen Meter mehr ohne Helm.

    Die Radelhelme sind deshalb anders geformt, weil erstens windschlupfiger gestaltet und zweitens mehr belüftet. Die Lüftungslöcher sollten außerdem zumindest vorn mit einem Netz versehen sein, wer einmal eine Wespe im Helm hatte, achtet auf sowas.

  11. Stefan meint:

    Noch kurz zu den Übungen in der Medizinischen Muckibude: Ich habe mir in solchen Fällen immer damit geholfen, dass ich die Übungen mit reduziertem Gewicht absolviert habe. Allein durch die Bewegungsabläufe unter (reduzierter) Belastung kam vieles recht schnell wieder in Ordnung.

  12. Fabrice Pi meint:

    Bitte, sehr geehrte Frau Kaltmamsell und beistimmende Kommentatoren: Es schmerzt, solche Worte lesen zu müssen als Vielradler, der sich bemüht, die Verkehrsregeln einzuhalten.

    Ich kenne die Situation in der Münchner Innenstadt zu wenig, um Ihnen recht zu geben oder zu widersprechen. Es mag schon sein, dass es solche Fälle gibt, meinetwegen auch viele. Doch in welches Licht stellen Sie uns denn? Einerseits haben wir an jeder Einmündung Angst, von einem unachtsamen Pkw-Rechtsabbieger überrollt zu werden, und trauen uns an Kreuzungen kaum, von unserem Recht Gebrauch zu machen, wenn wir Vorfahrt haben. Andererseits feinden Sie uns wegen der Verfehlungen anderer an. Ja selbst dann greift man uns oft an, wenn wir uns korrekt verhalten – denn viele Nichtradler haben von Rechten und Pflichten der Radfahrer keine Ahnung, z. B. was Vorfahrts-, Abbiege- und Überholregeln angeht. (Es gibt übrigens von Dietmar Kettler ein Buch “Recht für Radfahrer”, das dies alles sehr einleuchtend erläutert.)

    Und: Das Fahrrad ist als Verkehrsmittel auf längeren Strecken nur attraktiv, wenn man einigermaßen schnell fährt. Es wundert aber kaum, daß ein unerwartet mit 30 oder 40 km/h praktisch lautlos auftauchendes Fahrzeug erschrecken kann, auch wenn der Fahrer so korrekt und umsichtig handelt (auf seiner Fahrbahn bleibt, ausweicht, bremst …), dass absolut keine Gefahr von ihm ausgeht.

    Was schlagen Sie vor? Sollen wir aufs Auto umsteigen (aus purem Frust)? Sollen wir uns gar den Rowdys anschließen (gefährdet und beschimpft werden wir ja sowieso)? Sollen wir anderen Radfahrern den mahnenden Zeigefinger unter die Nase halten, dem ADFC beitreten und Leserbriefe schreiben, um unser Image zu verbessern? Ihre Antwort würde mich wirklich interessieren; denn ich sehe eigentlich keine Alternative zu: Sich den Fahrspaß nicht verderben lassen. Sich im Stillen wundern. Und sich freuen, weiter draußen zu wohnen, wo es eher noch eine Kuriosität ist als ein tägliches Ärgernis, von einem wild gestikulierenden Autofahrer angehupt zu werden, weil man (wie von der StVO vorgesehen) über die Linksabbiegerspur abbiegt, statt zweimal über die Fußgängerampel zu schieben.

  13. kelef meint:

    wtf??? korrigieren sie mich bitte, wenn ich was falsch verstanden habe bei einigen kommentaren da oben, aber “manchmal muss man einfach auf dem gehweg fahren”?

    also entweder ist etwas verboten oder erlaubt, aber vielleicht kommt das nächste mal ein auto auf dem gehweg daher, weil es eben gerade nicht anders ging ohne umweg. und dann darf ja auch ein skater auf die autobahn, wenn er nur schnell genug ist und er ansonsten einen umweg machen müsste.

    im übrigen ist das benehmen der radfahrer in wien nicht anders: kommen daher wie im ewigen leben, kein vorderlauf wird weggespreizt bei abbiegevorhaben, klingeln ist nicht, und in der nacht bitte unbedingt ohne licht mit einem elendskaracho über die abschüssige fussgängerzone, und zwar im pulk, vermutlich die nachzügler der letzten tour de france. ohne helm, praktischfonanierend mit ohrhorchverkabelung und umhängemikrofon, gerne auch gleichzeitig mit einem bierchen am mäulchen “deppata, siechst net dos i an duascht hob, do kaun i net läutn, muast hoit aufpassn dass di net auf de pappn haut”.

    die liebe wiener polizei, mehrfach darauf angesprochen, auch mit hinweis auf die doch erkleckliche anzahl einzuheben versäumter strafgebühren, meinte lässig: “na, soi ma dena nochrenna? de san sowieso schnölla ois mia”. mein anregung, sich vielleicht im lassowerfen zu üben wurde als despektierlichkeit gegenüber der obrigkeit ausgelegt.

    wen wundert’s also, so betrachtet.

  14. harry meint:

    Interessante Beobachtungen. Bin lange nicht mehr Radgefahren, gerade auf kurzen Strecken, weil zu Fuß ist schneller (ohne Helm, ohne Radschloss, Fusswege sind in alle Richtungen nutzbar.) Außerdem sind Radfahrer schlecht sichbar – egal wie. Ihre Geschwindigkeit wird häufig unterschätzt etc. pp.) Wie auch immer. Defensives Fahren auf dem Fahhrad ist einfach unumgänglich, will man etwas länger leben als die Fahrradgabel. Im Übrigen gilt hier wie überall: Eine gewisse Freundlichkeit im Umgang kann sehr förderlich sein. Auch für die eigene Seele. Ich fahre nur noch mit Helm.

  15. Stefan meint:

    »Manchmal muss man auf dem Gehweg fahren« kann in Deutschland bedeuten: Die Städte planen Straßenzüge so um, dass Radfahrer und Fußgänger gemeinsam einen Weg benutzen sollen. Das wird dann z.B. mit diesem Verkehrszeichen oder mit dem Zusatzschild »Frei für Radfahrer« bestimmt. Fußgänger sind sich dieser Zeichen nicht immer bewusst und so gibt es ständig Ärger. Die Autofahrer fahren auf solchen Straßen oft besonders brutal und hupen die Radfahrer aus dem Weg.

    »Manchmal muss man auf dem Gehweg fahren« kann in Deutschland bedeuten, dass die rot markierten Radwege plötzlich abbrechen und hinter einer Bus/Bahn-Haltestelle wieder beginnen. Ohne Hinweis, wie man sich verhalten soll. Ich steige doch nicht von meinem Rad ab, um 20 Meter später wieder aufzusteigen. Ich mag aber auch nicht an jeder Straßenbahnhaltestelle über Bordsteinkanten ab- und aufsteigen. Ich laufe zehn Kilometer in ca. 40 Minuten und einen Halbmarathon (21.1 Kilometer) in ca. anderthalb Stunden, da will ich mit dem Fahrrad eigentlich nicht unbedingt langsamer vorankommen.

  16. harry meint:

    ich weiss nicht so recht: das phänomen scheint soweit typisch deutsch als ich keine besseren erfahrungen habe. Immer das: “Ich will …”, “ich habe Anspruch”, “ich bin im Recht, also …” – vermutlich eine Trotzreaktion auf die sonst von außen auch so verrechtlichte Situation.

    Man merkt es gut im Verkehr, aber auch an der Supermarktkasse und wonanders: Ein Begriff und Handeln nach Maßgabe der Rücksichtnahme im nicht in Betracht, solange man ja mindestens im Recht ist. Rechtewahrnehmung wird so zur Pflichtangelegenheit, weil ja alle so handeln.

    Ich weiß nicht, aber so scheint mir, baut man eine solidarische Gesellschaft konsequent ab. Und vermutlich ist es genau das, was “man” will oder wollen soll.

  17. Stefan meint:

    Darüber müsste ich nachdenken. Auf die Schnelle nur soviel: Ich habe kein Auto, Radfahren ist eine sehr umweltfreundliche und sehr effiziente Fortbewegungsart (effizient ist auch bezogen auf den benötigten Verkehrsraum!). Radfahrer gehören nach meiner Meinung zum Teil gleichberechtigt auf die Straße und zum Teil auf solche kombinierten Wege. Wenn man Radfahrer aber ausschließlich auf kaputte und unzulängliche Wege beschränkt, werden vermutlich mehr von ihnen frustriert auf das Auto umsteigen und den Stau verschlimmern.

  18. Stefan meint:

    PS: An der Supermarktkasse bin ich immer lieb, rücksichtsvoll und geduldig ;-)

  19. kelef meint:

    nun ja, der eine mag nicht absteigen vom fahrrad, und der andere mag nicht umgefahren werden. ich mag mich noch nicht einmal panisch an die wand drücken müssen, weil ein paar radrennfahrer in spe für die nächsten olympischen spiele üben wollen, oder ein paar jugendliche todeskandidaten unbedingt ausprobieren wollen wie es ist, zwischen den passanten slalom zu fahren. ich red auch nicht von gehwegen, auf denen aus irgendeinem grund streckenweise das radfahren erlaubt ist, sondern von gehwegen wo das radfahren immer und jederzeit absolut verboten ist.

    und ich bin durchaus der meinung, dass das fahrrad ein legitimes, vernünftiges, respektables verkehrsmittel ist, das steht ganz ausser frage. leider verlassen sich radfahrer aber vielfach darauf, dass sie weder eingefangen noch aufgeschrieben werden können, weil sie a) zu schnell sind und b) keine nummerntafeln haben.

    es ist mir nicht einmal passiert dass ich in der nacht mit frau hund aus dem haustor wollte und eine von uns beiden TROTZ vorsichtigen um-die-ecke-lugens fast überrollt worden wäre, von einem radfahrer mit ohne licht und ohne bremsen. wie komm’ ich dazu? auch in marktgebieten sollten sich die radfahrer von ihren eseln runterbegeben, und in u-bahn-stationen erscheint es mir auch vernünftig das ding zu schieben: muss man unbedingt in die niederflur-waggons hineinfahren?

    nicht fahern heisst nicht fahren, “eh nur kurz” und “eh nur langsam” und “eh vorsichtig” sind einfach keine argumente. und die sache mit dem vertrauensgrundsatz gilt auch für radfahrer, für die erst recht, meiner meinung nach. kinder können einfach nicht einschätzen, wie schnell so ein radfahrer daherkommt, und ob und wie er ausweichen kann, und alte menschen auch nicht. und WENN der radfahrer klingelt, erstarren kinder und alte meist erst einmal, bevor sie ausweichen können. von den irren, die auf einem 2 meter breiten gehweg um die ecke brausen einmal gar nicht zu reden.

    dass fussgänger auf radwegen nichts verloren haben – ausser bei querung derselben – ist ebenso selbstverständlich. aber wo sollen die wiederum hin wenn auf den gehsteigen neben den radwegen von geschäften werbetafeln aufgestellt werden für was weiss ich was? und andererseits, die radwege sind vielfach so schmal, dass ein grosses fahrrad mit den äusseren enden der lenkstangen rechts und links darübersteht. aneinander vorbeifahren ist da mit sicherheit nicht möglich.

    alles nicht so einfach. und leider behalten wir alle ja nur die im gedächtnis, die uns unangenehm aufgefallen sind, und nicht die, die sich vernünftig verhalten.

  20. Stefan meint:

    Frau Kelef, ich schreibe doch einfach vom vernünftigen Ans-Ziel-Kommen in einer Großstadt. Bei Tag. Stocknüchtern. Abends immer mit Licht und am Tag oft mit Licht. Dafür müssen vernünftige Regeln und Verkehrslösungen her. Als Vater und Fußgänger bin ich natürlich ganz entschieden gegen Verkehrsrowdytum und fahrlässiges Verhalten im Straßenverkehr. Als Verkehrsteilnehmer und Steuerzahler will ich erreichen, dass die Bedingungen für Radfahrer verbessert werden.

  21. harry meint:

    ich bin heute auch wieder ganz vernünftig gefahren. Auf der Autobahn, mitm Fahrrad, jawohl.

  22. typ.o meint:

    Hui, diese Radlerschelte hat mich aber getroffen! Ich selbst fahre jahraus, jahrein mit dem Rad, und muss gestehen, dass ich für mich nur die StVO-light anwende. Die Logik aus Sicht der Autofahrer hat mich jedoch überzeugt, und gerade eben bin ich auf dem Nachhauseweg aus dem Wald an *allen* roten Ampeln stehen geblieben, so als ob ich ein Nummernschild trüge und ein Wachtmeister am Straßenrand gestanden hätte.

  23. Barbara meint:

    Wenn ich mir den Copenhagener Fahrradblog so ansehe: von Amsterdam bis Tokio scheint das Radeln entspannter abzulaufen als in München. Die fantasievollsten outfits, Frauen fahren selbstverständlich mit Stöckelschuhen, aber kein Schwein trägt nen Helm.
    Vor kurzem habe ich mir ein wunderbares Rad gekauft, ich bike nicht, ich fahrradfahre. Und ich kann, leider,den Kommentaren hier nur zustimmen. Ich rechne ständig mit der Blödheit/und/oder der Agression der anderen, egal ob Auto-oder Radfahrer.
    Zu einem Helm habe ich mich auch noch nicht durchringen können. Zu Skaterzeiten hatte ich immer eine feuerrote Birne unter dem Helm, war schweißgebadet, äh bäh.

  24. Sebastian meint:

    Rate auch dringend zum Fahrradhelm, gerade wegen der Münchner Verhältnisse, und rate optisch von den verlinkten BMX-Helmen ab – denn die sehen bei Erwachsenen so aus, als ob diese nicht mit Anstand alt werden könnten. Aber vielleicht wollen Sie das auch gar nicht?

  25. Stefan meint:

    @Sebastian: hätten Sie bitte einen Link zu Helmen, die ich als Mann mit 42 altersgerecht tragen kann?

  26. Sabine meint:

    Wer kennt eigentlich sonst noch das informelle Radler-Überholzeichen, das der Hintermann gibt, wenn er ordnungsgemäß links am Vordermann vorbeiwill? Mir scheint es eine große Gemeinde von Radlern zu geben, die freundlich einmal klingeln und dann warten, bis der Vordermann am rechten Rad des Radwegs fährt. Eine sehr pragmatische Lösung, wie ich meine, aber offiziell ist sie sicher nicht.

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