Tag 9 – Das erste Buch, das du je gelesen hast

Sonntag, 10. Oktober 2010 um 7:18

Astrid Lindgren, Cäcilie Heinig (Übers.), Pippi Langstrumpf. Zumindest habe ich immer behauptet, das sei mein erstes selbst gelesenes Buch – wird schon so gewesen sein. Auch wenn ich vor der ersten Klasse bereits das Eine oder Andere entziffern konnte, scheine ich eine der wenigen hartgesottenen Leseratten zu sein, die Lesen erst in der Grundschule gelernt haben. Mit Setzkasten, bei der jungen Frau Neugebauer, die mich und mein Temperament klasse fand und es mit „aufgeweckt“ und „kreativ“ umschrieb. Die erheblich ältere Lehrerin in der zweiten Klasse verwendete später dafür die Bezeichnungen „vorlaut“ und „aufsässig“.

Das Buch enthält die drei Bände Pippi in der Villa Kunderbunt, Pippi geht an Bord und Pippi in Taka-Tuka-Land. Diese fiktive Figur wurde für mich noch am ehesten Vorbild, wenn ich denn jemals eines hatte: Materiell unabhängig, unkonventionell, loyal, impulsiv, ungebunden, physisch so stark, dass sie mit praktisch jeder Situation fertig wurde und dabei noch andere rettete. Diese grenzenlose Autarkie zieht mich bis heute an.

Die Illustrationen von Rolf Rettich haben sich mir tief eingebrannt, und haben meine inneren Bilder erheblich stärker geprägt als die Verfilmung. (Hat jemand noch den Schutzumschlag? Meiner war so schnell fort, dass ich mich nicht mal an ihn erinnere.)

Teig für Pfefferkuchen auf dem Boden ausrollen! (Ich lernte zwar erst viele Jahre später, was Pfefferkuchen ist, aber dass es sich um einen süßen Knetteig handelte, war mir klar.)

Kaffekränzchen AUF einem Baum – wie großartig war das denn? Nach einem Umzug in einen anderen Wohnblock stand mir endlich ein ordentlicher Kletterbaum zur Verfügung, in dem ich viel Zeit mit meiner Freundin Iris verbrachte. Wir versuchten auch Picknicks in Astgabeln sitzend, doch mangels einer größeren Fläche war das nicht entfernt so wunderbar, wie es auf diesem Bild aussieht.

Sogar Putzen konnte spaßig sein.

So hat man beim Lebenretten auszusehen: Singend, lachend, tanzend – nicht mit grimmigem Gesicht wie in all den Action-Filmen.

Alle Kinder auf einen Rollgriff im Süßigkeitenladen einladen – ein Traum.

Genau so hätte ich mich mit sechs, sieben Jahren bei freier Auswahl fein gemacht (minus Mieder – ich wusste nicht, was das war).

Auch dieses Schwungseil in den See: ein Traum. Tatsächlich kam ich erst als Studentin in den Genuss, an einem klitzekleinen See in der Nähe von Augsburg. Es war großartig.

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die Kaltmamsell

8 Kommentare zu „Tag 9 – Das erste Buch, das du je gelesen hast“

  1. Christian meint:

    Ich bin mir vollkommen sicher, dass ich den Umschlag noch habe, musste aber gerade festestellen, dass ich das Buch vermisse.
    Ich werde mal suchen und ein Foto nachreichen …

  2. fille meint:

    Ich liebe Pippi Langstrumpf.

    Als Erwachsene finde ich “Huckleberry Finn” etwas realistischer, was die Beschreibung eines vernachlässigten Kindes betrifft, aber das ist eine andere Frage.

    Ich kann mich nur an das erste Buch erinnern, IN dem ich gelesen habe. Es war ein grosses Märchenbuch mit goldenem Einband und vielen Bildern. Noch bevor ich in der Schule war, fing ich eines Tages an, darin zu lesen “Ein alter Bäsànbinder…” – Mami was ist ein “Bäsänbinder”?.
    ..das war der Anfang von Hänsel und Gretel

  3. Zeitlos meint:

    Oh! Das hatte ich auch – geerbt von einem älteren Cousin (ebenso wie meinen Tom Sawyer und Huckleberry Finn). Es war unter Garantie nicht mein erstes Buch – auch wenn ich mich nicht wirklich erinnere – aber ich habe es lange Jahre bei meinen Eltern im Schiff liegen gehabt und an verregnet Wochenenden immer und immer und immer wieder gelesen. Und – was ich aber erst später von meiner Pädagogik-Lehrerin gelernt habe – Pipi ist eines der wenigen feministischen Vorbilder in der Kinderliteratur: Alle anderen lustigen Rabaukan-Mädchen (Dolly, Pucki, Trotzkopf, Nesthäkchen et al.) werden alle in der Pubertät gezähmt und dann zu anständigen Hausfrauen, die ihren Männern treu ergeben sind.

  4. Nathalie meint:

    Auch ich lernte tatsächlich erst in der Schule das Lesen – und es hatte sich nicht negativ ausgewirkt. Immer noch eine große Leseratte.

  5. Tanja meint:

    Wunderschöne Fotos von dieser Ausgabe unserer Kindheit, ich hatte sie immer aus der Bibliothek. Vielen Dank!

  6. MonikaZH meint:

    eines meiner allerliebsten Bücher, noch heute. Genau dieselbe Ausgabe. Allerdings glaube ich auch ohne Schuzeinband. Aber blau war der, preussisch-blau, glaube ich mich zu erinnern.

  7. Petra_s meint:

    Tja, der rote Roller Klingeling kann da nicht mithalten in Sachen “starke Mädchen” und mein Harmoniebedürfnis verdanke ich bestimmt diesen ewigen Kindern von Bullerbü.
    Pippi, warum kamst Du so spät?

    Dafür lese ich heute noch Christine Nöstlinger, wenn ich im Flohmarkt was finde. *Schäm* und auch wieder nicht.

  8. Paul Jonas meint:

    Mein erstes Buch war auch von Astrid Lindgren, die Weihnachtsgeschichtensammlung “Pelle zieht aus”. Wir verbrachten im Harzgebirge den Winterurlaub und meine Vater las meiner Schwester und mir jeden Abend eine der Geschichten vor. Als ich dann im Sommer darauf endlich selbst lesen lernte, schnappte ich mir das Buch.

    Sollten sie jemals Ostfriesland bereisen, besuchen sie unbedingt die kleine Buchhandlung Harlekin. Frau Hinrichs verdanke ich, dass ich die meisten Klassiker auch tatsächlich in meiner Kindheit gelesen habe: Enid Blyton, Michael Ende, Astrid Lindgren, Hans Christian Andersen, Paul Maar, Tonke Dragt und später dann, mit 12, Tolkien. Doyle und Rowling. Ohne sie hätte ich vermutlich noch mehr TKKG-Bücher verschlungen als ohnehin schon und rückblickend wäre das schade gewesen.

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