Archiv für April 2011

Journal Donnerstag, 14. April 2011, Berlin-Ausgabe

Freitag, 15. April 2011

Mich freut besonders, wie viele sehr junge Leute ich auf der re:publica sehe. Ich hatte mich vorher ein wenig gesorgt, es könnten dort nur so alte wie ich herumlaufen, was ein unergiebiges Köcheln im eigenen Saft bedeutet hätte: Deren Interessen und Aktivitäten kenne ich ja schon. Aber nein, ich sehe sehr viele ganz andere Leute.

In die erste Wunschveranstaltung kam ich nicht. Es gibt nun mal nur ein paar größere Räume, und dieser gehörte nicht dazu: Schon 15 Minuten vor Veranstaltungsbeginn war er überfüllt. Nun gut, schwenkte ich um. Und wurde gleich mal mit Bloggerinnenbegegnungen belohnt.

Ausführliches Frühstück im Café, das hielt gut für den Rest des Tages. Auf dem Weg zurück überraschend einen ganz alten Bekannten getroffen, den ich schon länger kenne als das Web. Hier begann wieder der Reigen, den ich schon am Vortag so genossen hatte: Von einer Begegnung mit Gruppen geschätzter Bekannter, Plaudern und Diskussionen, über Veranstaltungsbesuche zur nächsten Begegnung. Die Themen gestern: Unternehmenskulturen, Erfahrungen mit Social Media Monitoring, Kulturpessimismus, ob eine langweilige Jugend zu Technikfreundlichkeit führt, Trotz und Elitarismus, die Haus-Mutti in der Coca-Cola-WG, mediale Unterstützung nach Gerichtsprozessen, Journalismus in London.

Köstliches Abendessen im aufregenden Cookies Cream, baden in der Gesellschaft dreier Bloggerinnen aus meinem engsten Zuneigungskreis.

Eingang zum Restaurant

Gurkengratiné mit Rettich, Pimms, Pimpernickel

Graupenstrudel mit Pilzen, grünem Spargel, Bärlauch

Schmandtarte mit Himbeeren

Anschließender Quittenschnaps Unter den Linden mit Blick auf Brandenburger Tor. Spaziergang zu selbigen, leider konnten wir nicht durchgehen wegen dichter Absperrungen (NATO-Sitzung, wir Münchner kennen das von der jährlichen NATO-Sicherheitskonferenz).

Besuchte Veranstaltungen am zweiten Tag:

„Wake the Blog – von Datenkraken und Internettätern“ von Sanja Stankovic und Carolin Neumann – ein Appell, gegen die negative Begrifflichkeit anzuarbeiten, die in der Öffentlichkeit meist im Zusammenhang mit Internetthemen verwendet wird, um ihr die manipulative Kraft zu nehmen. Ein wenig oberflächich, aber ein guter Ansatz, zumal die beiden Referentinnen die Brücke zum eben gegründeten Verein Digitale Gesellschaft schlugen, der genau diese Art PR betreiben muss.

„DAS ENDE DER WELT !!!!EINS!ELF!!!!! Schon wieder?“, Podiumsdiskussion zwischen Carolin Buchheim, Jens Scholz, Maike Hank und Konstantin Klein, geleitet von Bov Bjerg – anhand von Beispielen schilderten die fünf, welche Mechanik hinter Wutwellen im Internet steckt, und welche Auswirkungen sie haben, nämlich praktisch keine. Unversehens geriet das Gespräch auch zu Omma Krawuttke erzählt von Kriech-Nostalgie – die ich als Kriegsteilnehmerin ja zu gut nachvollziehen kann.

„Leaking Transparency, Whistleblowing und Journalismus“, Podiumsdiskussion mit Daniel Domscheit-Berg, Lutz Hachmeister, Peter Schaar, Horst Pöttker und moderiert von Jakob Augstein – es ging darum, ob die etablierten Medien auf diese neue Forum der Kooperation vorbereitet sind (hängt davon ab, ob sie in Konkurrenzmustern und Wettbewerbsmarkt denken oder ihre inhaltliche Verantwortung priorisieren), wie manipulationsanfällig die Leak-Plattformen sind, wessen Daten schutzwürdig sind, leider alles nur angerissen – jeder dieser Aspekte wäre eine eigene Veranstaltung wert gewesen.

„Corporate Journalism, neue Wege der digitalen Unternehmenskommunikation“ von Martin Lorber – zunächst war ich verdutzt gewesen, dass dieses Thema ausgerechnet in der Veranstaltungsreihe der Computerspieler auftauchte, doch Herr Lorber ist der PR-Chef eines Computerspielehersteller. Und führte am eigenen Beispiel vor, wie sich ein Unternehmen an einer heiklen öffentlichen Diskussion („Computerspiele als Gefahrgut statt als Kulturgut gesehen“) beteiligen kann, nämlich mit einem facettenreichen Fachblog. Ich war beeindruckt.

„Übermorgen TV“ von Holger Meier, Mario Sixtus, Isa Ostertag, Milena Bonse – die vier stellten vor, was das ZDF in allernächster Zeit an multimedialer Verschränkung zeigen wird, vom Elektrischen Reporter bis zu Fernsehspielen, die im Internet von den Zuschauern zu Ende gespielt werden. Ich bin schon sehr gespannt, ob sich dafür Interessenten finden.

„What‘s Happening? Love.“ Show mit Teresa Bücker, Nadine Lantzsch, Eva Horn – die mir wenig überraschend zeigte, dass in meinem Internet Dinge passieren, mit denen ich sehr wenig anfangen kann (was völlig in Ordnung ist). Ich war hauptsächlich mit der Frage beschäftigt, seit wann das Wort Date aktiv im Deutschen verwendet wird. In den frühen 90ern kannte ich es nur im englischen Sprachraum, diese Art hochoffiziellen Rendezvous war mir aus Erzählungen meiner Mutter vertraut, aber nicht aus meiner eigenen Generation. Vielleicht hatte ich es aber auch einfach nicht mitbekommen.

Journal Mittwoch, 13. April 2011, Berlin-Ausgabe

Donnerstag, 14. April 2011

Große Erleichterung, dass der Cappuccino in meiner Unterkunft annehmbar schmeckte. Denn vermurkste Espresso-haltige Getränke verärgern mich überdurchschnittlich: Ich reagiere auf Koffein empfindlich und kann mir deshalb nicht mehr als zwei solcher Getränke am Tag leisten, will ich nicht verzweifelt hibbelig werden und mich selbst noch weniger als sonst ertragen.

Und in dieser Unterkunft konnte ich auch ohne Frühstück buchen! Das ist inzwischen ja wohl die große Ausnahme: Im sehr schönen Anschlusshotel ging das nicht (werde es allerdings beim Einchecken nochmal versuchen). Mit mir als Nichtfrühstückerin machen Hoteliers ein gutes Geschäft, zumal zugleich der Milchkaffee / Cappuccino, also das Einzige, was mir neben einem Glas Wasser morgens wirklich Genuss bereitet, meist nicht im Frühstück enthalten ist und ich den eh extra zahlen muss.

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Im Friedrichstadtpalast lief ich glücklicherweise bereits bei der Anmeldung zur re:publica einer lange nicht gesehenen und hochverehrten Bloggerin in die Arme. Schon waren wir im eifrigen Austausch über Kommunikationskulturen und Mädchen in der Pubertät. Im Laufe des Tages ergaben sich Gespräche mit anderen Bloggern und Bloggerinnen unter anderem über Haare, Paarformen und Volkszählung, Präsentationscoaching, Sternerestaurants, Abgrenzung oder Vermischung von Online- und Offlineexistenz, wissenschaftliches Niveau im internationalen Vergleich, Unternehmenskommunikation und Internetkultur, Agenturen, Schnaps, nationale Bedingtheiten vom Unternehmensumgang mit Social Media.

Am späten Nachmittag nahm ich mir ein Stündchen Auszeit und stillte meinen Hunger in einer Trattoria um die Ecke – das erste Mal, dass ich völlig entspannt allein ein Restaurant aufsuchte. Salat mit gebratenem Schafskäse, Orangen und Walnüssen als Vorspeise, danach Spaghetti mit Muschelfleisch, Knoblauch, Kirschtomaten und Weißweinsoße, dazu ein Glas Vermentino, der mich sehr freundlich an den letztjährigen Sardinienurlaub erinnerte.

Besuchte re:publica-Veranstaltungen am ersten Tag:

– Eingangsrede: Design Thinking – eine lustlose Unternehmenpräsentation.

– „Geek Politics and Anonymous“ von der NYU-Anthropologin Gabriella Coleman – großartig in fachlicher Tiefe, Kenntnis der Materie, interessanten Beobachtungen sowie Schlussfolgerungen. Ich fand es aufregend, eine weitere Internetkultur kennenzulernen.

– „Von Lolcats bis Eisner-Award“ von Johannes Kretzschmar – ich mochte die Geschichte der Comics schon vorher gekannt haben (niemand ist unbeschadet 17 Jahre Partnerin eines Comic-Geeks), doch Jojo illustrierte sie mit eigenen Zeichnungen – und die sind hinreißend.

– „Latin America. Más internet, menos dictatura“ von Rosana Hermann und Vanina Berghella – ein sehr aufschlussreicher Überblick, wie das Internet in welchen lateinamerikanischen Staat zur Information und für Politik genutzt wird, von zwei Web-Vorreiterinnen (und ich genoss das Überlegenheitsgefühl, sowohl die englischen als auch die spanischen Ausführungen zu verstehen).

– „Jüngste Erkenntnisse der Trollforschung“ von Sascha Lobo – nettes Gepöbel am Anfang (wir Publikum seien doch eigentlich die echten und die wichtigsten Internetleute in Deutschland, aber so unfähig und so wenig sichtbar, dass den deutschen „erwachsenen Medien“ fast immer nur er, Sascha Lobo einfalle, wenn sie ein Statement brauchten), dann, aufgehängt an einem mittelbrauchbaren Modell, einige sehr schöne Beispiele, wie sich Trolle bekämpfen lassen.

– Powerpoint Karaoke – doch nachdem auch meine Sitznachbarin vor Müdigkeit umgekippt war, strich ich die Segel und fuhr nach zwei Präsentationen ins Hotel. Zumindest weiß ich jetzt genug über dieses Spiel, dass ich es mir zutraue.

Die Organsation der Veranstaltung beeindruckte mich wirklich – ich habe doch sehr im Hinterkopf, dass das hier fast ausschließlich auf persönlichem Engagement und Freiwilligkeit beruht. Danke! (Ja mei, dann wackelte das WLAN halt.)

Journal Dienstag, 12. April 2011

Mittwoch, 13. April 2011

Glücklicherweise verfüge ich über perfekte Verstellungskünste, die mich im Notfall wie die Ruhe selbst wirken lassen. Mein wahres Ich glich nämlich den Tag über dem sprichwörtlichen aufgescheuchten Huhn: Anreisetag zur re:publica!

Beim morgendlichen Kofferpacken stellt ich fest, dass mir die ideale Koffergröße für fünf Tage im kühlen Regen fehlt (eher traurig übrigens, mit Sommergefühlen für 7 Grad zu packen). Der erste Versuch mit einem kleinen Koffer (mit dem bin ich doch vor zwei Jahren sogar eine Woche nach Oxford gereist! allerdings in Sommerwetter) hätte ein Auslagern des Laptops erfordert. Und selbst dann hätte ich auf Handtuch (mögliches Schwimmen durch Berlin) und Strickjacke verzichten müssen.

Also doch die Familiengröße. Aber in diesem Fall wäre der Koffer nur halb gefüllt, und umherfliegenden Inhalt konnte ich dann doch nicht brauchen. Glücklicherweise entdeckte ich eine Stoffklappe mit Reißverschluss, mit der sich die eine Kofferhälfte verschließen ließ, und durch die halbierte Kapazität flog nichts mehr herum. Die Schmach großen Gepäcks (mein Ehrgeiz sucht sich die eigenartigsten Aktionsfelder) versuche ich dadurch auszugleichen, dass ich ja vielleicht in Berlin ein paar Schuhe kaufe und nun zumindest kein Transportproblem habe.

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Den Tag über nochmal meine Wunschveranstaltungen übersichtlicher zusammengestellt (die mir genehme Ansicht bekam ich nur über Kopien von Screenshots ausgedruckt), Detailverabredungen mit bereits persönlich bekannten und noch nicht bekannten Bewohnern meiner Ecke des Internets. Hierbei inneres Geflatter: Ich werde sie nicht finden! Sie werden mich nicht mögen!

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Dazwischen zum Orthopäden für ein Fußdruckmessen durch den Einlagenhersteller (knapp 30 Euro, selbst zahlen), um künftig bessere Einlagen zu bekommen. Dazu musste ich mehrfach auf eine verkabelte Fläche treten, die meinen Fußabdruck auf einem Bildschirm darstellte. In die anschließende gewohnte Abdruckform für die Einlage machte der Herr Abdruckaufnehmer zusätzliche Strichlein. Während des Ganzen ließ er sich erzählen, dass ich gerne und viel laufe, auch sehr gerne zu Fuß gehe. Nun bin ich auf die Superduper-Einlagen gespannt.

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Ereignisloser Flug im randvollen Flugzeug. Mir wollte nicht mehr einfallen, warum ich nicht schon ein paar Stunden früher angereist war – dann hätte ich nämlich eine Verabredung zum exzellenten Essen wahrnehmen können. (Ich tippe auf mein idiotisches Pflichtgefühl, möglichst lang im Büro Dinge zu erledigen, wenn ich schon die Verfehlung begehe, anschließend für drei Tage verschwinde.) So aber und mit der üblichen Verspätung (die Bahn wenn sich das leistete!) kam ich nachts an, ziemlich erledigt, auf Münchner Zeit eingestellt (Sie erinnern sich: 22.30 Uhr Nachtruhe) und konnte mich zu nichts mehr aufraffen als diesen Blogeintrag zu schreiben und lesend im Bett zu verschwinden.

Journal Montag, 11. April 2011

Dienstag, 12. April 2011

Schon wieder großzügig verteilter Muskelkater, da stimmt doch was nicht (bei jemandem, die seit vier Jahren ein- bis zweimal die Woche Krafttraining treibt und dreimal die Woche mindestens 90 Minuten Ausdauertraining). Ich probier’s mal mit deutlich höherer Proteinzufuhr, vorerst unter Umgehung von Pulvern.

Eine meiner Kolleginnen hat genug Sporterfahrung, dass ich sie um Rat bat:
„Vorher länger keinen Sport getrieben?“
Ich schilderte ihr also mein normales Bewegungspensum.
„Vielleicht einfach mal ausruhen?“
(Aber das tue ich doch fast den ganzen Tag: Sitzen, also ausruhen!)

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Nochmal ein Frühlingstag, dieser sogar mit Alpenblick.

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Hatte mir ja vorgenommen, um Vorstellungstermine bettelnde Agenturen hin und wieder auch dann anzusehen, wenn ich keinen Job zu vergeben habe (selbstverständlich mit offener Information, dass ich gerade keine Aufträge zu vergeben habe) – um mitzubekommen, was sich da draußen so tut. Gestern erstmals erlebt, dass diese Agentur dann zum Termin nicht auftauchte. Mein Anruf ergab: Sahen den Termin nicht als vereinbart an. Hm, ich hatte die Mail „Wir erwarten Sie also am XX.X. um XX Uhr bei uns“ mit Antwort „Wir freuen uns“ für deutlich vereinbart gehalten.

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Abends also tatsächlich das geplante Stündchen Sport bleiben lassen, ich wäre eh nicht rechtzeitig aus dem Büro gekommen.
Lesenreden über Es muss nicht immer Kaviar sein: Wir waren uns einig, dass uns der manierierte und viel zu viel zu lange Roman ermüdet hatte, dass die augenzwinkernde Pfiffigkeit und Mondänität sehr schlecht gealtert waren. Als Indiz reicht eigentlich der Anfang:

„Wir Deutschen, liebe Kitty, können Wirtschaftswunder machen, aber keinen Salat“, sagte Thomas Lieven zu dem schwarzhaarigen Mädchen mit den angenehmen Formen.
„Jawohl, gnädiger Herr“, sagte Kitty. Sie sagte es ein wenig atemlos, denn sie war fürchterlich verliebt in ihren charmanten Arbeitgeber. Und mit verliebten Augen sah sie Thomas Lieven an, der bei ihr in der Küche stand.

In diesem Tonfall geht es weiter, 548 klein bedruckte Seiten. Eher rührend: die Rezepte, die zwar elaborierte Anleitungen für raffinerte Soßen enthalten, in denen dafür Wurstnester und mit Kartoffelpüree vermischtes Corned Beef als „erlesene“ Speisen gelten.

Viel interessanter waren die Geschichten über Johannes Mario Simmel, die eine der Mitlesenden aus ihrer Zeit als Telefonistin im Münchner Vier Jahrezeiten der 70er Jahre auspackte. (Und ich hatte bereits ihr Rendezvous – so nannte man früher ein Date, liebe Kinder – mit dem berühmtesten Tenor unserer Zeit, von dem sie vor ein paar Monaten erzählt hatte, für das Highlight gehalten.)

Journal Sonntag, 10. April 2011

Montag, 11. April 2011

Beim morgendlichen Rollladenhochziehen festgestellt, dass da jemand in unserem Hinterhof schläft. Der mehrfach geflickte undd schmutzdunkle Schlafsack wies darauf hin, dass er öfter wild schläft.
Als ich eine Stunde später nochmal hinsah, war er weg.

Das erinnerte mich an eine morgendliche Begegnung vor vielen Jahren in Augsburg: Als ich aus meiner Wohnung trat, schlief jemand im Schlafsack direkt vor unserer Wohnungstür. Das wollte ich damals dann doch nicht.

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Amerikaner gebacken, ständiges Husten von den Ammoniakdämpfen des Hirschhornsalzes. Es ist schon ein Backerlebnis der besonderen Art, wenn man statt der gewohnten köstlichen Kuchendüften giftige Gase in der Nase hat.

Ich hatte schon lange nach einen Amerikanerrezept gesucht, das Amerikaner wie vom Bäcker ergibt. Denn meine Rezepte, das älteste von meiner Schulkameradin Babsi, ergeben zwar wohlschmeckendes Rührteiggebäck, aber keine echten Amerikaner (die übrigens in Augsburg Boxer heißen, aus bislang nicht zu eruierenden Gründen). Und da kam mir Bäcker Süpkes Rezept mit Hirschhornsalz, das nach der Wende sogar eine Zeit lang verboten war, gerade recht. Das Hirschhornsalz hatte ich am Samstag sogar erstaunlich einfach, nämlich im Reformhaus bekommen.

Leider schmeckten sie zwar deutlich anders als meine bisherigen selbst gemachten, aber langweiliger als meine gewohnten Bäcker-Amerikaner. Die Textur stimmte auch noch nicht ganz (unter anderem zu knusprig). Aber das Rezept könnte eine gute Basis für Weiterentwicklungen sein. Allerdings nur, wenn ich bis zum nächsten Mal den Ammonikageruch aus der Nase bekommen.

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Durch die Sonne zum Turnen geradelt, dort gestrampelt und gehüpft. Im Aufzug auf dem Weg nach unten Smalltalk mit einer Mitturnerin: „Jetzt können wir mit gutem Gewissen mittagessen,“ strahlte sie. Gratulation an die Abnehm- und Körperhass-Industrie: Die Gehirnwäsche ist perfekt.

Übrigens gibt es tatsächlich Turnerinnen, die Sonntagvormittag auf dem Bildschirm vor ihrem Ausdauergerät (Crosstrainer, Laufband, Stepper oder Rad) die Gottesdienstübertragung laufen lassen.

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Das Durchrechnen, auf welchen Tag ich das leidige Abbügeln des Bergs Sommergarderobe schieben könnte, ergab leider: Jetzt oder nie (wenn ich in zwei Wochen im Urlaub nicht nur Jeans und Pullis tragen möchte). Dafür bei offener Balkontür. Trotzdem war danach noch die eine oder andere Stunde Zeit für Lesen auf dem Balkon, für den Lesenredenkreis am Montag musste ich das dicke Es muss nicht immer Kaviar sein durchkriegen.

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Zum Abendessen Böfflamott vom glücklichen Limoges-Rind nach Schuhbeck (seine Rezeptautoren genießen schließlich einen ausgezeichneten Ruf). Schmeckte ganz vorzüglich.
Abschließend noch ein wenig Internetlesen, während der Münchner Tatort lief. Haben Sie Katja Bürkle von den Kammerspielen gesehen? Sie spielte die arbeitslose Mutter – großartig, oder?

Journal Samstag, 9. April 2011

Sonntag, 10. April 2011

Erlebnisreicher Isarlauf in Frühlingssonne:

Am Ausgang des U-Bahnhofs Thalkirchen kam mir ein greises Hutzelmännchen mit Bart entgegen, in abgewetztem Trainingsanzug, mit Baseballmütze und Rucksack. Wenige Meter vor mir blieb er stehen und sagte energisch, unterstützt von beidhändigem Hämmern: „Und trotzdem haben Sie einen sehr schönen Körper.“ Ich dankte verdutzt.
(Hallo Selbsthass? Hast du das gehört? Das „Und trotzdem“ war praktisch direkt an dich gerichtet. Der alte Mann hat in seinem Leben sicher genug gesehen, um das beurteilen zu können. Nein, komm mir nicht damit, dass das bloß ein Meschuggener war.)

Zwischen Schloss Schwaneck und Pullach haufenweise Pfadfinder, gruppenweise von Wölfling über Jupfi bis Pfadi (die heißen wirklich so). Deren Gruppenleiter mit Klemmbrettern in der Hand.

Das Foto, das ich nicht machen konnte:
Wölflingsgruppe (das sind die jüngsten Pfadfinder) in Neubaugebiet, auf irgendwas wartend im Sitzen und Stehen, ruhig plaudernd. Gegenüber vor einem ganz frischen und streng geometrischen Eigenheim, Garten noch völlig unbepflanzt, eine rosa Prinzessin, gerade mal Grundschulalter, Roller in der Hand, die mit verschämt gesenktem Kopf zu ihnen hinüberschaut, unverwandt, minutenlang.

Auf dem Rückweg, zwischen Großhesseloher Brücke und Tierpark, ein paar Radler. Und der junge Mann im schwarzen T-Shirt fasst gerade die Frage des Kindes vor ihm zusammen: „Wenn also ein Raumschiff Zeitbomben abwirft, ob die dann im Weltall explodieren.“

Ich bin zuversichtlich: Mit unserer Jugend heutzutage ist wirklich alles in Ordnung.

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Idiotenbrot gebacken, diesmal mit einem deutlichen Roggenmehlanteil.

Einkaufsrunde versorgte mich mit Sandalen, in denen ich auch länger laufen kann, mit Thai-Mangos und sonstigem Wochenendfutter.

(Hey, wenigstens sind es keine Treckingsandalen!)

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Nachmittag lesend auf dem Balkon. Möglicherweise haben wir eine neue Nachbarin: Seit einigen Tagen wohnt hörbar eine Krähe in den Kastanien, kräht dort und knattert. Gestern beobachtete ich sie dabei, wie sie die direkte Umgebung erkundete.

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Zu Artischocken und Knoblauchmajonese gab es die letzte Flasche Sauvignon Blanc von Paul Achs aus Gols. Zum Nachtisch die Mangos als Ragout mit schwarzen Schokoladentrüffeln.

Journal Freitag, 8. April 2011

Samstag, 9. April 2011

Morgentermin bei einem weiteren Orthopäden (die Geschäftsbeziehung zum vorherigen musste ich wegen unvereinbarer Arbeitsauffassungen aufgeben), um meine Fersenschmerzen vielleicht doch dauerhaft loszuwerden.
Leider sah er sich wirklich ausschließlich meine Füße an. Auf den Umstand, dass mich eine angeborene LWS-Skoliose insgesamt schief macht und möglicherweise für Fehlbelastungen beim Sport sorgt, musste ich ihn direkt hinweisen. (Ich brauche nicht mit dem Modewort „ganzheitlich“ herumfuchteln, um das seltsam zu finden.) Daraufhin empfahl er mir „Spiraldynamik“. Zahlt die Kasse nicht. Ein bisschen habe ich darüber herumgelesen, noch reichen mir die Informationen nicht, um die Hokuspokusgefahr ausschließen zu können. Wissen Sie Verlässliches darüber? (Nein, Erfahrungsberichte gehören für mich nicht in diese Kategorie.)

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In der Arbeit ein Kaltakquisiteur am Telefon, der IT-Lösungen dafür verkauft, dass Unternehmen ihre Botschaften und Presseinfos automatisiert „auch über Social Media-Kanäle verteilen“. Habe ihm also erst mal das Kommunikationsmodell Social Media erklärt – ich glaube immer noch daran, dass das Wissen darum die Welt verbessern könnte. Als er auf das Stichtwort Foren mit „auf Facebook?“ reagierte, auf meine Verneinung mit „also auf Xing“, gab ich auf. Noch nehme ich zwar kein Geld dafür, dass ich selbsternannten Social Media-Agenturen Social Media erkläre. Aber eine individuelle Erklärung des WWW unter besonderer Berücksichtigung der Userbeteiligung gibt es nur auf Termin und gegen Rechnung.

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Das Wetter wurde über den Vormittag hinweg immer schöner, bis alle Wolken fort waren und der Frühling sich zurückmeldete. Offene Trenchcoats auf der Straße, Strickjacken statt Mänteln, lächelnde Radler.

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Der Alptraum für uns Vollzeitangestellte: „Wenn plötzlich der Stuhl vor der Tür steht“, Jürgen Schönstein, ehemaliger Focus-Korrespondent in New York, erzählt, wie er ehemalig wurde.

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Im Tagesspiegel: Gender-Food. Noch mehr Material dafür, dass Geschlecht mehr konstruiert als angeboren ist.

(via Deefs Getwitter)

Weil wir gerade dabei sind. Wofür soll eigentlich „Männer und Frauen sind nunmal verschieden“ ein Argument sein?

Probieren wir doch einfach mal Varianten:
Junge und Alte sind nunmal verschieden.
Blonde und Schwarzhaarige sind nunmal verschieden.
Schwarze und Weiße sind nunmal verschieden.
Wein- und Biertrinker sind nunmal verschieden.
Schweden und Österreicher sind nunmal verschieden.
Frühaufsteher und Langschläfer sind nunmal verschieden.

Na und?

§

Doch mal wieder in der Muckibude vorbeigeschaut, danach beim Obst- und Gemüsehändler Artischocken für morgen und die ersten Erdbeeren der Saison (aus Italien, waren trotz Duft nur so lala) besorgt. Abend mit dem vermissten Mitbewohner (wir hatten ja die Woche über nicht viel voneinander) und den ersten Folgen The IT Crowd aus der vierten Staffel, die schon mal ausgesprochen wahnwitzig und ziemlich großartig sind.