Berliner Schmelz
Freitag, 18. November 2011Vielleicht sind Berliner ja nur zu Nichtberlinern derart herzschmelzend freundlich – mich zumindest kriegen sie bei jedem Besuch mit dieser ganz speziellen Fürsorge (mag sie auch manchmal knapp an der Distanzlosigkeit entlangschrammen).
Der Herr an der Theke des gesichtslosen Ibis-Hotels war beim Auschecken noch eher von der professionell freundlichen Sorte, individualisiert durch den Hauch von Berliner Akzent (der doch eigentlich ähnlich selten ist wie Bayrisch in München). Von da an kuschelte es immer mehr.
Der Taxifahrer setzte lediglich kurz zu einem Gespräch über das Wetter unter besonderer Berücksichtigung der niedrigen Temperaturen an, ließ mich dann aber die ganze lange Fahrt nach Tegel in Ruhe (eine Art der Fürsorge, die ich besonders schätze). Er unterbrach meine Selbstversunkenheit lediglich mit der Frage nach meinen Flugdaten, um mich, wie sich herausstellte, bis direkt vor die Tür zum Schalter fahren zu können.
An diesem Schalter saß die nächste Mother Goose, diesmal in Form eines jungen Mannes mit olivener Haut und scharfen Wangenbartkanten. Er berlinerte mich sanft mit süßen Nichtigkeiten nieder, half mir meine morgentapsig verwurschtelten Reiseunterlagen zu sortieren und fragte mich nach meinen Sitzplatzpräferenzen. Wie in Kino und Wohnung schätze ich eine schöne Aussicht, deshalb wünschte ich mir: „Am Fenster, vor dem Flügel.“ Mit großartiger Geste präsentierte er mir: „2A!“ Spätestens jetzt war ich am Dauerlächeln.
Das vertiefte sich beim Wiener Feinbäcker. Die gemütliche Frau hinter der Theke sprach schon wieder mit deutlichem Berliner Akzent. Nicht nur beglückwünschte sie mich zu meiner Frühstückswahl („Kirschschnecke“ – wir werden über den Unterschied zwischen Schnecken und Fladen sprechen müssen), empfahl mir aber gleich, mich reichlich an den Servietten zu bedienen: „Ist wunderbar klietschig, aber…“ Einen schönen Schmuckstein hätte ich da um den Hals, ob das mein Glücksbringer sei? Der Einfachheit halber bejahte ich und erfuhr, dass sie gerade angefangen habe, sich „mit sowas zu beschäftjen“. Wir schieden mit den besten Wünschen voneinander. Mein Lächeln war zu einem breiten Grinsen geworden.
Laut auflachen musste ich dann über den Kommentar des Sicherheitsmannes, der meinen Boarding Pass für den Flug nach München prüfte: „Ah, Badeurlaub.“
Aber glauben Sie alle gerne weiterhin, dass Berliner ein unfreundliches Volk seien.
Die Sitzplatzwahl zahlte sich aus: Atemberaubende Aussichten beim Anflug auf das sonnige München, umgeben von Nebelbänken. Leider raffte ich mich erst in den letzten Minuten auf, den Fotoapparat hervorzukramen.