Style
Dienstag, 31. Januar 2012Den Satorialist habe ich zwar schon sehr früh entdeckt, aber nicht selbst – eine frühe Bloggerin wies mich auf dieses neue und völlig andere Blog hin: Es zeigte einfach nur Fotos von interessant aufgemachten Menschen, die der Blogger auf den Straßen von New York sah. (Andererseits: Kann man im Web etwas selbst entdecken? Ist es nicht die Natur dieses Netzes, dass man auf Inhalte stößt, weil jemand andere zuvor darauf gestoßen ist und darauf hinweist?)
Mich hat dieses Blog geprägt. Die Menschen, die dieser Scott Schuman zeigte, kleideten sich nicht nach irgendeiner Mode (auch wenn hin und wieder Modeschöpferideen gespiegelt wurden), sie waren auch keine Models. Diese großen, kleinen, jungen, alten, manchmal sogar dicken Menschen1 kopierten ganz offensichtlich nicht die Aufmachung, die sie an Models gesehen hatte und deklinierten es auf ihre unmodellige Natur herunter. Sondern sie stellten sich und ihre Natur in dem Mittelpunkt, taten Dinge damit. Die Menschen auf den Satorialist-Bildern kleideten sich nicht mal nach den Kriterien hübsch und passend: Ich gestehe, dass ich zunächst oft wie meine Mutter auf die Fotos reagierte: Aber das passt doch gar nicht zusammen, wie schrecklich! Schnell aber erreichte mich der Zauber des Bruchs, der Anspielung, des Ausprobierens – um zu sehen, was dann passiert. Und ich begann selbst solche Tests: Wieso nicht die allerunpassendsten Ohrringe zu diesem Kleid? Wieso nicht Schuhe, deren Blau eben genau nicht dem Rock entspricht? Diese für mich neue Grundhaltung brachte das Element Kunst ins persönliche Spiel mit dem Aussehen.
Als Scotts Bilder auch als Buch veröffentlicht wurden – damals wurde er bereits lange von etablierten Medien als Fotograf auf der ganzen Welt engagiert –, schenkte ich es umgehend meiner Offline-Mutter: Ich wollte ihr diesen Kunstansatz nachvollziehbar machen.
Heute weiß ich, dass Scott Schumanns Aufnahmen das ganze Web, die gesamte Modebranche beeinflusst haben, dass er Streetstyle-Modebloggen mehr oder weniger begründet hat (ja, es gab frühere, aber nicht so einflussstarke). Wobei mir das englische Wort style mehr liegt als das deutsche Stil – vermutlich einfach nur, weil es sich zweisilbig spricht.
Besonders freue ich mich bis heute daran, dass der Satorialist männliche Eleganz in vielerlei Spielarten zeigt. Deshalb bin ich ganz begeistert, dass er 25 dieser eleganten Herren in einer wunderschönen Trattoria in Florenz zusammengebracht hat – und dass es davon einen kurzen Film gibt.
The Sartorialist: Lunch for 25 from The Sartorialist on Vimeo.
- irgendwann erklärte Scott, dass er gerne mehr dicke Menschen zeigen würde, doch die ließen sich meist nicht fotografieren [↩]