Archiv für Mai 2012

Lagunenlauf

Donnerstag, 10. Mai 2012

Weitere Überraschung in Venedig: Hier wird gejoggt, und nicht zu knapp. Dabei war ich nicht mal entfernt auf die Idee gekommen, Laufausstattung mitzunehmen, hatte ich doch nur Kanäle und schmale Gassen vor Augen. Andererseits hätte ich wissen müssen, dass echte Läuferinnen sich davon nicht schrecken lassen. Und so sah ich bislang zu jeder Tages- und Dämmerungszeit Menschen vor unserer Pension am Zattere entlangtraben.

Für mich als Nicht-Ortskundige wäre das allerdings ohnehin mühsam gewesen. Ein Blick auf den Stadtplan ergibt, dass ich für ein Stündchen Dauerlauf (drunter fange ich wirklich nicht an) höchstens 500 Meter ohne Kartencheck hätte laufen können, und dieses lange Stück ist das an der Pension liegende.

(Wetter immer noch sehr schön, Entdeckungen und Eindrücke reichlich. Nur die empfohlenen Speiselokale waren uns bislang zu weit von der Unterkunft entfernt, denn – eine weitere Erfahrung -: Schnell mal kommt man in Venedig nirgends hin.)

In a nutshell

Mittwoch, 9. Mai 2012

Na gut: Einen Ehrgeiz habe ich beim Fotografieren dann doch. Dieses eine Motiv zu erknipsen, das alles auf einmal an meinem Venedigerleben einfängt. Metonymisch oder/und allegorisch.
Versuch 1:

Es gibt zwei Arten von Städten

Mittwoch, 9. Mai 2012

“Es gibt zwei Arten von Städten,” zitierte meine Frau Mama, “1. Venedig, 2. andere Städte.” Wie bescheuert muss man sein, seit Jahrhunderten auf dem Wasser zu wohnen? Kanäle statt Straßen, Boote statt Busse – niedlich, aber durch und durch meschugge.

Doch SO schön. Und so viel davon. Nach 24 Stunden war ich immer noch nicht mit dem Foto-Flash durch: Da! Und da! Und dieses Licht! Diese Farben! Und ums Eck schon wieder eine zauberhafte Perspektive! Und das Detail! Oder diese Weite mit Glitzer auf Wasser und Palazzi im Hintergrund! So apart morbide! Jedes Ausrufezeichen ein Bild.

Dabei hatte ich mir eigentlich vorgenommen, den Fotoapparat so gut wie stecken zu lassen: In Venedig gibt es ganz, ganz sicher nichts, was nicht schon optimal fotografiert wurde.


ABER NOCH NICHT VON JEDER!

Also werde auch ich mit einer Ausbeute heimkommen, die selbstgemachte Kalender auf Jahre füllen könnte. Um Originalität heischende Kostproben:

Die schönsten Türklingeln, die ich je an einem Mehrparteienhaus gesehen habe.

Geschenktipps für meinen nächsten Geburtstag. (Sie müssen wissen, dass meine polnische Oma zu meinen Kinderzeiten eine aus Venedig mitgebrachte Plastik-Gondel besaß, elektrisch beleuchtbar. Ihr spurloses Verschwinden vor mindestens 30 Jahren habe ich bis heute nicht verwunden.)

Überrascht hat mich die Größe der Stadt. Ich war auf etwas Rothenburg-ob-der-Tauber-großes gefasst gewesen, nicht auf diese Strecken.
Gegessen haben wir schon die örtlichen Tapas bei Naranzaria ums Eck vom Rialto (dank Hande und ihrer superschnellen Liste mit Tipps direkt nach dem Heimkommen von der re:publica – Stockfisch könnte mich dann doch noch kriegen), getrunken dazu einen schönen duftigen Friulano, dessen leichte Putzmittel-Anklänge in der Nase ich bezeiten “mineralisch” zu nennen gelernt habe.

Erster Gruß aus Venedig

Dienstag, 8. Mai 2012

Bereits gelernt: Auch Wassertaxifahrer hängen den linken Ellbogen zum Fenster raus.

Der re:publica-Sommer in Berlin – Teil 2

Montag, 7. Mai 2012

Um die re:publica herum war auch noch eine Menge, auch das durch die Bank beglückend.

Unter anderem wegen konsequenten Sommers: Ich trug meine mitgebrachte Jacke exakt ein Mal und badete sonst in warmen Lüften.

Kleinmachnow kennengelernt. Zu meiner Überraschung brauchte ich für Brandenburg nicht mal ein Visum. Und meine Impfungen reichten.

Untergekommen war ich im Hotel Sarottihöfe und fühlte mich dort sehr wohl: Schönes Zimmer, tadelloses WLAN, Ausblick mit Grün, behagliches angeschlossenes Café.

§

Ein wundervoller Spaziergang vom Mehringdamm rauf zum Prenzlauer Berg, weil ich dort russisch frühstücken wollte. Ursprünglicher Plan war ein weiteres Schwimmen durch Berlin gewesen, doch mein Matschauge machte das unmöglich.

Berlin ist nicht mehr so groß wie bei meinen ersten Besuchen: Ich war nur eine gute Stunde strammen Schritts unterwegs. Wobei ich mir trotz Meiden praller Sonne einen kleinen Sonnenbrand holte.

Das Frühstück im Pasternak war ein großer Genuss.

Und weil ich mithörte, wie eine der Bedienungen es einem Gast empfahl, probierte ich bei dieser Gelegenheit Kwas (hatte ich bei Turgenjew kennengelernt): Russische Bionade, Geschmacksrichtung Malz. Schmeckte mir ganz ausgezeichnet.

§

Den Kreuzberg bestiegen, hinunter geschaut.

Abendessen im Freien mit einer lange geschätzten Bloggerin. Der Reis in Schmetterlingsform kündigte schon mal den Flausch der nächsten Tage an.

§

Ein Frühstück mit Bloggern an der Bergmannstraße – lieber nicht draußen und in der Sonne, da es dort viel zu heiß war. Vom legendären 1. Mai in Kreuzberg nichts mitbekommen.

Abendliche Pizza mit weiteren Bloggerinnen am Prenzlauer Berg, kurz nach dem Gewitter.

§

Wenn man Foodbloggern schreibt: „Und vor der Session treffen wir uns noch auf einen Kaffee, um alles kurz durchzusprechen“, kann es passieren, dass eine Mail mit Adresse eines Lokals zurückkommt, in dem man sich doch viel besser treffen könne, weil es dort sensationelle Snacks gebe. Merken: Foodies richten wirklich alles an Leckereien aus. Deswegen lieben wir sie.

In diesem Fall war das Lokal die Alte jüdische Mädchenschule in Mitte, genauer: das Mogg & Melzer.

Das Ruben Pastrami-Sandwich war tatsächlich sensationell, dazu freute ich mich an der Begegnung mit einigen weiteren Foodbloggern (bis aus Rom angereist!).

§

Abends nach der Poetry-Spam-Show noch zu zehnt zum Koreaner. Abenteuerlustig bestellte ich koreanischen fermentierten Reiswein. Das erste Gläschen war noch interessant, von da ging es schnurstracks Richtung widerlich.

§

Fühle mich immer noch verflauscht. Das Ausklingen der re:publica in meiner Twitter-Timeline und in den Blogs der Teilnehmer machte den Abschied etwas weniger abrupt. Dennoch würde ich gerne noch ein, zwei Tage den Eindrücken und Erinnerungen hinterher hängen. Was nicht geht, weil ich in ein paar Stunden nach Venedig aufbreche. Mal sehen, wie sich die Eindrücke dort mit denen aus Berlin vertragen. Ich berichte.

Der re:publica-Sommer in Berlin – Teil 1

Samstag, 5. Mai 2012

Keine Chance, dass ich diese fast sechs Tage Berlin in einem übersichtlichen Text zusammenkriege: Zu dicht, zu emotional, zu reich und wundervoll. In meiner Twitter-Timeline tauchte die ganze re:publica über kein einziger Nöl-Tweet auf: Entweder war die Veranstaltung also wirklich so hochklassig und gut organisiert, wie ich sie erlebt habe. Oder es war eine gute Idee, die Nöler letztes Jahr kurzerhand und dauerhaft wegen Vermiesung aus meiner Timeline zu schmeißen.

Einige Fragmente will ich zusammenwerfen, vor allem für mich als Erinnerung. Erst mal zur re:publica selbst.

§

Der Mensch ist einfach nicht besonders gut in Prognosen – das war ein Fazit, das Kathrin Passig im Abschlussvortrag der re:publica 2012 zog, in „Standardsituationen der Technologiebegeisterung“. Wäre mir das vorher so klar gewesen, hätte ich wahrscheinlich die Klappe gehalten, als ich am ersten re:publica-Tag um halb neunzehn, eine halbe Stunde vor Start, Johnny Häusler traf. Er fragte mich, wie die Leute wohl die neue Location aufnehmen würden. Unbesehen prognostizierte ich da nämlich drauf los: „Sie werden sie hassen. Menschen mögen keine Veränderung. Vorher war’s zwar scheiße, aber es war eine Scheiße, die sie kannten. Das hier kennen sie nicht.“
Ich hätte nicht falscher liegen können: Niemand, den und die ich traf, war nicht begeistert von der Station (die ich im Kopf immer noch deutsch ausspreche, auch wenn sie wohl wie das englische Wort für Bahnhof ausgesprochen wird).

§

Zunächst setzte ich mich zur Podiumsdiskussion „Unerhört: Digitale Barrierefreiheit und Partizipation im Netz“. Dort lernte ich unter anderem, in welchem neuen Maß das Web Behinderten ermöglicht, Kontakte zu schließen, in denen ihre Behinderung keine Rolle spielt. Dass allerdings schriftliche Sprachkompetenz eine Voraussetzung ist – für Gehörlose keine Selbstverständlichkeit.

Um mal das Beispiel des Podiumsdiskutanten Not quite like Beethoven zu nehmen: Dass Bloggerinnen bei einer persönlichen Begegnung mit dem Herrn tendenziell so reagieren

hat ganz sicher nichts mit dem Grad seiner Hörkraft zu tun.

§

Von Udo Vetter ließ ich mir erzählen: „Spielregeln für das Netz – sicher publizieren in Blogs, Foren und Sozialen Netzwerken“ – unter anderem, weil ich ihn noch nie persönlich gesehen hatte. Viele schöne Beispiele, viele Informationen.

Seinen Vortrag gibt es bereits bei Spiegel online zu sehen: Teil 1 und Teil 2.

§

Cindy Gallop hatte ich mit ihrem Thema „Make love not porn“ schon letztes Jahr in München gesehen, allerdings hatte sie nur 10 Minuten gesprochen. Diesmal holte ich mir die Langfassung ihrer Ausführungen: Gerade weil immer mehr Menschen mit Pornografie als Hauptinformation über Sex aufwachsen, müssen wir über echten Sex sprechen – mehr oder überhaupt. Ich empfehle ihre Website Make love not porn, auf der Porno-Stereotypen der „real world“ gegenübergestellt werden.

Cindy Gallops Vortrag auf der re:publica können Sie ebenfalls bei Spiegel online nachholen.

§

Abends sprach Sascha Lobo vor knallvoller Bude zum Stand des Internets. Nachdem er vergangenes Jahr sein Publikum beschimpft hatte, weil es nichts bewegt, bekam es diesmal die ganze Flausch-Breitseite ab. Holen Sie sich die Details und Lobos kluge Bestandsaufnahme (u.a. Was machen Ihre Kinder eigentlich da auf YouTube?) bitte bei Spiegel online.

§

Den zweiten Tag der Konferenz hatte ich ja eher selbst bestritten, am dritten konnte ich wieder anderen zuhören.

In der Podiumsdiskussion „Copyriots! Der Kampf der Kulturen“ gab es zwar nicht viel Neues zum Thema Urheberrecht (das Publikum wollte über die Gema sprechen, die hatte aber schon wieder abgesagt), doch ich hörte ein paar interessante Details und freute mich an Johnny Häuslers Moderation.

§

Felix Schwenzel belegte in „soylent green, äh, the internet is people!“ unterhaltsam, dass die Dichotomie virtuell/real gar nicht existiert.

§

Spannend fand ich „Social Media Nutzung der Bundesregierung – Ein Interview mit @RegSprecher“. Steffen Seibert war unterhaltsam und informativ. Was ich lernte: Wenn ein Medienmensch nur freundlich und sympathisch genug wirkt, darf er sogar konsequent von „Netzgemeinde“ sprechen, ohne dass ihn die Angesprochenen dafür ausbuhen. Der Mann ist halt Fernseh- und Medienprofi – und diese Erfahrung stellt er derzeit in den Dienst der Regierung. Ich habe schon ein paar Spitzenjournalisten auf die Unternehmenssprecherseite wechseln gesehen: Der Mechanismus ist derselbe.

§

Kathrin Passig sprach den Rausschmeißer „Standardsituationen der Technologiebegeisterung“ – das Gegenstück zu ihrem „Standardsituationen der Technologiekritik“. Gemerkt habe ich mir, wie eingangs zitiert, dass Leute, die nicht beruflich dazu gezwungen sind, das mit den Prognosen besser sein lassen, wenn sie nicht kurz darauf dumm dastehen wollen.

§

Ich empfehle die Zusammenfassungen von Anke Gröner und dasnuf.

§

Übrigens: Auf der letzten Folie unseres Auftritts „Poetry Spam“ (in der ZDF-Mediathek gibt es die Schlussnummer zu sehen) zeichneten wir mit unseren Twitter-Accounts. Das war irreführend, denn nun bekomme ich dort Dutzende Follow-Anfragen. Mein Twitter-Account ist aber nicht öffentlich, und das möchte ich vorerst so beibehalten. Deshalb bitte ich um Verständnis, dass ich nur die Anfragen von Menschen freischalte, vor denen ich mich ganz subjektiv in keiner Hinsicht fürchte.

Vollverflauscht

Freitag, 4. Mai 2012

(In einer kleinen Weile werde ich dieser neuen Verwendung des Wortes “Flausch” überdrüssig sein, doch noch finde ich den Begriff ausgesprochen nützlich. 2012 – das Jahr des Flauschs?)

Ein paar Tage werde ich schon noch brauchen, um den gestrigen zu verarbeiten. Die nachmittägliche Podiumsdiskussion zu Foodblogs hat mich so gefreut: Die Experten auf der Bühne ließen sich meine Fragen gefallen, spielten mit und glänzten mit Expertise, das Publikum war a) reichlich, b) aufmerksam, c) freundlich und kooperativ. Es machte ungeheuer Spaß, in dieser Umgebung zu moderieren.

Weil ich bis zum Ende dieser Diskussion beschäftigt war, musste ich die detaillierte und liebevolle Ausarbeitung der abendlichen Show “Poetry Spam” fast gesamt den anderen drei Damen überlassen. Und allein schon der Probelauf in der Speakers Lounge (gutes Essen, aufmerksames Personal, ganz viele Steckdosen) war eine Riesengaudi. Die regelmäßige, lautstarke und ungerührte Verwendung der Wörter “Penis”, “Titten” und “ficken” mag dort sonst nicht üblich gewesen sein – aber wir haben ja nur zitiert.

Kurz vor Auftritt mein bisheriges Lieblingsbild dieser Tage (die ja noch nicht um sind):

Die vier von der Spamstelle.

Und zu unserer großen Erleichterung hatte auch das Publikum eine Gaudi. Das fühlte sich scheißegut an.

In den letzten Jahren gingen die meisten Vorträge und Shows in den Tagen und Wochen nach der re:publica nach und nach online. Ich versuche aufzupassen und Ihnen Bescheid zu geben, wenn und wann Sie das Foodblog-Panel und die Spam-Show nachholen können.

Ein dreifach Hoch! Hoch! Hoch! auf die Organisatoren und die Unmengen freiwilliger Helfer, die für jeden Handschlag da sind, die auch kurzfristigste Sprecherwünsche erfüllen, die Ruhe, Routine und Wertschätzung verbreiten, zu Schabernack bereit sind, souverän bei Problemen auch Hilfe anderer Teilnehmerinnen annehmen, die, unterm Strich, für die professionellste aller familiären Atmosphären sorgen.

Das Problem mit dem WLAN beginnt mich langsam ernsthaft zu interessieren. Ich gehe davon aus, dass die Veranstalter alles, wirklich alles getan haben, um genau das zu verhindern: Dass es auf dem größten Internet-Klassentreffen schon wieder keinen Internet-Zugang gibt. Den Teilnehmerinnen mit deutschem Mobilfunkvertrag half der Schritt zur Seite, sie nutzten ihre Smartphones. Doch Last-Minute-Basteln oder das immer weiter verbreitete Arbeiten in Google Docs ging halt nicht. Und die Besucher aus dem Ausland standen vor der Entscheidung, ein Mehrfaches des Teilnahmebeitrags in Roaming zu investieren oder ganz auf die gewohnte Onlineität zu verzichten. Mag da nicht mal jemand eine hübsche Diplomarbeit draus machen? Oder sein Meisterstück basteln?