Spülmittel (und ein Exkurs über Geschäftsberichte)
Sonntag, 23. Februar 2014PR-Veranstaltungen sind privat ja nicht so das Meine. Auch nicht, wenn es um Kochen und Essen geht – es gibt inzwischen genug Foodblogs, die sich auf Teilnahme an und dankbare Berichterstattung über PR-Veranstaltungen spezialisiert haben.
Doch diese Einladung kam über kpunktnull, die Beratungsfirma von Thomas Knüwer – da wollte ich dann doch mal wissen, was sich seine Mannschaft für den Großkunden Henkel so ausgedacht hat (das Projekt für dessen Marke Schwarzkopf war ja ein ganz großes).
Außerdem sollte es um Spülmittel gehen. SPÜLMITTEL! Das konnte doch nur im besten Sinne wahnwitzig werden.
Dass es nicht nur für das Goutieren von Fiktion Suspension of disbelief braucht, sondern auch im Marketing von Markenprodukten – darüber sind wir uns ja wohl einig. Aber wenn ich Nerds respektiere, die jedes Detail der Verlagsrivalität zwischen Marvel und DC im Lauf der Jahrzehnte aufsagen können, respektiere ich auch Spülmittel-Nerds.
Die Geschichte der Spülmittelwerbung ist reich an Ikonen und Topoi. Wir erinnern uns entzückt an Tilly, Palmolive und “Sie baden gerade Ihre Hände darin”:
http://youtu.be/dRznUl4di8A
Wie wunderbar hätte man wiederum mit “Während Villariba schon feiert, wird in Villabajo noch geschrubbt” den Deutschen die korrekte Aussprache des spanischen “ll” beibringen können! (Pst, wie das deutsche j.) Aber es ging dann doch nur um Fairy Ultra.
http://youtu.be/B37JGubAcSU
Sehr ikonisch auch: die Prilblumen.
Gleichzeitig konnte ich mir nicht recht vorstellen, dass sich mit Spülmittel viel Geld machen lässt. Und überhaupt: Wie verkloppt man Spülmittel? Um das zu überprüfen, schaute ich in den Geschäftsbericht von Henkel.
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Exkurs über Geschäftsberichte. Henkel hat vergangenen Freitag den Geschäftsbericht für 2013 veröffentlicht – ich gratuliere dem Team, denn ich kenne die Anstrengung dahinter. Deswegen weiß ich auch, wie sehr es sich lohnt Geschäftsberichte zu lesen, wenn man etwas über ein Unternehmen oder auch nur Unternehmensbereiche herausfinden möchte. Je börsennotierter, desto mehr.
Der Konzernabschluss mit seinen Zahlentapeten und seinem Bilanzdeutsch mag für die Laiin zu speziell sein, aber im Lagebericht finden sich immer interessante Aussagen und Beschreibungen. In den vergangenen Jahren haben sich die Firmen immer mehr um verständliche Sprache bemüht, gleichzeitig unterliegt der Inhalt des Lageberichts strengen Regeln, für deren Einhaltung externe Wirtschaftsprüfer sorgen – das verhindert Marketinggeschwurbel.
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Henkel Geschäftsbericht 2013 also. Spülmittel gehören zum Unternehmensbereich “Laundry and Home Care”. Und der hat auch im vergangenen Jahr wie schon 2012
28 % des Gesamtumsatzes erzielt. Nicht schlecht für Spülmittel. Zur Marktentwicklung 2013 ist von “einem weiter intensivierten Preis- und Promotionswettbewerb” die Rede (nein, keine Doktortitel, sondern Verkaufsaktionen).
Unter “Geschäftstätigkeit und Strategie” findet sich:
Erfolgreiche Produkteinführungen leisteten auch im vergangenen Jahr einen bedeutenden Beitrag zur positiven Geschäftsentwicklung. Im Jahr 2013 ist es uns gelungen, unsere Innovationsrate auf 45 Prozent auszubauen.
Durch die zentrale und effiziente Steuerung des Innovationsprozesses sowie durch vertiefte Einblicke in die Kaufgewohnheiten der Konsumenten können wir Verbrauchertrends schnell erkennen, aufgreifen und beschleunigt in neue Produkte umsetzen.
Na gut, doch ein wenig Geschwurbel. Ich übersetze: Wir haben mehr verkauft, weil wir zum einen herausgefunden haben, dass die Leute lieber immer wieder neue Produkte kaufen, weil wir zum anderen herausgefunden haben, welche neuen Produkte sie am liebsten mögen und weil wir dann eine ganze Reihe solcher neuen Produkte angeboten haben. (Könnte das ein Job für mich sein? Deutschsprachige Geschäftsberichte ins Deutsche übersetzen?)
Genau das erklärte mir auf der PR-Veranstaltung dann auf meine Fragen die Marketingfrau dieses Henkel-Bereichs, Bettina Klinken. Sie überging geduldig meine Frotzeleien und bestätigte genau dieses: Spülmittel verkauft man mit immer neuen Varianten, zum Beispiel neuen Düften. Ich sprach sie auch auf das teure Spülmittel in Form einer lila Blume mit der Aufschrift “Sommernachtstraum” an, das ich im Drogeriemarkt entdeckt hatte (die Einladung hatte mich dazu gebracht, tatsächlich mal andere Spülmittel als die Hausmarke in wahlweise durchsichtig oder grün anzusehen; und ich hatte die Flaschen umgedreht, um herauszufinden, welcher Konzern dahintersteckt). Bettina Klinken korrigierte mich: Das war eine Schmetterlingsform, keine Blume. Und tatsächlich eine weitere Aktion, diesmal auf der Basis von besonders gestalteten Flaschen. Die interessanteste Information war für mich: Das funktioniert, die Leute springen tatsächlich darauf an. Frau Klinken berichtete, dass diese Aktion einen enormen Erfolg gehabt habe, dass Kunden oft diese besonderen Flaschen aufheben, ausspülen und wiederverwenden, weil sie auch in der Küche etwas Schönes stehen haben wollen. Aber sie betonte auch: “Die Qualität muss natürlich stimmen.”
Was mich elegant zum Thema des Abends bringt: Die neue Variante des Spülmittels Pril. Das ist nämlich die Lösung für ein Problem, von dem ich gar nicht wusste, dass man es beim Abspülen haben kann: Stärke. Eine lustige Präsentation brachte uns bei: Tenside lösen Fett, um Stärke kümmern sich Enzyme.
Mit eben dem winzigen Haken, dass ich noch nie Schwierigkeiten hatte, Stärke abzuspülen – löst sich das nicht einfach in Wasser? (Nein, wohl nicht – wie habe ich das bislang bloß geschafft?)
Mein Hauptgegner beim Spülen ist Mozzarella als Überbackungskäse. Nein, nicht allgemein Käse, sondern ganz konkret Mozzarella. Den ich auch nach vielen Stunden Einweichen nur mit Hammer und Meißel von der Auflaufform entfernen kann, sprich mit physischer Gewalt.
Ich habe mit Bettina Klinken von Henkel verabredet, dass ich ihr Spülmittel auch dagegen testen werde und das Ergebnis berichte.
Zur Promotion (hihi) des neuen Spülmittels gab es also ein Kochevent, zu dem Journalistinnen und Bloggerinnen eingeladen waren.
Wir kamen in den Genuss der gesamten Marketing-Breitseite für das neue Produkt:
– Aufwendig produzierte Einladung (verschickt in einem Paket mit einem Kartoffelkuchen im Weckglas).
– Gemeinschaftskochlocation mit einem Kochteam, zu dem jemand gehörte, den man wohl aus dem Fernsehen kennt, wenn man Kochsendungen ansieht: Graciela Cucchiara (ich vermute, das war die karottenrothaarige Frau mit 3D-Film-Brille, weil sie grüßende Worte sprach).
Es war alles so vorbereitet, dass die Gäste ein wenig mitkochen konnten – ich war beeindruckt, wie passgenau organisiert war, uns die Illusion der Mitarbeit zu geben, ohne dass wir ein Gericht wirklich verderben konnten. Ich durfte einen Teil von bereits gerösteten Mandelstiften hacken – der andere Teil war bereits gehackt und wurde mir als Vorbild gezeigt. Ich durfte auch bereits geschälte Zwiebelhälften hacken und zu den bereits gehackten in die Schüssel geben. Es war ein bisschen wie Kindergeburtstag, aber nicht im schlechten Sinn.
– Gutes Essen.
– Ein junger Wissenschaftler erklärt die Funktionsweise von Spülmittel in Witzig (die Presseinfo war sachlicher).
– Cake-Pops in Logo-Form zum Nachtisch.
Charmantes Detail: Das Team von Henkel berichtete, dass ihre Firmenzentrale in Düsseldorf eine eigene Konditorei hat, in der auch ausgebildet wird. Und die hatte diese Cake-Pops hergestellt.
– Zum Mitnehmen Gewürze aus der Kochlocation, eine Flasche Spülmittel, noch ein Cake-Pop, und ein USB-Stick in Logo-Form mit einem Texterinnentraum an Spruch vorn drauf.
Zusammengefasst: Schöne, runde Geschichte. (Spülmittel, tse.)
Nachtrag 26.2.2014: Einigen Bloggerinnen ist wohl ziemlich aufgestoßen (unter anderem Ulrike), dass die Einladung in Paketform verschickt wurde. Liebe Marketing- und PR-Menschen: Das bedeutet für normal arbeitende Menschen, dass sie zum Abholen am Feierabend oder am Wochenende zu einer Ausgabestelle fahren müssen. Glauben Sie mir, dass macht die Absender sehr schnell sehr unsympathisch. Ich hatte einfach das Glück, dass der Mitbewohner beim Eintreffen des Pakets gerade daheim war.