Journal Dienstag, 2. Dezember 2014 – “so’n Tier”

Mittwoch, 3. Dezember 2014 um 7:45

Nach dem morgendlichen Langhanteltraining vom Vorturner “so’n Tier” geheißen worden, als Begründung, warum er mich für die Kniehaltung bei den Liegestütz rügte: “Da is sie sonst so’n Tier, und dann macht’se Liegestütz in Schonhaltung.”
Habe ihm gestanden, dass ich wegen des eingeklemmten Nackennervs Angst habe, auf die Schnauze zu fliegen. Da nahm er seine Rüge zurück. Aber ich könne doch daheim ein bisschen üben?

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Bürotag.

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Spot the Christmas.

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(Selbstverständlich ist das ein gut getarntes Raumschiff, dass bei Bedarf aus seiner Halterung herausbricht und die Eingeweihten hinfort trägt. Wenn ich nur wüsste, wie ich mich um einen Platz bewerben könnte.)

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Aushäusiges Abendbrot mit einem Menschen aus dem Internet, danach noch ein Drink in einer rustikalen Hotelbar, die mich ein wenig daran erinnerte, wie wenig ich Skiurlaub vermisse (Skifahren selbst ist was anderes).

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Auf diesen Artikel wies mich der Mitbewohner hin. Ein englisches Paar tut, wovon ich seit Jahren träume: Sie klagen ihr Recht auf das britische Pendant zur eingetragenen Lebenspartnerschaft ein. Was ich nicht tun kann, weil ich halt schon verheiratet bin, und mich extra dafür scheiden zu lassen, fände ich albern.

“Couple launch legal challenge against ban on heterosexual civil partnerships
Rebecca Steinfeld and Charles Keidan launch judicial review after trying to hold ceremony at town hall and being turned away”

Meine Idee dahinter: Auf diesem Weg die wirkliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Ehen erreichen (um dann das gesamte herkömmliche Konzept Ehe neu zu verhandeln). Das britische Paar hingegen argumentiert anders, aber für mich gut nachvollziehbar:

They believe marriage represents a malign past. “We see ourselves as partners,” Steinfeld said, “and we are seeking a social institution that will express how we see each other. In terms of giving us legal rights and responsibilities, a civil partnership is almost identical to marriage.

“Our objection to marriage is partly to do with its history, a union in which women were exploited for their domestic and sexual services. There are still sexist trappings to weddings: there’s only space for the father to sign on the registry form.”

Keidan added: “It’s almost about the social expectations of marriage: the father giving away his daughter to the groom, hen and stag events, the virginal white dresses. That’s not the type of relationship we want.”

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“Colorandi causa” – Ich nehme hiermit jeder Juristin in meiner persönlichen Bekanntschaft übel, dass sie mir dieses so leicht einflechtbare Bröckerl Poser-Latein bislang vorenthalten haben.

Quelle:
Udo Vetter hat privaten Ärger mit der Polizei – “Gewisse Hybris”.

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Ich mache praktisch nie Hipsterwitze, weil sie zu einfach sind. Außerdem habe ich großen Respekt vor haltlosem Sich-zum-Hirschen-machen. Aber hierüber lachte ich dann doch:
“Selbst für HIPSTER gibt es Grenzen! 18 Fotos die zeigen, was deutlich ZU HIP ist!”

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Aus Anlass wies mich ein Twitterer auf diesen Kabarettausschnitt hin, eine höchste berechtigte kulinarische Ereiferung. Dass darin Hüschs “Bäcker von Beumelburg” zitiert werden, ist kein Zufall: Auch Hüsch konnte sich ja ähnlich kulinarisch ereifern, zum Beispiel in “Muscheln essen”.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
http://youtu.be/rfAYPP8RtVw

via Felix M

Hier zum notfälligen Nachholen: Hanns Dieter Hüschs “Bäcker von Beumelburg” (eine schlanke Fassung, meine Aufnahme enthält deutlich mehr Erzählgirlanden, u.a. “Seht, da kommt Dietrich der Genscher!”).

http://youtu.be/C3Lp2yYezbE?t=1m22s

Wenn Sie darauf achten wollen: Im Publikum neben Reinhard Mey unter anderem ein quietschjunger Günther Grünwald, der zu dieser Zeit vermutlich noch seinen Plattenladen in der Sauerstraße hatte.

Und um auch diese Lücke zu füllen: Hanns Dieter Hüsch, “Muscheln essen”, allerdings nur Ton (es kommen darin auch Burt Lancaster und die Medici vor).

die Kaltmamsell

19 Kommentare zu „Journal Dienstag, 2. Dezember 2014 – “so’n Tier”“

  1. Sebastian meint:

    Die spinnen, die Briten. Mit der Konsequenz der Kaltmamsell – gute Idee. Meine wäre, Staat und Standesamt “schleich Dich” zu sagen bei der Heirat und nur in die Kirche zu gehn, weil die habens erfunden. Aber die Steuervorteile, das Erbrecht, die Kinder? Lassen wir das erstmal. Viel interessanter wird die Diskussion bis Rechtsstreit, dass die Kirche uns ihr Ding auch machen lässt ohne Staatshilfe. Und schon sind wir auch bei “um dann das gesamte herkömmliche Konzept Ehe neu zu verhandeln.”

    +

    Das Raumschiff ist der Nikolausschlitten. Ich glaube, die suchen noch einen Krampus. Mehdorn weiß bestimmt noch, wo man sich bewirbt.

  2. Dentaku meint:

    Oh ja, für mehr Hanns Dieter Hüsch.

    (Das Hackerbrückenufo sieht aber extrem vergammelt aus. Ob das noch funktioniert, wenn es mal gebraucht wird?)

  3. adelhaid meint:

    ich find das nicht schlecht. civil partnership für alle. aber nur, wenn eben auch die kinder, das erbe usw usf und so.
    die westlichen nachbarn haben ja dieses hier: http://en.wikipedia.org/wiki/Samenlevingscontract
    der schwager hat sowas mit seiner freundin gemacht, als sie ihr haus kauften, damit die bank zwei leute an der kandarre haben kann, wenn es um die zahlungen geht.
    wird wohl auch gerne in WGs geschlossen, wenn man das eigenheim kaufen möchte.

  4. die Kaltmamsell meint:

    Dass die Kirche das Heiraten erfunden hat, Sebastian, ist eine ziemlich steile These – oder meinst du allgemein Religionen? Selbst dann: Zivile Verträge als Basis von Familien sind sehr alt. Deshalb bevorzuge ich ja eine pragmatische Herangehensweise, die alle gleich stellt.

    Das niederländische Modell finde ich großartig, adelhaid, dahin gehen auch meine Wünsche: Vertragliches füreinander und für Kinder Einstehen in Lebensgemeinschaften – unabhängig von Sex. Ich kenne zwei Hetero-Freundinnen, die Jahrzehnte lang zusammen lebten, in der gemeinsam gekauften Wohnung. Und die ihre Lebenspartnerschaft nach der schweren Erkrankung der einen eintragen ließen, um einander abzusichern. Warum sollte das nicht jeder und jede machen können?

    Ich glaube, Dentaku, dass die regelmäßig Funktionschecks durchführen. Im Schutz des Lärms vorbeifahrender Züge und S-Bahnen.

  5. Sebastian meint:

    Ja genau, kaltmamsell, ich meinte Religionen und da erstmal die Naheliegendste, um das nicht zu verkomplizieren – ich würde bei der halt anfangen. Dass es auch so steil ist, sollte eine schnelle Klärung bringen. Hat fürs erste geklappt. Und auch da bleibt die Frage: Was gehts den Staat an?

    Und: Warum mehr Regeln statt weniger? Warum sollten die zwei Freundinnen nicht einfach selbst etwas aufsetzen können, das alleine gilt fürs Erbe, die Klinik, die Familie, ohne bürokratischen Überbau? Zu unsicher, öffnet Lug und Trug Tür und Tor? Das Leben ist eines der gefährlichsten.

  6. die Kaltmamsell meint:

    Ich sehe das als wichtigen Teil der Rechtsstaatlichkeit, Sebastian, dass es einen verlässlichen und einklagbaren Rahmen für Lebensgemeinschaften gibt. Wie viel Raum darin für individuelle Vereinbarungen gibt, ist verhandelbar.

  7. Nicole meint:

    Echauffiere nur ich mich über die Tier-Ansprache? Und falls ja: wieso?

  8. die Kaltmamsell meint:

    Oh, dann habe ich das missverständlich beschrieben, Nicole, oder mit zu wenig Kontext: Zum einen entsprach die Sprechweise des Vorturners eher einer Ballettstunde, gerade mal, dass er nicht mit der Hand wedelte. Und dann drückte das “Tier” nach meiner Wahrnehmung vor allem das Fehlen jeder Zimperlichkeit aus – und so sehe ich mich nur allzu gerne (for better or worse).

  9. Nicole meint:

    Ok. Ich rege mich wieder ab und bleibe, wo ich bin.

  10. Ulla meint:

    Sehe das Tier auch eher als Kompliment. Mir haben mal zwei Italiener in Mailand ‘brutta bestia’ nachgerufen…😜 Ich nahm es als Kompliment!

  11. Sebastian meint:

    In meinem ersten Jahr in München hab ich noch einen Schreck bekommen, als die Metzgerin “So, jetzt kommens her da” gesagt hat, aber sie wollte mir nur freundlich die Wurst geben statt das Leben nehmen. Inzwischen sind Tier, Hund, Sau als Kosenamen gewohnt, auch von eingesessenen Außerbayerischen (wg. “So’n Tier” statt “So a Tier”). Aber Tier ist doch überall eher zugeneigt, oder?

    Und wenn der Rechtsstaat so eine selbstgetroffene schriftliche Vereinbarung ohne Hinsehen auf die Konstellation und entsprechende Beglaubigung akzeptieren würde, kaltmamsell? Wäre das nicht zusätzlich zur Rechts- auch noch Selbstsicherheit?

  12. Jutta meint:

    In Frankreich gibt es den “pacte civil de solidarité” (PACS), einen zivilen Solidaritätspakt für unverheiratete Paare, egal ob homosexuell oder heterosexuell.

  13. Micha meint:

    Ich lese mir heute aus dem Potpourri das Wort *Erzählgirlanden* heraus – und freue mich schon, bei nächstbester Gelegenheit darauf zurückzugreifen!

  14. Susann meint:

    YO, Sie TIER! (oder auf gut Bayerisch “Viech”) Das war ja wohl ein Spitzenkompliment erster Güte, Wahnsinn. :-)

    Ich bin von Herzen bei den Briten, hätte auch lieber eine eingetragene Lebenspartnerschaft und es ärgert mich ungemein, dass da sin Europa in vielen Ländern NULL Problem ist, nur hier mal wieder…weil KircheEheCSU schätz ich mal.

  15. lihabiboun meint:

    Oh was für ein KOMPLIMENT, Sie Tier (aka: gestählt, mit Durchhaltevermögen und Muskeln und übahaupz, gell!!!) Colorandi causa – warum lernt man sowas nicht im Lateinunterricht?? Super! Danke.

  16. adelhaid meint:

    es ist ja nicht unbedingt nur der rechtsstaat, lieber sebastian, der eine solche abmachung zwischen zwei menschen akzeptieren müsste, sondern es ist meist doch eher die familie, die der einen oder anderen person, die große schwierigkeiten mit solchen abmachungen haben kann. und dann ist es halt schön, wenn man sich, ggfs. erstarrt vor schmerz und trauer, nicht mit der anderen buckligen verwandtschaft herumärgern muss, sondern ein papierl hochhalten kann und sagen kann: talk to the paper, the face is not listening.

  17. Tim meint:

    Das fängt doch schon beim Erbrecht an. Berliner Testament, sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und den Pflichtteil von Kindern aus anderen Beziehungen zu minimieren, geht nur per Heirat oder Lebenspartnerschaft. Nicht per Vertrag. Wobei das noch schlimmer geht: In Österreich gibt es dieses gemeinschaftliche Testament nur für Ehepaare, nicht für eingetragene Lebenspartnerschaften.

  18. eva lorem ipsum meint:

    Ich träum schon lange von einer kirchlich ökumenischen Zeremonie:
    mit Iman, Rabbi, Pfarrer (Stefan, ich hätte da an dich gedacht) und Pastor und Henry als Buddhistischer Würdenträger.
    Da ich glücklich verheiratet bin und das auch bleiben will, brauch ich mit meinem Lebenspartner natürlich keine standesamtliche Ziviltrauung.
    Mein Ehemann und die Kinder meines Partners könnten Blumen streuen und der Hund bringt die Ringlein.
    Außerdem hätte ich da eine Frage an meine Krankenkasse: bei Vielweiberei können alle Frauen in die beitragsfreie Familienversicherung. Wäre das evtl. bei meiner Patchworkfamilie auch möglich?

  19. kecks meint:

    “tier” ist im sportkontext voll und ganz als kompliment zu werten – gemeint ist stärke, härte, fehlen von mimimi und zimperlichkeit. oder bayrisch “viech”als noch größeres kompliment. gerade auch für frauen!

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