Journal Donnerstag, 4. Dezember 2014 – Tatortreiniger zum Dessert

Freitag, 5. Dezember 2014 um 6:35

Crosstrainerstrampeln, zu Fuß in die Arbeit, Bürotag.
Wetter weiterhin kalt und grau, München spielt Berliner Winter, nur noch nicht so kalt.

Zum Nachtmahl bereitete uns der Mitbewohner auf meinen Wunsch Sellerieschnitzel zu, als Nachtisch eine aufgezeichnete neue Folge Tatortreiniger aus der Vornacht (so konnten wir sie wach sehen, bereits 22 Uhr ist uns beiden zu spät). Ich komme immer noch nicht darüber hinweg, dass sowas Großartiges vom Öffentlich-Rechtlichen gemacht wird, mit immer wieder sensationellen Drehbüchern.

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Anne Wizorek hat im Cicero über die Frauenquote geschrieben – genau: in dem Magazin, in dem man sich bislang auf Überschriften wie “Produkt totalitärer Machtfantasien” im Zusammenhang mit Quotenregelnung verlassen konnte.
„Die Kritik an der Frauenquote enthüllt blanken Sexismus“

Für besonders wichtig und treffend halte ich die Zwischenüberschrift “Frauenquote als temporärer Hack des Systems”.

Die Behauptung, dass gesetzliche Quote und Qualifikation sich ausschlössen, wird dafür weiterhin als Fakt hinausposaunt und derweil der Untergang des Abendlandes verkündet. Beharrlich soll der Eindruck erweckt werden, dass Männer aufgrund der Quote um ihre rechtmäßigen Posten betrogen würden und Frauen diese lediglich bekommen, weil ihr Frausein sie dafür qualifiziert. So wird viel gegen die Frauenquote argumentiert, aber die derzeitige Männerquote nicht hinterfragt.

(…)

Die Soziologie kennt das Phänomen der unausgesprochenen Männerquote unter dem Begriff „Homosoziale Kooptation“. Es beschreibt die Neigung, dass in ein bereits bestehendes Netzwerk vor allem Mitglieder aufgenommen werden, die als ähnlich gelten.

(…)

Niemand der Befürworterinnen und Befürworter möchte die Quote, aber: Sie ist notwendiges Mittel zum Zweck, weil sich eingefahrene Strukturen, die zudem von versteckten Vorurteilen getragen werden, nicht von alleine ändern. Dass dies nicht klappt, haben wir nun ausreichend beobachten können.

(KONFETTI!)

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Wie entsteht Rassismus? Es gibt eine gesellschaftliche Seite, aber auch eine psychologische – und um die geht es in
“The Science of Why Cops Shoot Young Black Men
And how to reform our bigoted brains.”

Chris Mooney über Tests, die implizite Voreingenommenheit zutage fördern, und die Schlussfolgerungen daraus.

We’re not born with racial prejudices. We may never even have been “taught” them. Rather, explains Nosek, prejudice draws on “many of the same tools that help our minds figure out what’s good and what’s bad.” In evolutionary terms, it’s efficient to quickly classify a grizzly bear as “dangerous.” The trouble comes when the brain uses similar processes to form negative views about groups of people.

But here’s the good news: Research suggests that once we understand the psychological pathways that lead to prejudice, we just might be able to train our brains to go in the opposite direction.

DOG, CAT. HOT, COLD. Black, white. Male, female. We constantly categorize. We have to. Sorting anything from furniture to animals to concepts into different filing folders inside our brains is something that happens automatically, and it helps us function. In fact, categorization has an evolutionary purpose: Assuming that all mushrooms are poisonous, that all lions want to eat you, is a very effective way of coping with your surroundings. Forget being nuanced about nonpoisonous mushrooms and occasionally nonhungry lions—certitude keeps you safe.

But a particular way of categorizing can be inaccurate, and those false categories can lead to prejudice and stereotyping.

Erleichternderweise belegt der Artikel am Ende die Möglichkeit, dieser gefährliche Stereotypisierung entgegenzuwirken.

via @lyssaslounge

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“My email is a monster.”

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Zum Selbstbild Deutschlands gehören für die Nachkriegszeit die tapferen “Trümmerfrauen”, die den Schutt aufräumten, den machtbesessene Männer verursacht hatten. Doch nun nimmt uns die Historikerin Leonie Treber dieses schöne Bild durch schnöde Fakten:
“So entstand der ‘Trümmerfrauen’-Mythos”.

Vor allem im Westen setzte man auf Professionalisierung. Es wurden Trümmerverwertungsgesellschaften gegründet und Aufträge an Baufirmen vergeben. Daneben gab es vor allem in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) auch Einsätze, in denen Arbeitslose eingespannt wurden – Männer und Frauen. Diese Menschen arbeiteten dort jedoch zumeist nicht freiwillig, sondern wurden verpflichtet oder standen mindestens unter hohem sozialen Druck.

(…)

Bei vielen Fotos ist der Kontext ihrer Entstehung nicht mehr nachvollziehbar. Die Mehrzahl der überlieferten Bilder ist in Berlin entstanden. Manche, wie oft gezeigte Fotos aus Dresden, auf denen Frauen geschminkt und in guter Kleidung zu sehen sind, wurden sehr wahrscheinlich inszeniert. Manchmal handelt es sich auch um Studentinnen, die in vielen Städten erst dann zur Universität zugelassen wurden, wenn sie beim Enttrümmern halfen. Spätere Bildunterschriften bezeichneten sie dann nicht mehr als “Studentinnen beim Pflichteinsatz”, sondern als “Trümmerfrauen”.

die Kaltmamsell

3 Kommentare zu „Journal Donnerstag, 4. Dezember 2014 – Tatortreiniger zum Dessert“

  1. Susann meint:

    “Produkt totalitärer Machtfantasien”, ernsthaft?

    Seitdem ich erfahren habe, dass eine +30%ige Besetzung mit allem, was kein weißer Mann ist, vom Mainstream als bedrohliche Übermacht wahrgenommen wird, wundert mich nix mehr. Aber es stimmt natürlich nicht froher.

  2. Modeste meint:

    Ich sehe gerade, dass Sie Ransmayrs “Letzte Welt” lesen. das ist unglaublich großartiges Buch. Ich beneide Sie um das Erstleseerlebnis.

  3. die Kaltmamsell meint:

    Erstlesen war 1988, Modeste – ich sehe gerade nach, wie gut sich das Buch gehalten hat.

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