Beifang aus dem Internet – 30

Freitag, 11. Dezember 2015 um 8:17

Margarete Stokowski schaut sich an, wie derzeit über Frauen berichtet wird, die allen Hinweisen nach schlechte Menschen sind. Nein, keineswegs nur über ihr SchlechtMENSCHsein.
“Frauen als Extremistinnen: Böses, böses Mädchen”.

Finden Feministinnen das toll, dass Frauen jetzt auch immer öfter Terroristinnen und mächtige Faschos werden können, wegen Quote und so? Nein. Die Konzentration auf die Tatsache, dass es Frauen sind, die hier gewalttätig oder extremistisch auftreten, und die Faszination, mit der ihnen dabei zugeguckt wird, lässt die Erwartungen durchscheinen, die offenbar auch sonst, im Alltag, noch an Frauen (und eben auch Männer) gestellt werden.

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“15 things I learnt about Islam and British values being a gay boy living opposite a mosque.”

Meine Favoriten:

You can do that look British people do to each other, when someone near by is making a scene, in a full face veil.

The media stories about islam meant that I was genuinely a little nervous about moving in across the road to a mosque. What I have learnt in the four years since I moved is that the ridiculousness of British culture is universal. We all love tea, are really polite and tut rather than saying something, no matter our religion.

Hierzulande (ich bin nicht sicher, ob ich damit Deutschland meine – sagen wir der Sicherheit halber mal: in München) werden nicht Muslime als Bevölkerungsgruppe gesehen (noch?), sondern türkische Einwanderer und ihre Nachkommen. Die schon so lange Teil der deutschen Kultur sind, dass das selbstverständlich erkennbar ist. Ich dachte sofort an den etablierten türkischen Süpermarket Verdi – und sein ungemein deutsches System aus Schildern und professionell ausgedruckten riesigen Aufklebern, mit dem die Kundschaft dazu gebracht werden soll, die eine der beiden Türen zur Straße als Eingang, die andere als Ausgang zu benutzen.

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Hört mir endlich auf mit dem Ideal der Leidenschaft im Job. So großartig es ist, wenn jemand mit dem, was ihr am meisten Spaß macht, den Lebensunterhalt verdient: Das ist die absolute Ausnahme. Und in vielen Arbeitsbereichen nicht mal erstrebenswert.
“Warum man für seinen Job nicht brennen muss”.

Denn die Masse der Gesellschaft besteht nicht aus berühmten Herzchirurgen, sondern aus Lkw-Fahrern – wörtlich und im übertragenen Sinn. Der Lkw-Fahrer steht in diesem Beispiel für alle, die nicht einfach nur herausfinden müssen, was sie erfüllt, und daraus ab morgen einen Beruf machen. Bankangestellte, Krankenschwestern, Controller – die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung kann ihren Job nicht wechseln wie ein Profilfoto auf Facebook.

(…)

Solche inspirierenden Geschichten richten Schaden an. Sie suggerieren, dass niemand sich im Arbeitsleben mit weniger als dem makellosen Glück zufrieden geben dürfte. Dass jeder etwas ändern muss, der seinen Job nicht mit bis an Besinnungslosigkeit grenzender Leidenschaft ausübt. Über Generationen hat dieser Leidenschaftszwang einen Schleier des Unglücklichseins gelegt. Millionen Menschen sitzen jeden Tag im Büro, stehen am Fließband oder kriechen für ihren Job auf dem Boden herum und fragen sich: “Was läuft falsch bei mir, wenn ich dabei keine Leidenschaft verspüre?” Sie suchen, grübeln und trauern, weil in ihrem Leben offenbar “etwas nicht stimmt”.

Die Unternehmen tragen ihren Teil dazu bei: kein Leitbild ohne Leidenschaft. Autos bauen, Überweisungen ausführen, Hoteltoiletten schrubben – all das wird heute mit, wenn nicht gar aus Leidenschaft gemacht. Als Kundenversprechen war das schon immer zweifelhaft, denn Leidenschaft hat nichts mit einem guten Arbeitsergebnis zu tun.

Rechtsanwälte beherzigen zum Beispiel die Regel, sich in wichtigen Angelegenheiten nicht selbst zu vertreten. Der Grund: zu viel Leidenschaft, weil man selbst betroffen ist, weil die Distanz fehlt. Auch für andere Tätigkeiten gilt: Rationale Entscheidungen, besonnenes Handeln und sorgfältige Arbeit gedeihen selten auf dem Nährboden der Leidenschaft. Ein nüchterner Kopf liefert bessere Ergebnisse als ein leidenschaftstrunkener. Und wer zu sehr in seine Arbeit vernarrt ist, wird kaum nach Möglichkeiten suchen, dasselbe Ergebnis mit weniger Arbeitsschritten hinzubekommen, also: effizienter zu sein.

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48 Things Women Hear In A Lifetime (That Men Just Don't)

Watch 80 years of subtle sexism in under two minutes.

Posted by HuffPost Women on Tuesday, 8 December 2015

die Kaltmamsell

5 Kommentare zu „Beifang aus dem Internet – 30“

  1. berit meint:

    Der Artikel von Volker Kitz ist Gold wert. DANKE DANKE DANKE!

  2. sabine meint:

    Moin – sorry bin auch einer von diesen elenden Idealisten, die die Realität in der Regel nicht akzeptiert ;)

    Ja Recht hat er der Herr Kitz, aber ich finde man merkt eigentlich IMMER ob jemand mit dem Herzen dabei ist, oder es einfach nur ein Brotjob ist den man eigentlich nicht mag. Hab gerade die Tage eine Kellnerin getroffen, die so derart gut war in ihrem Job und man merkte, es macht ihr Spaß. Nein, vielleicht nicht ihr Leben lang, aber jetzt gerade macht sie ihn gerne.

    Ich wünsche mir mehr Arbeitnehmer die auf Augenhöhe sind … Ach ich gebs auf, kann das als Kommentar nicht so rüberbringen, das wäre ein Thema für 1-2 Flaschen Wein …

    BTW – mag deinen Blog, lese gerne mit und ich meins nicht bös ich bring mich nur gerade nicht so rüber…

  3. die Kaltmamsell meint:

    Es geht nicht darum, dass es nicht erstrebenswert sei, seinen Job gern zu machen, sabine, oder auch nur von Herzen. Sondern um das Diktat, man müsse ihn unbedingt von ganzem Herzen machen, als Lebenserfüllung.

  4. Trulla meint:

    Ja, der Herr Kitz hat Recht. Und diese an sich einfachen Erkenntnisse (mich haben sie ein Leben lang begleitet) helfen sehr, nicht zu hadern, nicht woanders Schuld zu suchen. Öfter mal realistisch denken verhilft zu mehr Ausgeglichenheit und Zufriedenheit sowie Lebens- und Arbeitslust.

    Was aber im Einzelfall keinesfalls heißen soll, auf Verwirklichung von Träumen zu verzichten

  5. Frau Klugscheisser meint:

    Nun, nach einer verbreiteten Ansicht bedeutet erwachsen zu werden, dass man auf die eigenen Hoffnungen und Träume verzichtet und sich mit der Realität abfindet. Ich finde das nicht erwachsen, sondern trostlos. Susanne Neimann, brandeins. Der ganze Artikel hier:
    http://www.brandeins.de/archiv/2015/pragmatismus/susan-neiman-im-interview-man-fuehlt-sich-besser-wenn-man-versucht-die-welt-zu-verbessern/

    Aus irgendeinem Grund dachte ich, das täte hier passen…

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