Journal Sonntag, 6. Dezember 2015 – Elternessen

Montag, 7. Dezember 2015 um 6:28

Wegen neurotischerguter Planung und frühen Aufstehens war gestern Vormittag nach dem Zubereiten des Desserts für den Elternbesuch sogar noch Zeit für Sport: Eine Runde Shred und ein bisschen Strampeln auf dem Crosstrainer.

Die Vorspeise war ein vor Längerem erwähnter Wunsch des Herrn Schwieger: Nizzanersalat (nein, ausnahmsweise kein angestrengt launiges Wortspiel, sondern Akzentefaulheit).

151206_02_Nizzanersalat

Den Hauptgang vergaß ich leider zu fotografieren. Herr Kaltmamsell überzeugte meine Mutter davon, dass es Thunfisch auch in nicht trocken gibt, er servierte saftige, zarte Thunfischsteaks mit einer lang gekochten Tomatensoße, Brokkoli und Ofenkartöffelchen. (Meine Mutter hatte häufig geschimpft, Thunfisch sei außer aus der Dose immer strohig und trocken – auch bei Menschen, die besonders stolz auf ihre Zubereitungskünste seien.)

Der Wein dazu:

151206_04_Domaine_de_Majas

Walter & Benjamin hatte ihn mir empfohlen und erzählt, dass er nach dem Pressen eine Weile auf den Stengeln gelegen hatte – ein kleines bisschen Richtung Orange Wine. Er war tatsächlich so “rau” wie angekündigt, überforderte meine Gäste möglicherweise ein wenig. Ich mochte ihn.

Zum Nachtisch hatte ich ein Dessert ausprobiert, das ein befreundeter Koch während seiner Lehre gelernt hatte: Äpfel kleingeschnitten und in Apfelsaft gekocht, Vanillepudding hergestellt mit halb Apfelsaft, halb Sahne darüber. Und als Soße Rotwein und Himbeersirup zu gleichen Teilen eingekocht. Schmeckte sehr gut, aber der Pudding war zu fest, hätte mehr Flüssigkeit gebraucht.

151206_06_Apfeldessert

Daneben ein Stückchen Pekanhappen, die ich jetzt auch als Rezept notiert habe.

Wir bekamen Wein, Quittengelee, selbst gemachten Limoncello und selbst gemachten Pacharán sowie Weihnachtsplätzchen mitgebracht, ich wurde los: ein Biertragl (davon in den nächsten Tagen mehr), zwei Tüten ausgemusterter Kleidung, anderthalb Christstollen.

Und jetzt weht auch durch unsere Wohnung ein Hauch Adventsdeko.

151206_10_Plaetzchendosen

§

Kleiner Schmunzler für hispanohablantes: Schon vergangene Woche hatte mir mein Vater diese PPS-Datei geschickt:
“Para entender a un madrileño”.
(Nein, ich glaube nicht, dass er jemals meiner Bitte folgen wird, Links statt Dateien zu schicken. Macht nichts, ich freue mich immer, wenn ich von ihm E-Mails bekomme.)

Mein Vater ist ja in Madrid geboren und groß geworden, deshalb, so folgert er typisch spanisch, sei auch ich eine Madrilenin. Ich amüsierte mich tatsächlich über die Auflistung. Sie ist charmant: Da den Bewohner von Madrid vom Rest Spaniens ohnehin Größenwahn vorgeworfen wird – warum ihn nicht humorvoll betonen?

Besonders schmunzelte ich über:

… la expresión “ir al pueblo” no es una frase despreciativa tintada de centralismo. El significado es “irse de vacaciones o pasar un fin de semana en el lugar de procedencia de la familia”, -aunque tú sigas siendo de Madriz, tus padres y hermanos pueden ser de cualquier otro sitio.

Übersetzt:
“Ins Dorf fahren” ist keineswegs ein abschätziger Ausdruck und Zeichen von Zentralismus. Er bedeutet “ein Wochenende oder die Ferien dort verbringen, wo die Familie herkommt” – auch wenn du definitiv aus Madrid bis, können deine Eltern oder Geschwister sonst woher kommen.

Aus der Schreibung oben (Madriz statt Madrid) lernte ich, dass die Aussprache von Madrid, wie ich sie von meiner madrilenischen Familie kenne, typisch madrilenisch ist.

oder

Si quieres probar “pejcao frejco, frejco” vente a Madriz. En la capital se vende el pescado más fresco de toda España. Y os jodéis, porque es así. (Y el más caro, pero no nos importa porque no somos catalanes.)

Übersetzt:
Wenn du wirklich, wirklich frischen Fisch essen möchtest, komm nach Madrid. In der Hauptstadt gibt es den frischesten Fisch von ganz Spanien. Und es kotzt euch an, weil das so ist. (Und den teuersten, aber das ist uns egal, schließlich sind wir keine Katalanen.)

Dazu muss man wissen, dass tatsächlich an der spanischen Küste die Fischgroßhändler aus Madrid sich frühmorgens die besten Stücke aus dem Fang holen – sie zahlen auch am besten. Deshalb bekommen Sie in Galizien keinen besseren Fisch als in Madrid serviert. Die Bemerkung in der Klammer wird verständlich, wenn man weiß, dass die Katalanen in Spanien als sehr geizig gelten, wenn nicht sogar ruachad.

die Kaltmamsell

4 Kommentare zu „Journal Sonntag, 6. Dezember 2015 – Elternessen“

  1. Maria Hofbauer meint:

    Jetzt musste ich zu meiner eigenen Erheiterung kurz überlegen, was der spanische Begriff “ruachad” wohl bedeuten könnte. Bis mir einfiel, dass ich diesen Begriff aus dem Innviertel kenne.

    Ansonsten gilt: Gern gelesen!

  2. ilse meint:

    Das hat richtig Spaß gemacht zu lesen, diese spanischen Geschichten über superfoodie Madrilegnos und ruachade Katalanen!os jodéis!
    Und Madriz – ich muss immer lachen, wenn es in den teutschen Nachrichten “Madritt” heißt.

  3. die Kaltmamsell meint:

    Madrid dürfen sie gerne in den Nachrichten aussprechen, wie sie wollen, Ilse, (und Londn) gravotisch werde ich bei “Reahl” in der Fußballberichterstattung. Das ist ein Supermarkt, der Madrider Verein heißt Reall (idealerweise Rrreall, aber die meisten Deutschen im Fernsehen haben ja diesen R-Sprachfehler).

  4. Miriam meint:

    Ich hatte das große Glück, ein Jahr in Madrid zu leben und zu arbeiten. Beim Lesen dieser Auflistung hab ich mich grad weggeschmissen – einfach zu wahr! Jetzt vermisse ich die Stadt und das Lebensgefühl der Menschen noch mehr als sonst.
    Liebe Grüße, Miriam

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