Journal Freitag, 14. Oktober 2016 – Das echte Leben

Samstag, 15. Oktober 2016 um 9:24

Morgens mein selbstauferlegtes Kleidungskaufverbot gebrochen und unter anderem einen Rock bestellt, zu dem perfekt mein dunkelblauer Fledermausärmel-Angorapullover vom Flohmarkt mit tiefem Rückenausschnitt passt. Den ich allerdings vor über 25 Jahren aussortiert habe, blöd auch.

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Weil sie’s schon angekündigt hatte, das Süddeutsche Magazin sofort nach Anne Wizorek in “Sagen Sie jetzt nichts” durchblättert – mich sehr gefreut.

Stichwort “große süße Maus”, wie die Lokalpolitikerin Jenna Behrends sich bezeichnen lassen musste: In der Septemberausgabe von Spektrum der Wissenschaft (schickes neues Titeldesign übrigens!) las ich mit großem Interesse den ausführlichen Artikel über die Mikrobiologin Emmanuelle Charpentier, eine der maßgeblichen Erfinderinnen der CRISPR/Cas9-Technologie, eines revolutionären Systems zur gezielten Veränderung von Gensequenzen. Seit 2015 ist Charpentier Direktorin am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin.
Und was sagt laut diesem Artikel der Geschäftsführer von CRISPR Therapeutic (von Charpentier mitgebründet), Rodger Novak, über sie: “Sie ist ein kleines Persönchen mit sehr starkem Willen und enormem Durchhaltevermögen.”
Nein, ich halte mich nicht für überempfindlich, wenn ich da die Luft anhalte. Versuchen Sie sich einfach vorzustellen, er würde einen Mann welcher Maße auch immer als “kleines Persönchen” bezeichnen.
Können Sie nicht?

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Auf dem trockenen, nicht mehr ganz so kühlen Heimweg Wochenendeinkäufe beim Edeka, beim Weitergehen Sehnsucht nach einem Blumenstrauß entwickelt. Als ich mich noch fragte, ob die Blumenstandlerin am Sendlinger Tor wohl schon Feierabend gemacht haben könnte, fiel mir der Rosentagsrosenblumenladen ein, den ich doch hatte unterstützen wollen.

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Daheim Herrn Kaltmamsell geknutscht, Blumen angerichtet, in die Blaue Stunde gestellt.

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Nach einem kräftigen Tequila Sunrise beim Lesen der Blogkommentare hier rührselig geworden: SsssiesssinnndieBESSSTenKommentatorinnenunnnnnKommentaroren vonnnWeb!

Noch rührseliger geworden, als ich das frisch eingetroffene Päckchen öffnete.

161014_17_moselweine

Meine Leibsommeliere Hande hatte mir den Beweis geschickt, dass es auch an der Mosel interessante Weine gibt. <3
Ich freue mich schon sehr aufs Probieren.

Ins Grübeln gekommen, was es bedeutet, wenn es sich die Welt erst Freitagabend so anfühlt, als begönne wieder das echte Leben. Ist das einfach normal? Habe ich mich genau damit unglücklich gemacht, dass ich etwas anderes erwarte?

Nachtmahl waren dann Saltimbocca (der Salbei, den ich am Donnerstag gekauft hatte, bestand aus Schnitzel-großen Blättern) mit Rosmarinkartoffeln.

Nachdem ich kürzlich daran erinnert wurde, guckten wir das Musical The Gay Divorcee, großes Vergnügen. “Careful! He might be a tenor!”, hatte ich schon wieder vergessen.

die Kaltmamsell

6 Kommentare zu „Journal Freitag, 14. Oktober 2016 – Das echte Leben“

  1. Kitty meint:

    Es geht auch anders. Mein Job war früher oft so, dass ich mich auf Montag gefreut habe. Bei mir war es die Phase, in der Gestaltungsmöglichkeiten in meinen Händen lagen und ich damit erfolgreich war. Ich brauche eine extrem lange Leine.
    Ich bin der Meinung, so eine Konstellation nicht einzigartig ist, dass man sie auch anderswo arrangieren kann.

  2. Elbwiese meint:

    Liebe, verehrte Kaltmamsell, zu der in letzter Zeit nicht selten meine besorgten Gedanken wandern. Danke für die Frage nach der Normalität des gefühlten Beginns des echten Lebens am Freitag und der nach dem Unglück durch möglicherweise falsche Erwartung. Ich möchte sie schlicht mit JA beantworten und erspare uns so einen womöglich übergriffigen Kommentar, den ich früher oder später nicht mehr hätte zurückhalten können.

    Und dann noch: ich glaube, diese letzte Rauchschwalbe heute morgen hier über den Wiesen, die hatte Grüße für Sie im Gepäck.

  3. Sanníe meint:

    Ja.
    Und obwohl es im Grundsatz nichts anderes ist, hat es mir sehr geholfen, meine Arbeitstage auf vier zu reduzieren, das Verhältnis von richtigem zu falschem Leben zu verbessern.

  4. Stedtenhopp meint:

    “Normal” im Sinne von häufig, weit verbreitet und üblich – sicherlich. Wenn man sich umschaut bzw. -hört, geht es ja vielen Menschen so. Dass dieser Zustand aber unausweichlich sein soll und man ihn deshalb gefälligst klaglos hinzunehmen habe, hielte ich für eine empörende Forderung. Das kann ja wohl nicht angehen, das MUSS auch anders gehen. Und vielen (einer Minderheit??) geht es ja auch anders – auch solche Menschen kennen wir doch alle; zum Glück, möchte ich sagen.
    Wie nun dieses zu erreichen und jenes zu umgehen wäre – tscha, da fragen Sie was. Für mich ist es seit Beginn meiner Berufstätigkeit immer eine Frage der schieren Menge gewesen. Es war immer, immer zu viel Arbeit (entweder haufenweise Überstunden oder auch nur der Effekt von 10+ Std. pro Woche Pendeln), so bleibt einfach nicht genug ZEIT für das echte Leben.

    Bei anderen mag das Problem aber natürlich ganz anders gelagert sein…

  5. Ulrike meint:

    Liebe Kaltmamsell,

    die Frage, ob sich die Welt erst Freitagabend so anfühlt, als begönne wieder das echte Leben, stelle ich mir schon lange nicht mehr. Was ist denn schon das “echte” Leben? Gäbe es demnach denn auch ein “unechtes” (ich weiß, blöde Frage)? — in der Situation, in der ich momentan bin, möchte ich es einfach “das Leben” nennen, und dieses Leben ist einfach verdammt unfair. An einem Freitag heiratest du, und an einem Donnerstag verlierst du den geliebten Partner für immer. Da können die Wochenenden unendlich lang werden, und der Wochenbeginn Erleichterung & Ablenkung bringen.

    LG
    Ulrike

  6. Susanne meint:

    Was Sannie anregte, möchte ich auch vorschlagen: Arbeitszeit verkürzen. Auch für mich fand das richtige Leben immer zwischen Arbeitsende und Arbeitsbeginn statt. Arbeiten war – und ist immer noch – notwendiges Übel. Aber nun, da ich nur noch 3 Tage pro Woche arbeite, belastet es mich nicht mehr. Es läuft quasi nebenbei, es nimmt einen so kleinen Teil meines Lebens ein, dass ich es nicht mehr schlimm finde. Ich tue es einfach, es ist manchmal lästig, manchmal freue ich mich sogar ein bisschen auf den geordneten Arbeitsalltag. Finanzielle Einbußen muss man hinnehmen. Aber nun mal ehrlich: Es geht doch auch mit viel weniger Geld!
    Jahrelang habe ich gedacht, ich müsste einen Job finden, der mich ausfüllt, den ich wirklich gerne mache. Das hat nicht geklappt. Aber jetzt ist es gut. Zwar würde ich, wenn ich könnte, lieber ganz aufhören zu arbeiten. Aber so wie es jetzt ist, kann ich es noch lange aushalten.

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