Journal Samstag, 4. März 2017 – Bagelfail und Moonlight

Sonntag, 5. März 2017 um 9:43

Gestern gab’s ordentlich Frühlingsvorschuss: Über den Tag wurde es immer wärmer, in der letzten Abenddämmerung spazierte ich zu meiner Kinoverabredung in lauer Luft.

Morgens hatte ich Bagels gebacken – oder sowas Ähnliches. Sie waren zu stark gegangen und fielen beim Kochen zusammen:

Wahrscheinlich war die erste Gehzeit am Vortag zu lang gewesen, zwei Stunden hätten gereicht (ich war zu spät von der Mühlenführung heim gekommen). Die zweite Charge kochte ich lieber nicht, wurden halt Bagelsemmeln.

Nach einer Einkaufsrunde radelte ich zum Friedensengel für eine Laufrunde.

Mal wieder in der Streetart Gallery unterm Friedensengel vorbeigeschaut.

§

Abends im Cinema Moonlight. Gefiel mir gut, überraschend leise und langsam gefilmt. Auch hier viel Kammerspiel (basiert ja auch auf einem Theaterstück, In Moonlight Black Boys Look Blue von Tarell Alvin McCraney), inklusive Verfremdungseffekten unter anderem durch unrealistische Filter und Kamerfahrten im ersten Drittel, durch den Einsatz der Musik und die Besetzung der Hauptfigur in den drei Episoden – nur durch die Handlung wird klar, dass es sich um denselben jungen Mann handeln soll. Die Coming of age-Geschichte der Hauptperson (es tauchen auch weiterhin fast nur Buben in dieser Lebensphase in Filmen auf) kann vor allem deswegen so neu wirken, weil sie gegen die über Jahrzehnte gefestigten Stereotypen dieser Gesellschaftsschicht arbeitet. A. O. Scott drückt es in der New York Times so aus: (It) “evokes clichés of African-American masculinity in order to shatter them”.

Auch hier erleichternderweise kein Happy End, es bleibt halt schwierig.

(Dass der Oscar-prämierte Mahershala Ali sowie Janelle Monáe sowohl im Oscar-nominierten Hidden Figures als auch in Moonlight zentrale Figuren spielen, fand ich seltsam: Ich kann nicht glauben, dass es so wenige herausragende schwarze Schauspielerinnen und Schauspieler gibt. Nennen wir es den Tatort-Effekt: Auch dort scheint immer dasselbe Personal engagiert zu werden, als gäbe es nur eine kleine Auswahl.)

§

Da schau her: Es geht überall so zu. Jo Lendle über das heikle Thema Bürokaffee:
„’Ohne meine zimtfarbene Crema kann ich nicht leben’.“

(Mir fehlte ja die Stimme des Betriebsrat bei der ganzen Sache. Und die der Compliance-Abteilung.)

§

Lassen Sie uns weiterdiskutieren, diesmal anlässlich der Verleihung des “Goldenen Zaunpfahls” für das bescheuertste gegenderte Produkt. Antje Schrupp:
“Gegen den Geschlechterblödsinn”.

Viele meinen, da könnten wir doch ironisch zwinkernd drüberstehen. Ist doch witzig gemeint! Lach mal, du Feministin, mach dich locker!

Diese Gleichgültigkeit ist unangebracht. Wer so argumentiert, überschätzt nämlich grandios die Fähigkeit des menschlichen Bewusstseins, sich gegen ständige subtile Beeinflussung abzuschotten.

(…)

Oder stellen Sie sich mal das vor: Sie stehen vor einem Regal und haben die Auswahl zwischen verschiedenen Tütensuppen, nämlich Brokkolisuppe für Menschen mit Englischkenntnissen und Erbsensuppe für Menschen ohne Englischkenntnisse. Was tun Sie? Sie überlegen unwillkürlich, ob Sie eigentlich Englisch können. Anstatt, wie es vernünftig wäre, darüber nachzudenken, ob Sie lieber Brokkoli oder lieber Erbsen mögen. Und genauso geht es einem Kind, das zwischen einem blauen Handwerkskasten für Jungen und einer rosa Puppenküche für Mädchen wählen soll: Es denkt nicht darüber nach, ob es lieber mit einem Handwerkskasten oder mit einer Puppenküche spielen möchte. Sondern darüber, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist.

Das ist für die anstehende Entscheidung aber genauso egal wie der Umstand, ob man Englisch spricht oder nicht für die Auswahl einer Suppe.

Dazu passt auch der Aufsatz von dasnuf:
“Alle sollen Prinzessin sein dürfen”.

Wenn man das Hashtag #goldenerZaunpfahl auf Twitter filtert, stößt man immer wieder auf Frauen, die sinngemäß sagen: „Na und? Ich liebe Prinzessinnen! Ich möchte eben Prinzessin sein. Warum könnt ihr mir das nicht lassen?“

Diese Frauen möchte ich gerne ein bisschen zärtlich schütteln und ich frage mich: Wann werden sie es verstehen?
Wann werden sie verstehen, dass niemand ihnen das Prinzessinsein nehmen will (also ich zumindest nicht) – sondern, dass eine bestimmtes Prinzessinnen-Stereotyp erst dann ein Problem ist, wenn es die einzige Wahl, die einzige Phantasie, das einzige Vorbild für aufwachsende Mädchen ist.

Und hier zum Mitsingen:

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/uxuIIKILhgc

die Kaltmamsell

Comments are closed.

Sie möchten gerne einen Kommentar hinterlassen, scheuen aber die Mühe einer Formulierung? Dann nutzen Sie doch den KOMMENTAROMAT! Ein Klick auf einen der Buttons unten trägt automatisch die gewählte Reaktion in das Kommentarfeld ein, Sternchen darüber und darunter kennzeichnen den Text als KOMMENTAROMAT-generiert. Sie müssen nur noch die Pflichtfelder "Name" und "E-Mail" ausfüllen und den Kommentar abschicken.