Journal Dienstag, 20. Juni 2017 – Beifang aus dem Internetz
Mittwoch, 21. Juni 2017Morgens Langhanteltraining. Ich stellte mir vor, dass wir 15 Amazonen (Frauenstudio) gerade auf der Insel Themyscira ein wenig Frühsport machten. Und will jetzt dringend Sportkleidung im Amazonen-Look. An der Studiotheke entdeckte ich, dass ich eine Namensvetterin unter den Mitturnerinnen habe. Wir nervten die Umkleidenden, indem wir einander ständig mit Namen ansprachen.
Ein sehr warmer Tag, der immer heißer und schwüler wurde.
Abends war ich mit Herrn Kaltmamsell verabredet. Wir steuerten das nahe gelegene Griechischrestaurant Molos an, doch das war geschlossen – anscheinend dauerhaft. Nun gut, der Paulaner Biergarten lag ja ums Eck – in den wir nicht reinkamen wegen geschlossener Gesellschaft. Wir beschlossen, dass es draußen eh zu warm war und probierten das Olé Madrid aus, an dem ich regelmäßig vorbei radle: Sättigende Kleinigkeiten, am besten waren die frittierten Sardellen und Tintenfischringe, saftig und frisch.
Immer noch hadere ich ein wenig mit meinem neuen Telefon (iphone 6s): Die Stand-by-Taste ist seitlich rechts oben statt auf der Oberseite. Eine Folge: Ich verstellt ständig die Lautstärke des Klingeltons, weil ich beim Drücken der Stand-by-Taste irgendwo gegenhalten muss.
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Auch sonst geht mir der Film Wonder Woman weiter im Kopf herum. Kathleen Hildebrand schrieb in der Süddeutschen:
“Warum weinen Frauen bei ‘Wonder Woman’?”
Ein Dutzend attraktiver Frauen, das sich gekonnt bewegt, dabei einigermaßen knapp bekleidet ist – und trotzdem sieht keine nach Sex-Symbol aus. Diese Frauen sind Subjekte, nicht Objekte einer lüsternen Kamera. Und von nirgendwoher fällt ein Blick auf sie, der etwas anderes in ihnen sieht als edle Kämpferinnen für das Gute.
Jede Einstellung scheint diese Frauen zu bewundern. Aber nicht, weil sie erotisch sind. Sondern weil sie stark sind. Und weil sie gut sind in dem, was sie tun. Vor allem aber, und vielleicht ist das wirklich nur auf einer mythischen Insel ohne einen einzigen Mann möglich, weil sie die unangefochtenen Hauptrollen spielen. Nirgends ist da ein Batman in Sicht, oder ein Tony Stark, in dessen Team auch mal eine Frau mitkämpfen darf. Es geht um sie. Man muss darauf nicht bewusst gewartet haben, um zu fühlen, dass es gefehlt hat.
Geweint habe ich zwar nicht, war aber schwer ergriffen aus genau den angeführten Gründen. Ich weiß nicht, ob ein Superheldenfilm-affiner Mann nachvollziehen kann, wie bewegend es sein kann, wenn die weibliche Hauptfigur sagt: “I’m going in.” Und dann das Dorf rettet, unterstützt von ihren Kumpels (“Diana! Shield!”). Es gibt mir die Ahnung einer Ahnung, wie es sein muss, zu einer wirklich marginalisierten Bevölkerungsgruppe zu gehören und sich endlich mal im Zentrum einer Mainstream-Geschichte zu sehen.
Ich glaube, ich schau mir den Film nochmal an. (Und sei es, um Etta Candy noch Mal sagen zu hören: “Fight? I myself aren’t opposed to some fistycuffs, should the occasion arise.”) Im nächsten Teil lassen wir dann bitte auch die Keilabsätze von Dianas Sandalen weg, ja? Sind zum Rennen bescheuert, und Gal Gadot (die möglicherweise ziemlich cool ist) hat eh Beine bis zum Hals, die selbst für Hollywood nicht optisch verlängert werden müssen.
Auch wenn er seinerzeit nicht so viel Lärm gemacht hat: Spy liebte ich aus denselben Gründen. Gute Frauen, böse Frauen, starke Frauen, lustige Frauen, doofe Frauen. Und halt nicht nur die eine weibliche Figur, die man problemlos durch eine Stehlampe ersetzen könnte. Oder durch einen Muskelmann.
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Vox nimmt sich die Computer Generated Imagery (CGI) in Wonder Woman vor – ich lernte daraus eine Menge:
“Wonder Woman’s battle scenes show how to use — and not use — CGI in super-movies”.
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In seinem Notizblog fasst Torsten zusammen, was auch mir zum Bedingungslosen Grundeinkommen durch den Kopf geht:
“Missverständnisse zum Bedingungslosen Grundeinkommen — ein Rant”.
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Im Philosophie Magazin unterhalten sich Wissenschaftshistorikerin Lorraine Daston und der Investigativjournalist Georg Mascolo über:
“Welchen Fakten können wir trauen?”
Daston: Besonders das deutsche Wort macht deutlich, dass es sich bei Tatsachen um Taten handelt. Wie wir an Redewendungen wie ex post facto oder an der Unterscheidung von de facto und de jure bis heute ablesen können, waren Fakten ursprünglich eine juridische Kategorie. Descartes’ Zeitgenosse Francis Bacon forderte im frühen 17. Jahrhundert eine Reform der Naturphilosophie. Wenn er von Fakten redet, klingt das meistens, als ob er von Verbrechen spricht. Bei einem Juristen wie Bacon sollte einen das nicht wundern. Das matter of fact, wie man auf Englisch sagt, verwandelte sich damals von einem juridischen in einen wissenschaftlichen Begriff. Zum Beispiel behauptete Isaac Newton in „The New Theory of Light and Colours“ von 1672, dass sich das weiße Licht aus einem farbigen Spektrum zusammensetzt. Die Wissenschaftler stritten über seine Theorie – und sogar über die Ergebnisse seiner Experimente. Ähnlich wie ein Gericht beschränkte sich die Royal Society of London, die 1660 gegründete englische Akademie der Wissenschaften, in dieser Situation darauf, die Tatsachen festzustellen und von den theoretischen Spekulationen und Deutungen zu trennen, um einen Konsens herzustellen. Das gelingt nie hundertprozentig. Das ist ein Ideal. In einem jahrhundertelangen Prozess haben sich seither Verfahren wie das Laborexperiment und Institutionen wie die wissenschaftlichen Akademien herausgebildet, die diesem Ideal verpflichtet sind.
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Für das, was wir als post truth bezeichnen, halte ich weniger das Klima an amerikanischen Universitäten als eine Veränderung im Stil der Berichterstattung verantwortlich, die man selbst bei so respektablen Medien wie der New York Times und in Deutschland genauso wie in den USA beobachten kann: Ich meine den Trend, immer weniger von Gründen und immer mehr von Gefühlen zu sprechen. Soweit ich sehe, ging das im Sportjournalismus los. Die Idee, dass Emotionen die verlässlichste Wahrheit, nämlich Authentizität, darstellen, kann man bis Rousseau zurückverfolgen. Weil Gefühle dazu geeignet sind, Geschichten farbiger und anschaulicher zu machen, hat sich dieses Muster auch in der politischen Berichterstattung durchgesetzt.
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Die Viel- und auch beruflich Fotografiererin Andrea Diener denkt darüber nach, welche Sorte selbst aufgenommene Fotos wir auch viele Jahre später noch mit Interesse ansehen, weil sie Erinnerungen und Gefühle evozieren:
“Wir Urlaubsknipser”.