Archiv für Januar 2020

Journal Mittwoch, 1. Januar 2020 – Venedig 1, die Anreise

Donnerstag, 2. Januar 2020

Die Abfahrt des EC München-Venedig um halb zwölf ließ uns genug Zeit für Kruschen und Vorbereitungen, ich entkernte sogar noch einen Granatapfel als Brotzeit. Der Silvesterabend hatte einen Kater hinterlassen, zum Glück keine Migräne-Attacke.

Ereignislose und sonnige Zugfahrt mit viel Brotzeit: Für knapp sieben Stunden Fahrt waren das Nussschnecke, Schnittlauchbreze und Käsebagel für jeden von uns. Ich genoss es sehr, dass ich immer wieder aufstehen konnte, ein bisschen herumlaufen, mich strecken und durchschütteln.

Draußen Sonne mit Schnee in den Alpen, durch Südtirol stundenlang Obstplantagen. Letztes Abendrot über Bologna. Doch schon bei der dunklen Fahrt über die Lagune klebte ich am Zugfenster (Lagune!). Und kaum traten wir aus dem Bahnhof, war’s gleich da: Venedig.

Auch das ist ja bemerkenswert an der Stadt (“Alle Städte sind gleich. Nur Venedig ist ein bissl anders.”): Sonst muss man sich erst mal ein Weilchen vom Bahnhof einer Stadt wegbewegen, bis man sie erkennt.

Das Hotel hatte ich vor sieben Jahren beim Vorbeilaufen entdeckt, das Schild fotografiert und jetzt bei der Idee einer Venedigreise rausgekramt: Ab 1. Januar ist weiteste Nebensaison überhaupt, doch auch so erwiesen sich die Preise für eines der wenigen Zimmer als überschaubar – vor allem für venezianische Verhältnisse.

Und das war dann halt ein Palazzo.

Der Herr am Empfang entschuldigte sich für ein möglicherweise wackliges WLAN: “You see, it is an old palazzo after all.” Och…

Unser Zimmer hat zwei Ebenen, einen Balkon zum Kanal sowie einen zum Innenhof – und war schrecklich überheizt. (Und das, wo ich aus Misstrauen gegenüber den Heizfähigkeiten der Venezianer extra einen dicken Pulli und dicke Socken für den Aufenthalt im Zimmer mitgenommen hatte.)

Wir packten aus und drehten noch eine kleine Spazierrunde.

Molino Stucky auf Giudecca.

Ich zeigte Herrn Kaltmamsell das Hotel, in dem ich vor sieben Jahren mit meiner Mutter untergekommen war, ebenfalls im Stadtteil Dorsoduoro.

Nach dem vielen Reiseproviant hatten wir gar keinen Abendbrothunger. Herr Kaltmamsell war so erledigt, dass er noch vor zehn im Bett verschwand, ich las noch eine Runde.

Journal Dienstag, 31. Dezember 2019 – Ein weiteres Kalenderjahr abgehakt

Mittwoch, 1. Januar 2020

Der letzte Tag des Kalenderjahrs war sonnig. Nach einer letzten Maschine Wäsche vor Urlaub radelte ich vormittags ins Olympiabad (ich hatte mir den Wecker gestellt, da das Bad um 14 Uhr schließen würde). Um zehn war es noch recht frostig. Doch als ich knapp zwei Stunden später nach einer sehr angenehmen Schwimmrunde zurück fuhr, war es deutlich milder geworden. Auf allen Wiesen des Olympiaparks grasten und quakten Graugänse.

Auch die Bäckereien schlossen am frühen Nachtmittag, für Semmeln musste ich zum Hauptbahnhof.

Nachmittag mit Urlaubsvorbereitungen und der Zusammenstellung der Lieblingstweets im Dezember.

Den Abend hatten Herr Kaltmamsell und ich wie immer daheim geplant, folgten dann aber doch kurzfristig der Anregung von Freunden, ein Menü bei ihrem Lieblingsitaliener zu essen. Die anderen Gäste dort stellten sich als energisch Party-orientiert heraus, in dem wirklich kleinen Lokal spielten Musiker auf, kurz vor Mitternacht brach sogar eine Polonaise aus.

Zum Datumswechsel viel Knall und Rauch auf der Straße, ich kam kaum mit Ohrenzuhalten hinterher. Nach viel Sekt und Wein gingen wir durch mitteldicken Feinstaubnebel heim, über dem man klaren Himmel ahnte.

Wenn es Ihnen wichtig ist, wünsche ich ein erfreuliches nächstes Kalenderjahr. Mich entspannt festzustellen, dass die Zeit tatsächlich immer schneller vergeht.

§

Erst gestern wieder gehört: Niemand muss in Deutschland auf der Straße schlafen. Einerseits: Ja. Aber es gibt für manche Menschen Hindernisse, die ich gut nachvollziehen kann. André Hoek versucht in diesem Blogpost, die Perspektive der Betroffenen zu vermitteln:
“Warum Obdachlose nicht in Notunterkünfte gehen”.