Journal Donnerstag, 16. April 2020 – Rückkehr der Wärme

Freitag, 17. April 2020 um 12:32

15 Minuten vor Wecker aufgewacht, weil es im Traum an der Wohnungstür geklingelt hatte.

Der allmorgentliche Bankstütz (2x 90 Sekunden mit Beinheben) nervt, den mache ich wirklich sehr ungern – vermutlich weil ich mich selbstverständlich zu einer Intensität zwinge, die auch “was bringt” (Fachausdruck). Der ebenso allmorgentliche Seitstütz dagegen ist überraschenderweise erträglich und zwickt inzwischen nicht mehr in der LWS – vielleicht lagen meine langjährigen Probleme damit an der Abfolge der Übungen, also eher daran, was ich immer direkt davor gemacht hatte.

Yogarunde gestern für Rücken und Hüfte: Den Krieger werde ich mit diesem rechten Hüftgelenk in keiner Variation beidseitig hinbekommen – was schade ist, denn mit linkem tragenden Bein fühlen sich alle sehr gut an.

Auf dem Radweg in die Arbeit kam mir eine Joggerin entgegen, die mit ausgebreiteten Armen lief. Nach meinen Erfahrungen ist das vermutlich die einzige Möglichkeit, für angemessenen Abstand zu sorgen, erfordert allerdings auf die Dauer sehr fitte Schultern.

Wieder ein emsiger Arbeitstag, zur Brotzeit gab es das restliche selbstgebackene Brot, ein paar Radeln Ahle Wurscht, ein Stückchen Käse, eine Birne. Diesmal machte ich nicht so spät Schluss. Das Wetter war sehr viel milder geworden, ich brauchte auf dem Rad keine Jacke.

Käse-Einkauf auf dem Viktualienmarkt, ich war die einzige mit Mundschutz. Gerade wenn die Temperaturen so oder gar höher bleiben, werden die Leute ihn in der Stadt nicht ohne Zwang tragen, auch nicht in Geschäften.

Frühes Nachtmahl, weil Herr Kaltmamsell verabredet war (zu einem Videotreffen): Ein Teller aufgetauter Borscht von vor ein paar Wochen, eine Schüssel Salat aus Ernteanteil, ich holte mir zum Nachtisch den Rest Erdnusseis aus der Gefriere.

Einer Empfehlung folgend sah ich mir die schöne Biografie von Margaret Atwood auf arte an:
“Margaret Atwood – Aus Worten entsteht Macht”.

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Das Zusammenspiel von gesellschaftlichen Entwicklungen und Innenausstattung:
“How Infectious Disease Defined the American Bathroom”.

oder: Werden künftige Neubauwohnungen ein Waschbecken gleich bei der Wohnungstür bekommen?

via @MaikNovotny

According to Kelly Wright, who teaches American history at the University of Cincinnati and specializes in the historic use of color in architecture, one of the reasons 19th century wallpaper was so heavily patterned was that flies were so prevalent in homes at the time: The busyness of the walls helped mask the flies and related stains. As sanitation became more of a consideration, easily cleaned white tiles or painted walls became more popular.

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Dass ich Theaterbesuche vermisse, kann ich nicht behaupten, aber schade finde ich schon, dass ich die restlichen Vorstellungen meines Kammerspiel-Abos in dieser Spielzeit nicht sehen werde. (Vergangene Woche kam ein handgeschriebener, fotokopierter dreiseitiger Brief des Ensembles mit Schilderung und Bedauern der Situation.) Andere Menschen vermissen Theater mehr – und haben zum Beispiel auf Tiktok verschiedene Arten der Schlussverbeugung systematisiert.

die Kaltmamsell

13 Kommentare zu „Journal Donnerstag, 16. April 2020 – Rückkehr der Wärme“

  1. Chris Kurbjuhn meint:

    Es gab Ahle Wurscht? Nordhessische Ware? Von welchem Erzeuger, wenn ich fragen darf?

  2. die Kaltmamsell meint:

    Uoooh, Chris Kurbjuhn, ich hatte Herrn Kaltmamsell dafür zum Münchner Feinkostladen Schlemmermeyer geschickt, weil ich weiß, dass die mir schmeckt – man nennt sie dort aber nur “Hessische Ahle Blutwurst”.

  3. Croco meint:

    Statt ausgebreiteter Arme könnte man sich ja ne Poolnudel quer auf den Rücken binden, so wie die Radfahrer das machen, damit sie Platz bekommen.

  4. Frau Wissensdurst meint:

    Da habe ich direkt ein Bild vor Augen und musste herzlich lachen – danke!

  5. Ulla meint:

    Apropo Ahle Worscht. Ich bin Hessin und Ahle Worscht war und ist mein Lebenselixier. Leider schmeckt sie heute nicht mehr so wie in meiner Kindheit, ich lasse sie mir aber aus Hessen schicken. Hessische Ahle Blutwurst dürfte etwas ganz anders sein, denn die richtige ist eine Rotwurst. Luftgetrocknet oder leicht geräuchert, je fester je lieber.

  6. Margarete meint:

    Als bekennende und leidenschaftliche Veganerin bevorzuge ich Herrn Schlämmer.

  7. die Kaltmamsell meint:

    Und der ist vegan, Margarete?

  8. Margarete meint:

    Nun, was ich an ihm so very schätze: … doch … ja!

  9. studio glumm meint:

    Wollte auf deinen Vorschlag hin in Atwoods Porträt auf arte nur kurz reingucken und bin hängen geblieben bis zum Ende. Welch eine schlaue unbestechliche unbequeme Frau. Besonders ihr Hinweis, dass man das Schreiben als Dialog mit der Welt begreifen sollte und nicht nur als Ausdruck seinerselbst, hat mich getroffen.

  10. Anna Mathilde meint:

    Schön, dass es auch andere JoggerInnen gibt – hier kommen sie immer von hinten angewetzt, überholen mit gefühlt 10 cm Abstand und keuchen einem dabei noch in Genick. Sehr unangenehm – und ich muss dann immer einen Ausschlage-Reflex unterdrücken…

  11. Pippilotta meint:

    “…hier kommen sie immer von hinten angewetzt, überholen mit gefühlt 10 cm Abstand und keuchen einem dabei noch in Genick. Sehr unangenehm –…”

    Das ist leider auch meine Erfahrung. Aber vielleicht werde ich demnächst einfach mit ausgebreiteten Armen spazieren gehen oder mir Poolnudeln an die Seiten binden, um die keuchenden Jogger (Joggerinnen sind nach meiner nichtrepräsentativen Beobachtung tendenziell rücksichtsvoller) auf den notwendigen Abstand zu bringen.

  12. die Kaltmamsell meint:

    “Unbestechlich” ist eine schöne Beobachtung, studio glumm – und ich ertappte mich, dass ich mich mal wieder in ihre Kombination mit Schalk und Güte reinverliebte.

  13. Micha meint:

    @studio glumm: mich hatte Mme Atwood in der Doku ebenfalls sehr fasziniert – und erfreue mich gerade an Ihrem herausgegriffenen Zitat… jeder entdeckt etwas anderes…

    @Kaltmamsell: ich nannte es eine Mischung aus spitzbübisch und bescheiden – Schalk und Güte gefällt mir aber auch…

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