Journal Montag, 3. August 2020 – Urlaub München-Frankfurt: Das Geheimnis des Apfelweingeschmacks
Dienstag, 4. August 2020Dafür, dass ich nur gebückt und schlurfend gehen konnte vor lauter Kreuzweh (das Ministry of Silly Walks hat nämlich ein Department of Silly Shuffles), hatte ich überraschend viele Schlafabschnitte in der Nacht. Aber auch genügend schlaffreie, in denen ich nicht nur dem Regen zuhörte, sondern auch den Plan fasste, früh aufzustehen, Koffer zu packen, und bei Praxisöffnung um acht meine Hausärztin um Hilfe zu bitten. Der Zug ging erst kurz vor zwölf, mit etwas Glück würde ich vorher drankommen – und wenn nicht, würde ich halt später mit neuem Ticket fahren, so ging das auf jeden Fall nicht weiter.
Eigentlich behandelt meine Hausärztin nämlich seit ein paar Jahren nur noch mit Termin. Was meiner Auffassung nach dem Nutzen einer hausärztlichen Praxis widerspricht, denn da gehe ich vor allem mit akuten Beschwerden hin, für die ich schnelle Hilfe und/oder eine Krankschreibung brauche. Weswegen ich in den vergangenen Jahren auch nur dort war, um Rezepte für Medikamente gegen chronische Beschwerden zu holen.
Doch gestern sah ich darin die einzige Möglichkeit. Tatsächlich bekam ich eine Chance und musste auch nur gut zwei Stunden warten, bis ich nach einer kurzen Untersuchung Medikamente zur Muskelentspannung und gegen die Schmerzen bekam.
Ich holte sie auf dem Heimweg, nahm sie daheim sofort – und profitierte umgehend von der Wirkung. Meine Mutter war bereits eingetroffen, wir übergaben die Wohnung und machten uns auf den Weg zum Bahnhof. Das Kofferziehen überließ ich in diesem Ausnahmefall gerne Herrn Kaltmamsell.
Ereignislose Fahrt im nahezu vollbesetzten ICE (hatte die Bahn nicht vor einiger Zeit behauptet, Vollbesetzung von reservierbaren Zügen zu verhindern?), ich hatte sogar Appetit auf die Nussschnecke, die Herr Kaltmamsell als Proviant besorgt hatte.
Auch der Frankfurter Hauptbahnhof stellt ein getarntes Raumschiff zur letzten Flucht bereit. Wetter bei Ankunft warm und wolkig. Langsamer und kurzer Fußweg zum Hotel, schlichtes, großes Zimmer in einen Hinterhof mit Kirchenrückseite und Spatzengetschilpe. Ich nahm erneut Medikamente, einen Bissen Käsesemmel, Herr Kaltmamsell besorgte beim Obst- und Gemüsehändler gegenüber hervorragende Pfirsiche und Nektarinen. Dann Ausruhen – ich konnte sogar ein wenig schlafen.
Eigentlich hatte ich für den Nachmittag Erkundung der Altstadt geplant, doch das traute ich mir nicht zu. Den zweiten Teil des Tagesplans gerade mal: Spaziergang entlang dem Museumsufer zu einer Apfelweinwirtschaft in Sachsenhausen.
Holbeinsteg über den Main.
Beginn einer vielgenutzten Kinderbespaßung “Abenteuerspielplatz” mit Hüpfburgen, Bastelständen, Karussels etc.
Das Buch Süß, sauer, pur hatte mich gut für den Abend präpariert. In der Apfelweinwirtschaft Atschel bestellte ich also lässig einen “Vierer-Bembel” für Herrn Kaltmamsell und mich, dazu Mineralwasser. Erst ein Schluck puren Apfelwein: Nein, wirklich kein Genuss. Aber dann mischte ich ihn mit Sprudel – und plötzlich schmeckte er wie sehr trockener englischer Cider! Das Geheimnis lag also in der Kohlensäure, ich trank meine Hälfte des Bembels wirklich gern.
Wir saßen wunderbar im luftigen Gastgarten unter Walnussbäumen (inklusive einem roten Eichhörnchen). Zu Essen bestellten wir Frankfurter Schnitzel (mit Grie Soß) und Schlachtplatte.
War genau das Richtige für den Abend. Zwar verhinderten die Corona-Regeln das legendär enge Sitzen auf den harten Holzbänken mit Fremden, doch auch so bekamen wir viel von den Nachbarn mit, lachten miteinander und ließen uns gemeinschaftsstiftend von der (ungemein flinken und effizienten) Bedienung anflachsen.
Auf dem Rückweg (diesmal kreuzten wir den Main mit dem Eisernen Steg) dauerte es eine Weile, bis ich nahezu aufrecht gehen konnte, aber ganz langsam war er gut zu schaffen.