Journal Freitag, 2. Oktober 2020 – Der OP-Tag

Samstag, 3. Oktober 2020 um 11:07

Nacht diesmal zerstückelt nicht von Schmerzaufwachen, sondern von den Zimmergenossinnen: Gegen das Schnarchen der einen halfen meine Ohropax, nicht aber gegen den lautstarken Protest der anderen, der mich aus dem Schlaf riss, auch nicht gegen ihren nächtlichen Austausch mit dem Pfleger, den sie anscheinend gerufen hatte, um ihm alle medizinischen Abenteuer des Tages zu erzählen (ich hörte nicht zu).

Wieder hatte ich böses Kopfweh. Wie von der Pflegerin geraten, ging ich in die Dusche (nochmal desinfizierendes Duschgel rundum), während die beiden Zimmergenossinnen frühstückten, “damit’s Ihnen nicht so schwer fällt, dass Sie keines bekommen”. Zwar wusste ich, dass ich Frühstück nicht vermissen würde, lauerte danach aber auf den Moment, in dem mich das Trinkverbot zu quälen begann. Das war dann gegen neun.

Bis ich kurz vor eins zur OP abgeholt wurde, peinigte mich das Kopfweh so sehr, dass ich mir gar keine anderen Sorgen machen konnte. Und das Ende dieser Schmerzen durch die Narkose war dann die erfreulichste Aussicht.

Der OP-Bereich im Keller erstreckte sich weit und erschien mir unübersichtlich. Im weiträumigen Flur wurde ich auf das schmale OP-Brett gerollt, ein Pfleger und eine Pflegerin nahmen mir das Hemdchen ab und deckten mich zu. Nächste Station war der Narkose-Raum. Ein Pfleger und der Anästhesist nahmen die Spinalanästhesie vor, meine Beine ab Unterleib wurden taub. Zwei der Chirurgen stellten sich vor, den einen kannte ich von der Untersuchung im Juni. Dann ließ man mich einschlafen (per Infusion).

Der Aufwachraum war groß und geschäftig, während meine Vitalwerte vor sich hin piepsten und überwacht wurden – untere Körperhälfte war weiterhin taub -, hörte ich ein bisschen den Gesprächen zu – Ärzteserie live. Ein Pfleger versicherte mir, das die OP gut verlaufen sei.

Zurück auf Station war ich um halb fünf, langsam wachten meine Beine auf. Auf das Abendbrot freute ich mich, schaffte aber nur eine Scheibe Brot mit Kräuterquark. Bis dahin hatte ich noch die Illusion, dass das ja wohl alles ein Spaziergang war und fühlte mich schon besonders brav, dass ich nicht allein schon mal aufs Klo ging.

Es war schon dunkel, als eine Krankenpflegerin kam, um mich nebens Bett zu stellen – ich bat darum, das gleich für einen Klogang zu nutzen. Brav befolgte ich ihre Anweisung, mich erst mal an den Bettrand zu setzen, und fand ihre Frage, ob mir jetzt schwindlig sei, eher überbesorgt: Nein, nein, mir war nicht schwindlig. Nächster Schritt Aufstehen. Ich plauderte noch mit der Pflegerin über die ungleiche Belastung der Beine, als mir wacklig wurde. Sie setzte mich in den Zimmerrollstuhl, doch jetzt verabschiedete sich mein Kreislauf gründlich. Ich wurde ins Bett gelegt, Beine hoch, Kopf runter, doch dann wurde mir übel. So peinlich mir das war: Ich verteilte das wenige Abendbrot großzügig über Nachthemd, Bett und Boden. Klogang war halt dann doch die gefürchtete Bettpfanne, und die (ungerührt gelassene) Pflegerin musste putzen und das Bett neu beziehen.

Und so rieb mir mein Körper über die nächsten Stunden rein, wie überhaupt kein Spaziergang dieser Eingriff gewesen war. Die Schmerzen quälten mich immer mehr, ich musste klingeln und um Medizin bitten. Die nur nichts nutzte, ich wurde richtig gebeutelt. Meine Zimmergenossinnen ermunterten mich, mich gerade jetzt kurz nach der OP immer mit dem Schwesternruf zu melden. Also tat ich das, jetzt bekam ich ein Schmerzmittel an den Tropf, das mich auch ein wenig schlafen ließ.

Weitere lustige Schmerzen, jetzt im Bauchraum, ein Klogang erschien mir sehr attraktiv. Ich wollte nicht schon wieder klingeln, machte mich ans Aufstehen – und wurde von der Pflegerin erwischt, die nach mir schauen wollte. Sie redete mir sehr freundlich und mit guten Argumenten ins Gewissen, dass ich bitte. nicht. allein. aufstehen solle. Sondern nach ihr klingeln. Gegen die neuen Schmerzen bekam ich eine Magentablette und legte mich wieder hin.

Beim nächsten Bedürfnis nach Klo klingelte ich also. Die Pflegerin schaffte es durch ihre wirklich freundliche und zugewandte Art, dass ich kein schlechtes Gewissen hatte. Wir verbrachten geschätzt ein nettes halbes Stündchen miteinander, bis ich vom begleiteten Klogang zurück war. Denn jeder Schritt der Aktion brauchte eine ausführliche Pause: Aufrichten, an den Bettrand setzen – nächstes Erbrechen, diesmal zielgerichtet und ohne Putzaktion. Lange Pause, bis ich mich wieder gesammelt hatte, ich plauderte mit der Pflegerin über Kindheitsgeschichten. Im Zimmerrollstuhl ins Bad, Kreislaufstabilisierung mit kaltem Wasser. Endlich Klogang, die Pflegerin machte mich darauf aufmerksam, dass ich mich dafür bis zu weißen Knöcheln festhalten musste. Ich war völlig zittrig und brauchte entsprechend lang, bis ich zurück im Bett war.
(Zur Beruhigung: Am nächsten Morgen ging’s besser.)

die Kaltmamsell

32 Kommentare zu „Journal Freitag, 2. Oktober 2020 – Der OP-Tag“

  1. Elfe meint:

    Daumen hoch und einer weiterhin gedrückt.

  2. Thea meint:

    Ich denke an Sie.

  3. Sabine Kerschbaumer meint:

    Heute ist der nächste Morgen und ich hoffe, es geht jetzt besser und das jeden Tag ein bisschen.

    (Einmal mehr wird mir bewusst, dass “Galle raus” ein Spaziergang war und ich bin dafür sehr, sehr dankbar!)

    Gute Besserung weiterhin.

  4. katha meint:

    alles gute! schnelle ge(h)nesung! und wenn es irgendwas hilft: meine mama bekam vor ich weiß nicht genau 12 oder 13 jahren nach jahrzehntelangen fast ständigen schmerzen eine neue hüfte und es war wie ein neues leben für sie, ist es bis heute und hoffentlich noch lange. das wird schon, sei nicht so streng mit dir und ihm (dem körper)!

  5. Croco meint:

    Jesass! Was für ein Ritt!
    Wünsche Dir alles Gute von hier nach dort.
    Und weiterhin viel Schmerzmittel unter dem Kiel.
    Ich denk an Dich und weiß so ungefähr, was Du mitmachst.

  6. Canzonett meint:

    Sich in so eine vorübergehende Hilflosigkeit hineinzufinden und andere damit zu belasten, ist scheußlich und doof, aber notwendig. Mach und sei das, was gerade geht. Dann passt es schon.

  7. Joriste meint:

    Liebe Kaltmamsell, oh je, es tut mir leid dass Sie so gebeutelt sind. Als ehemalige (da nicht mehr praktizierende) Intensivschwester habe ich dutzende, wenn nicht hunderte PatientInnen nach HüftOPs betreut und kann Ihnen versichern, dass ausreichende Schmerzmedikation unbedingt ein Grund ist, zu Klingeln und dass ein professioneller Umgang der Betreuenden genau so aussieht wie die Kollegin es gemacht hat. Bitte passen Sie auf sich auf und genehmigen Sie sich Schmerzfreiheit. Das ist kein Luxus sondern nötig. Gute Besserung!

  8. Gaga Nielsen meint:

    Kann man nicht für einen entsprechenden Aufpreis ein erholsameres Einzelzimmer buchen? An der Stelle würde ich nicht sparen, wenn es nur irgendwie organisierbar wäre. Bestimmt ist da eine bessere Erholung möglich. Gut, dass die schlimme Übelkeit vorbei ist. Jetzt geht es nur noch aufwärts!

  9. Angela meint:

    Alles rein an Schmerzmittel was geht!!! Niemand muss Schmerzen aushalten.

    War meine Erfahrung mit reichlich Morfium im Wochenbett nach Kaiserschnitt

  10. Christine meint:

    Ich wünsche von Herzen baldige Genesung.
    Neben der Wundheilung muss der Körper nun ja noch die Gifte abbauen, die für die Narkose notwendig sind.
    Lächerlicher Vergleich: Ich war am Donnerstag beim Zahnarzt und dort ist meine linke Gesichtshälfte lahmgelegt worden. Mein Körper hat bis heute gebraucht, den Dreck abzubauen – mir war immer wieder ein bißchen schwindelig und ich fühlte mich schlapp. Bei Ihnen sind das ja Mengen mehr an Medikamenten gewesen. Geben Sie sich die Zeit. Alles wird gut.

  11. Angela meint:

    Den Dreck?
    Dass das Schmerzmittel wieder abgebaut werden muss klar. Aber es als Dreck zu bezeichnen? Bin ziemlich froh, dass ich nicht im Mittelalter lebe.

  12. Viktor meint:

    Auch ich drücke die Daumen für baldige Besserung und möglichst wenig Schmerzen!

    Bei meinen eigenen OPs habe ich vorher dezent darauf hingewiesen, dass ich zu spontaner Gewalt gegenüber Schnarchern neige…

  13. Evi meint:

    Ach wie schön von Ihnen zu hören. Ich hab so viel an Sie gedacht. Ich hoffe, dass Sie nächste Woche in der REHA ein Einzelzimmer bekommen. Nächsten Samstag werden Sie auf Gehhilfen durch die Gegend laufen indisch über den OP-Erfolg freuen. Ich hab’s so oft gesehen. Und mich mitgefreut. (selbst 16 Wochen REHA, aber nicht wegen der Hüfte)
    Von ganzem Herzen wünsche ich gute Genesung

  14. Frank meint:

    Wie? Was? Hüftoperation? Ach du lieber … Das kommt davon, wenn man monatelang nur die Nachrichten über den Clown im Weißen Haus verfolgt und nicht auf die Vorspeisenplatte schaut. Jetzt muß ich erst mal diverse Seiten zurückblättern, um rauszukriegen, was da genau bei dieser Operation … eieiei … autsch … oh weh …

    Schließe mich allen an, die da sagen, du sollst dich bloß ordentlich bemuttern lassen! Wenn ich in der Nähe wäre, würde ich dir hartgekochte Eier und Nüsse vorbeibringen….

  15. Daniela meint:

    Schön dass alles gut gelaufen ist! Ohje das mit dem Übergeben nach OP kenn ich leider auch, mir war nach einer Nasen OP recht viel Blut in den Magen gelaufen. Mir war es unendlich peinlich, hatte aber auch eine sehr gelassene Krankenschwester erwischt für die das wohl nichts neues war. Weiterhin ganz rasche gute Besserung!

  16. Sandra meint:

    Bei entsprechender Verfügbarkeit sicher,aber oft gibts keine mehr.

  17. Berit meint:

    Weiterhin gute Besserung liebe Frau Kaltmamsell. Mir ging es nach der Geburt ähnlich, man denkt “Yeah alles super überstanden” bis man wieder aufstehen will. Was soll ich sagen… Es is wies is und auch das geht vorbei :)

  18. Mareike meint:

    Puh, gut, dass dieser Tag geschafft und vorbei ist. Hoffentlich sieht die Welt heute schon anders aus. Weiterhin alles Gute!

  19. Die Toni meint:

    OMG.
    Nicht umsonst erfüllt eine Operation strafrechtlich den Tatbestand einer Körperverletzung, in die Sie deshalb vorher einwilligen müssen. Sie hatten das in den vergangenen Wochen völlig zu Recht sinngemäß mal thematisiert (“MEIN Körper …!”).

    Viel Geduld und Tapferkeit und die nötige Demut … und eine möglichst schnelle Genesung wünsche ich Ihnen!

  20. FrauC meint:

    Schön, schon wieder von Ihnen zu lesen! Bitte machen Sie sich das Leben so angenehm wie möglich, nehmen Sie Schmerzmittel und lassen Sie sich helfen. Desto schneller kommen Sie im wörtlichen Sinn wieder auf die Beine. Alles Gute weiterhin!

  21. Trolleira meint:

    Gute Besserung und Kopf hoch, jeder Tag ist ein Schritt Richtung Genesung! Denke an dich und fühle mit!

  22. Gaga Nielsen meint:

    dafür hat der liebe Gott die Drogen erschaffen!

  23. Elisabeth Martin meint:

    Gute Besserung!

  24. Ilka meint:

    Gute Besserung! Blöd ist die Spuckerei nach der Narkose schon, aber das geht vorbei. Wenn das durch ist, geht es bergauf. Bei mir setzt dann immer die Demut vor der Medizin ein und vor den Menschen, die da berufsmäßig für einen da sind.

  25. Simone meint:

    Gute Besserung wünsche ich!

    Übrigens habe ich im letzten Jahr nach einer OP die gleiche Erfahrung gemacht: endlich wieder etwas essen, was ich dann umgehend nochmal wiedersehen durfte. War mir auch ein bisschen peinlich, muss es aber nicht, kommt wohl sehr oft vor. Überhaupt sollte man nach einer OP nicht tapfer und heldenhaft sein und jede Hilfe annehmen (ja, das ist schwer, wenn man Selbstständigkeit gewohnt ist). Und den wackeligen Kreislauf kenne ich auch gut. Ich habe fast eine Woche lang extrem viel getrunken, bis der Körper alle Gifte ausgespült hatte.

    Nochmals alles Gute (und Geduld).

  26. Markus meint:

    Ich bin sehr froh, geht‘s Dir den Umständen entsprechend gut!
    Meine Frau hat mir gerade bestätigt, dass sie nach Morphium auch keinen funktionierenden Magen hatte.
    Alles Gute!

  27. Tine meint:

    Gute Besserung!
    Es hat schon seinen Grund, weshalb der OP-Tag als Tag 0 bezeichnet wird. Besser wird es ab Tag 1.

  28. Nina meint:

    Alle guten Gedanken zu Ihnen!

  29. Gundi meint:

    Ach je, das klingt ja, im wahrsten Sinnen des Wortes, übel! Du Arme! Aber nun wird es hoffentlich besser, wenn auch erst einmal weiter anstrengend. Alles Gute und viel Erfolg bei den ersten Übungen.

  30. Christine meint:

    Liebe @Angela! Ich befürworte die Errungenschaften der modernen Medizin sehr. Das “Dreck” klang despiktierlicher, als es sein sollte. Ich bin sehr froh, dass wir Narkose- und Schmerzmittel haben. Aber der Köprer muss halt auch wieder dafür sorgen, dass sie aus selbigen rauskommen, was eine Drecksarbeit für ihn ist.

  31. Elisabeth meint:

    Wünsche von Herzen gute Genesung.

  32. renée meint:

    heute geht es hoffentlich besser! auch von mir alles gute und eine schnelle genesung!

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