Journal Mittwoch, 4. Mai 2022 – Die vergessene Trinkflasche

Donnerstag, 5. Mai 2022 um 6:36

Noch eine Nacht mit reichlich Schlaf, auch wenn er nicht besonders tief war. Beim Aufwachen hatte der Regen aufgehört.

Auf der Theresienwiese sah ich sogar Pfützen in den un-asphaltierten Bereichen!

Bei Ankunft im Büro Bestürzung beim Auspacken meiner Brotzeit aus der Arbeitstasche: Ich hatte vergessen, zu meinen Sportsachen für den Abend die Wasserflasche einzustecken. Ein Teil meines Hinterhirns war also den ganzen Tag mit den riesigen und unzähligen daraus resultierenden Problemen beschäftigt (Einfach nichts trinken, so schlimm ist eine Stunde Crosstrainer bei kühlen Temperaturen nicht? In der Cafeteria eine Flasche Apfelschorle kaufen und mitnehmen? Ach nee, ist aus Glas, könnte ich bei meinem legendären Ungeschick zerdeppern. Kleinen Umweg auf dem Weg zum Verein über Supermarkt machen, dort Apfelschorle in Pfandplastikflasche kaufen?).

Über den Vormittag gut machbare Arbeit.

Mittags gab es Birnen sowie Sahnequark mit Dosenpfirsichen (Rest von vor zehn Tagen). Dazu nochmal Regen, hurra. Er prasselte mit Vehemenz gegen die Fenster, vielleicht wusch er endlich den Saharastaub vom März fort.

Ich machte pünktlich Feierabend für Crosstrainer-Strampeln im Verein, Umweg über Supermarkt für Getränkkauf. Auf der Fitnessgalerie hörte ich mit Blick auf ein Basketballtraining (was mich immer an meinen Basketballtrainer-Bruder denken lässt) den Podcast Fix und Vierzig:
“11. Was müssen wir über die Wechseljahre wissen, Sheila de Liz?”
Zwar habe ich dann doch ein deutlich anderes Frauenbild als die interviewte Gynäkologin/Bestsellerautorin, und ihre nicht-medizinischen Verallgemeinerungen über “die Frauen” stießen mir wie alle solche unangenem auf (Grüße von einer Mittfünfzigerin, die weiße, kurze Haare saucool findet, siehe Jamie Lee Curtis). Doch ich bekam einige Informationen aus Jen Gunter’s Menopause Manifesto aufgefrischt, werde meinen Termin bei einer weiteren Gynäkologin nächste Woche mit konkreteren Fragen und Bitten antreten. Und ich lernte, dass der Facharzt Gynäkologie keineswegs tieferes Wissen über Hormone umfasst, dass Gynäkolog*innen wohl nur für die Fortpflanzungsfunktion des weiblichen Körpers ausgebildet werden.

Während meiner Sporteinheit ging draußen ein weiteres Gewitter mit Hagel und heftigem Regen herunter, ich sah die Spuren beim Verlassen der Sporthalle, musste tiefen Pfützen ausweichen. In fortgesetztem Regen ging ich nach Hause und wurde mittelnass.

Herr Kaltmamsell servierte zum Abendessen Kartoffel-Käse-Brei Aligot mit gebratenen Paprikaschoten und grünem Spargel aus der Pfanne – ganz wunderbar. Nachtisch Osterschokolade, im Fernsehen ließen wir Twelve Monkeys laufen, Brad Pitt und Bruce Willis in Höchstform. Aber an einem Arbeitstagabend habe ich nicht die Ruhe für einen ganzen Spielfilm, ich ging gewohnt früh ins Bett.

§

Laurie Penny veröffentlicht ein Kapitel aus ihrem Buch Sexual Revolution zur kostenlosen Lektüre, weil die dort gesammelten Fakten (für alle führt sie Quellen an, in den Ausschnitten unten habe ich die Fußnoten entfernt) und Gedanken zur Abtreibungsdebatte erschreckend akutell und relevant geworden sind.
“Do women have a Right to Life?”

Every year, in Great Britain, 10,000 people are treated for post-traumatic stress disorder as a result of giving birth, and tens of thousands more are injured in the process of delivery. One study found that several months after enduring labour, 29 per cent of women had fractures in their pubic bones and 41 per cent had tearing and severe damage to their pelvic floor muscles. For human beings, pregnancy and childbirth are dangerous, risky, exhausting, terrifying and painful. Even with modern medical advances, about one woman in 10,000 still dies in childbirth, and many more will be permanently and seriously injured. Women frequently emerge from pregnancy and childbirth with permanent nerve damage, lifelong pain or PTSD. In context, that’s about the same risk an American soldier takes on when he or she signs up for a tour of duty in a foreign war. Pregnancy and childbirth are brutal. And forcing them on anyone against their will is barbaric.

(…)

As the debate about a woman’s ‘right to choose’ to terminate pregnancy rages around the Global North, as sadistic restrictions on abortion access continue to be written into law by all-male committees around the world, the physical realities of pregnancy and birth are almost never discussed.

The public conversation around abortion still centres on the question of whether a fetus has human rights, whether a fetus can feel pain, whether a fetus is a person. The question of whether a foetus is a person is unanswerable by science. The question of whether a woman is a person, however, is not up for debate – and it is female personhood and female pain that ought to decide the issue. Sometimes, though, men get together in a room to decide otherwise.

(…)

Criminalising abortion makes female sexual agency a crime. That is what it is designed to do. It is very much the point. Give the Tony Tinderholts of this world some credit for candor: they’ve openly said that what they care about isn’t protecting babies but punishing sluts who think they can just have sex without social consequences. Consequences that could well include dying alone and in pain after a botched home abortion, or feeling your flesh tear and your bones break as you shove out nine pounds of raw, screaming need, delivered at gunpoint in the shadow of the electric chair.

(…)

Making abortion illegal doesn’t stop it from happening. Conservatives know that full well. In nations where abortion access is restricted, they don’t have fewer dead babies – but they have a lot more dead women. Around the world, 5 to 13 per cent of maternal mortality results from unsafe abortion. The point is to send a clear message that uppity hussies have been having their own way for far too long, and that there should be consequences. The point has never been that babies matter. The point is that women don’t.

§

Apropos: Hier eine rechtliche Einordnung des Entscheidungvorschlags des US Supreme Court zum Recht auf Abtreibung in den USA im Verfassungsblog. Autorin Sarah Katharina Stein ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Öffentliches Recht, Abt. 1: Europa- und Völkerrecht an der Universität Freiburg.
“Das Ende von Roe v. Wade”.

via @CucinaCasalinga

(Für solche Artikel habe ich mehr als ausreichend Leseenergie. Für “offene Briefe” von Künstler*innen zu ihnen komplett sachfremden Themen halt nicht. Menschen sind verschieden.)

die Kaltmamsell

6 Kommentare zu „Journal Mittwoch, 4. Mai 2022 – Die vergessene Trinkflasche“

  1. Sabine meint:

    Als Nicht-Juristin möchte ich höchst laienhaft anmerken, dass dieser „originalism“ Alitos, also das Argumententieren aus der ursprünglichen Bedeutung der Verfassung heraus, doch sektenhafte Parallelen hat. Ein fast 250 Jahre alter Text als unverrückbare Grundlage der Rechtsprechung? In dem die Kommata teils höchst verwirrend gesetzt sind?

    Als Englischlehrerin hingegen finde ich, dass die Aussprache von „Roe v. Wade“ (nix „versus“ hier, wir bleiben sportlich) ein Endgegner für Deutsche ist. Ein Grund mehr, die Entscheidung beizubehalten.

    Wie eine Freundin aus einem anderen Teil des Internets sagte: „I hate this timeline.“

  2. Poupou meint:

    Zumindest auf Juli Zeh trifft das Argument sachfremd m. E. nicht zu. Sie ist eine ausgezeichnete Juristin mit Schwerpunkt Völkerrecht. Das legt man eigentlich auch nicht durch Romane schreiben so einfach ab. Macht das alles natürlich im Ergebnis nicht besser.

  3. Susann meint:

    Vielen Dank für die interessante Verlinkung – als totaler Laie muss ich sagen, “wird in der Constitution nicht explizit erlaubt” scheint mir als Argument nicht besonders stichhaltig zu sein; es geht ja dem Supreme Court gerade darum, eine Verfassung aus einer völlig anderen Zeit und Gesellschaft in Hinblick auf eine (post)moderne Gesellschaft mit ihren Problemen und Herausforderungen zu interpretieren. Abgesehen davon gab es, und das erwähnt der Artikel ja auch, den Ansatz, Abtreibung nicht zu bestrafen, solange der Fötus nicht “quick” war – dies zu einer Zeit, in der Staat und Recht private Räume viel weniger regulieren konnten als heute. Heute, da das Recht viel mehr Lebensbereiche reguliert als vor 300 Jahren und es viel weniger “rechtsfreie” Räume gibt, müsste um so mehr Sorge getragen werden, dass Abtreibung zugänglich bleibt.
    Laurie Pennys Ansatz “blood & gore & childbirth” finde ich als Mutter wenig hilfreich – die Antwort auf Geburtsverletzungen ist nämlich nicht in erster Linie, Abtreibungsmöglichkeiten zu erhalten, sondern bessere medizinische Betreuung und Vorsorge bei Geburt & Schwangerschaft. Nützt mir ja nichts, wenn ich einen (vermeidbaren) Dammriss habe, man mir aber freudestrahlend versichert, hätte ich eine Abtreibung gewollt, hätte ich sie problemlos haben können. Nein, der Punkt ist eben nicht in erster Linie die Geburt und das ihr innewohnende Risiko, sondern, ob es statthaft ist, Frauen zu zwingen, sich gegen ihren Willen 20 Jahre lang den Bedürfnissen einer Person unterzuordnen und/oder Menschen zu zwingen, ggfalls 20 Jahre lang von einer Person abhängig zu sein, die sie nicht (materiell und emotional) versorgen will und/oder kann, mit dem Staat als überschaubar erfolgreicher fallback option.

    NB: Ich merke, wie wütend mich gerade der letzte Punkt macht – in den USA, wo sozialstaatliche Strukturen, die es solchen Kindern leichter machen könnten, kaum existieren, so zu tun, als wäre es “pro life”, wenn man gerade mal dafür sorgt, dass das Kind geboren werden muss, und sich dann aus den Geschehen zurückzieht -! I rest my case.

  4. Die M. meint:

    What Susann says.
    Danke!

  5. Sonni meint:

    Verfassungsrecht

  6. Corsa meint:

    Wollte nur kurz auf ein weiteres Buch zu Wechseljahren hinweisen: Miriam Stein: Die gereizte Frau.
    https://www.penguinrandomhouse.de/Paperback/Die-gereizte-Frau/Miriam-Stein/Goldmann/e593307.rhd

    Das Interview in der Sonntagszeitung ist leider hinter der Bezahlschranke
    https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/wechseljahre-bei-frauen-miriam-stein-fordert-einen-zeitgemaessen-blick-17975801.html

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