Journal Pfingstmontag, 6. Juni 2022: Berlin Tag 2 in Stichworten Luisenstadt-Friedhof, Liebermann-Villa, Verwandtschaft
Dienstag, 7. Juni 2022 um 9:15-
- Etwas schwierige Suche nach akzeptablem Morgenkaffee, weil Feiertag auch in Berlin bedeutet, dass Cafés tendenziell erst um zehn öffnen. Frühstück für Herrn Kaltmamsell, über uns Mauersegler, Geräuschkulisse aber dominiert von Spatzen.
Fledermaus!
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- Wetter: gemischte Wolken, warm, richtig für ein langärmliges Sommerkleid.
- U-Bahn zum Alten Luisenstädtischen Friedhof, ausgedehnter Spaziergang durch das wunderschöne Gelände mit vielen interessanten Grabmälern (allerdings deutlich weniger Informationen über die Verstorbenen darauf als auf dem Alten Südfriedhof in München), abschließendes Bankerlsitzen.
- U- und S-Bahn zum Wannsee: Die Fahrt zog sich länger als geplant wegen S-Bahn-Ausfalls. Viele Leute unterwegs, aber nicht in beängstigendem Maß. (Wie immer in Berlin freue ich mich an all dem Platz: Straßen und Gehwege sind im Schnitt doppelt so breit wie in München – Radwege bezeichnenderweise nicht -, ich kann immer besser nachvollziehen, warum sich Besuch aus Berlin in der Münchner Innenstadt umgehend überrannt und eingeengt fühlt.)
- Spaziergang vom Bahnhof Wannsee zur Liebermann-Villa. Sie hatte auf meiner ewigen Liste “in Berlin mal machen” gestanden, bei einem Check hatte ich zu meiner freudigen Überraschung entdeckt, dass sie dienstags und nicht wie sonst Museen montags geschlossen ist.
- Bewunderung der Gartenanlage Liebermann-Villa und der kleinen Ausstellung, Kaffeepause auf der Terrasse mit Kakao. Auf dem Rückweg zum Bahnhof aß ich vernünftig auch einen mitgebrachten Apfel.
- S-Bahn-Fahrt zur Berliner Verwandtschaft von Herrn Kaltmamsell, die in der Nähe wohnt, nämlich in Zehlendorf. Fröhliches Zusammentreffen mit ausgesprochen angenehmen Menschen, eine Verwandte aus dieser Generation war nach vielen Jahren Pause dabei. Währenddessen ging ein ausgedehnter Wolkenbruch nieder, der sich bereits einige Zeit lang mit dunklen Wolken angekündigt hatte.
Bahnhof Schlachtensee. In dieser Gegend denke ich immer mit schwerem Herzen an das Fräulein.
- Öffi-Fahrt zurück nach Friedrichshain, Abendessen bei einem veganen Vietnamesen, ich hatte einen Limette-Zitronengras-Eistee (sehr super, die Kombi mal merken), Mangosalat als Vorspeise, gedämpfte Udon-Nudeln mit Gemüse und gebratenem Tofu als Hauptgericht (gut!).
- Tagesabschluss sehr satt nahezu direkt ins Bett. Befinden weiterhin angespannt und belastet.
Schon am Vortag hatte ich die Ausgabe 158 des Literaturmagazins Granta ausgelesen – erstmals in diesem Jahrzehnte dauernden Abo hatte ich eine Ausgabe nicht gelesen, als die nächste eintraf. Recht gemischte Texte, aber einer hatte das ganze Buch gelohnt:
“The Picnic Pavilion” von Debbie Urbanski.
(Zu meiner großen Freude ganz online zur Verfügung.)
Eine Ich-Erzählerin stellt sich vor, wie sie sich mit drei verstorbenen Ahninnen trifft: Sie hat von ihnen die Veranlagung zu tödlichem Gebärmutterkrebs geerbt, an dem diese drei recht jung gestorben sind, hat bereits eine Totaloperation hinter sich, lässt sich bald die Brüste präventiv entfernen. Das Faszinierende an der Erzählung aber ist, dass die Stimme den Prozess des Erfindens und des Schreibens transparent macht, woher sie das Aussehen der Personen nimmt, warum sie ihr Verhalten genau so erfunden hat – ohne dass das die eigentliche Geschichte überlagert. Eine ungemein zur Zeit passende Technik, in der Unschuld und Naivität in Kreation und Kunst ihr Glaubwürdigkeit verloren hat.
2 Kommentare zu „Journal Pfingstmontag, 6. Juni 2022: Berlin Tag 2 in Stichworten Luisenstadt-Friedhof, Liebermann-Villa, Verwandtschaft“
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7. Juni 2022 um 10:32
Vielen Dank für den Link zu Debbie Urbanskis Text; darüber fand ich zu vintagedancer.com.
Dort kann ich in den textilen Mustern, Farben, Schnitten und Materialien verschiedener Lebensphasen verschiedener Vorfahrinnen stöbern, was ich ungemein spannend finde.
Der Text selbst bringt mich zu der Frage: “Was ist eigentlich wirklich das Schlimmste, das passieren kann?”
Einen anregenden weiteren Berlinurlaub wünsch’ ich!
7. Juni 2022 um 11:44
Das sind ja drei aufwändige Ausflüge an einem Tag, das “abzuarbeiten” klingt anstrengend, selbst bei entspannter Grund-Disposition. Da ich selbst gerade mit Zug und Bus zwischen Berlin und Niedersachsen unterwegs war, ohne spektakuläre Zusatzausflüge, lediglich einem Programmpunkt (Gartenfest) und mich erholungsbedürftig fühle, frage ich mich, ob es eine Alterserscheinung ist, zu viel hin- und her und Termine (Abfahrtzeiten) beachten zu müssen, als derart anstrengend zu empfinden. Freizeitstress ist meine Sache nicht.