Journal Dienstag, 13. September 2022 – Mit dem Zug nach Paris

Mittwoch, 14. September 2022 um 7:41

Mein Wecker klingelte um fünf, denn die Direktverbindung München-Paris fuhr deutlich vor sieben vom Münchner Hauptbahnhof ab.

Reisefertig.

Wir waren so früh aufgebrochen, dass wir uns noch zum Starbucks auf einen Cappuccino setzten (zumindest hatte ich einen kleinen solchen bestellt; in der heißen Milch erahnte ich den Espresso lediglich vage), Herr Kaltmamsell frühstückte Croissant.

Pünktliche Abfahrt, mein erstes Mal TGV.

Herr Kaltmamsell döste, ich gucke Morgennebel, las auf meinem Smartphone die Zeitung, dann Roman. Ein wenig aufregend wurde es doch: Die Zugchefin fragte über Lautsprecher nach einem Arzt oder Sanitäter, ein Fahrgast brauche medizinische Hilfe. So jemand fand sich dann auch (erneute Durchsage), dennoch musste der Zug außerplanmäßig in Göppingen anhalten, um diesen Fahrgast zu versorgen.

Gegen zehn ging ich auf einen weiteren Cappuccino in den Speisewagen, der hier “Bar” hieß. Ich genoss über meinem Kaffee die Aussicht vom oberen Stockwerk, unsere Plätze waren im unteren. (Zweigeschoßige Schnellzüge, das ist aber mal eine gute Idee!)

Amüsement im Abteil, als bei Überqueren der Grenze die Marsellaise über die Lautsprecher ertönte. (Ich bin jetzt SEHR gespannt auf die Rückfahrt.) Bis Paris war die Verspätung wegen des medizinischen Notfalls wieder eingeholt, wir kamen pünktlich nach nicht mal sechs Stunden Fahrt gen Westen in Paris Est an. (Papierlose und halb kaputte Zugtoiletten kann aber auch die französische Bahn.)

Sogar die Bahnhofsuhren sehen in Paris anders aus!

Das Wetter war beim Aussteigen bewölkt, zudem überraschend warm und schwül, ein Apotheken-Thermomenter zeigte 29 Grad an. Ich steckte meine Jacke schnell weg.

Herr Kaltmamsell ist für den Paris-Teil unserer Reise zuständig, also bis Freitag. Er lotste uns zu unserem Hotel in Montparnasse (U-Bahn-Tickets kaufen, U-Bahn finden, von der Haltestelle zum Hotel finden) – in Montparnasse, weil ich meine inneren Bilder von der Hemingway-in-Paris-Zeit zum Leben erwecken wollte.

Einer der Wallace-Brunnen aus dem 19. Jahrhundert (von einem Engländer errichtet). Was eine gescheite Großstadt ist, hat öffentliche Trinkwasserbrunnen.

Unser Zimmer war noch nicht bezugsfertig, also stellten wir lediglich unser Gepäck ab und zogen los (kurze Überforderung, weil ich mit Ausruhen und geruhsamem Plänemachen gerechnet hatte). Erst vor einer Woche hatte mir eine Freundin von einer kunsthistorischen Exkursion nach Paris zur Großen Moschee erzählt. Bis dahin hatte ich nicht mal von deren Existenz gewusst, aber gleich mal gesehen, dass sie in Fußnähe unseres Hotels lag. Also spazierten wir dorthin.

Diese Mitte der 1920er Jahre im maurischen Stil erbaute Moschee war den französischen Muslimen als Ausdruck des Dankes für die Beteiligung der nord- und westafrikanischen Kolonial-Soldaten islamischen Glaubens am Ersten Weltkrieg gestiftet worden.

An den Wänden Steinschneidekunst und Kacheln.

So sieht also ein Minarett mitten in einer westeuropäischen Stadt aus.

Ein sehr interessanter Bau. Im großen Gebetsraum (für Besucher gesperrt) sahen wir durch die offenen Türen einzelne Männer beten, sehr verschiedene – klar, ebenso halt, wie in Kirchen Menschen beten.

Von dort mäanderten wir ein wenig durch die Straßen. Herr Kaltmamsell bat um eine Pause in einem Café, dort trank er ein Glas Bier und aß eine Schale Pfirsich-Crumble, ich trank meine erste Orangina (gut!).

Auf der Karte sah ich, dass der Pantheon nicht weit war; wir beschlossen einen Spaziergang dorthin. Google Maps lotste uns durch besonders malerische Gassen, unsere Paris-Klischees kamen ganz auf ihre Kosten.

Auf eine Besichtigung des Pantheon hatten wir dann doch keine Lust (sahen hier aber von der Ferne sowohl Eiffelturm als auch Notre-Dame, hatten damit Paris praktisch durch), viel interessanter fand ich die benachbarte Kirche St-Étienne-du-Mont.

Die sahen wir auch von innen an.

Genug gesehen für einen Tag, wir waren erschöpft. Also Spaziergang zurück zum Hotel in Montparnasse. Unterwegs wurde ein weiteres meiner Paris-Klischees erfüllt: Wir begegneten zahlreichen Menschen (Frauen) mit Baguette unterm Arm, wohl frisch fürs Abendessen in den auffallend zahlreichen Bäckereien besorgt.

Wir bezogen unser kleines Hotelzimmer und ruhten uns aus. Hunger hatte ich auch nach dem bisherigen Tag ohne Essen nicht, aber Lust auf Essengehen. Zwar hatte ich einige Restaurantempfehlungen notiert, doch die lagen uns alle zu weit entfernt. Wir ließen uns gleich ums Eck von Sympathie leiten und aßen draußen vor einer Brasserie Onglet de boeuf (Herr Kaltmamsell) und Rindertartare jeweils mit Fritten – schmeckte uns jeweils gut.

Dazu trank ich Citrone pressé, weil das irgendwelche literarischen Erinnerungen auslöste. Es erwies sich als frisch gepresster Zitronensaft, der mit Zucker und Wasser zum Selbermischen serviert wurde.

Anschließend spazierten wir noch ein wenig durchs Viertel, Herr Kaltmamsell kaufte uns zum Nachtisch gefüllten Brandteig: Ein Nougat-Eclaire für mich, ein Religieuse au café für ihn. Es wurde deutlich später dunkel als in München, wir waren halt weiter westlich.

die Kaltmamsell

9 Kommentare zu „Journal Dienstag, 13. September 2022 – Mit dem Zug nach Paris“

  1. julisonne meint:

    wow, wie super, dass man mit dem tgv so schnell von münchen nach paris kommt! ich wünsche euch eine super gute zeit dort.

  2. Beate meint:

    Merci beaucoup schon jetzt für den Bericht und die Fotos – mit dem TGV bin ich noch nie nach Paris gefahren, nur mit dem ICE. Doppelstöckig sieht toll aus!
    Die Marseillaise wurde im ICE nie gespielt …

  3. Rainer meint:

    Schönen und erholsamen Urlaub!!!

  4. B. Reimers meint:

    Ich wünsche natürlich auch eine schöne, erlebnisreiche und gleichsam erholsame Reise… wunderte mich aber über Ihre abschließende Minarett-Aussage. Hier in Berlin – wo Sie ja auch allenthalben weilen – gibt es mehrere Moscheen, selbstredend mit Minarett bzw. Minaretten, die auch mitten in der Stadt stehen. Zum Teil mit wunderschönen Anlagen (die Moschee in Wilmersdorf beispielsweise, fast direkt am Hohenzollerndamm, erbaut ebenfalls Mitte der 1920er).

  5. Joël meint:

    Mist. Ich wollte euch beiden noch sagen, dass ihr im TGV an der Bar auch Metro Tickets kaufen könnt. Die sind zwar ein paar Cent teurer, aber damit entfällt das lästige Warten vor einem Schalter oder Automaten. Weiterhin eine schöne Reise.
    Das mit der Marseillaise ist mir neu. Die müsste ich ja dann auch jedesmal hören, wenn ich von Luxemburg aus damit fahre.

  6. Julia meint:

    Das mit der Marseillaise dürfte vielleicht an einem gewissen Fußballspiel am gestrigen Abend gelegen haben (mein Verein (Eintracht Frankfurt) gewann gegen Olympique Marseille, btw). Wenn ich von Frankfurt nach Paris fuhr wurde da nie die Marseillaise gespielt. Aber wie angenehm das Reisen mit dem französischen Schnellzug ist, fiel mir auch schon auf… Ich wünsche Ihnen beiden viel Freude in Paris. Einen Restaurant-Tipp, der Ihnen beiden gefallen könnte, habe ich auf Instagram hinterlassen. Aber vermutlich sind sie versorgt – und das eigene Entdecken macht ja ohnehin so viel mehr Spaß!

  7. Sebastian meint:

    Sehr gerne gelesen!

  8. Tina meint:

    Hach wir haben so eine ähnliche Reise 2018 mit dem Zug gemacht, erst paar Tage Paris, dann ans Meer bei Narbonne. Es war wunderbar. Sie haben vermutlich reichlichst Pläne für die Woche, aber ich möchte doch den Tip für das Museum Nissim de Camondo da lassen. Sehr hübsch, mit spektakulärer original erhaltener Küche, und klein genug dass man hinterher nicht total erschlagen ist. (Die Historie der ehemaligen Besitzerfamilie ist allerdings tragisch.)
    Schönen Urlaub ansonsten.

  9. Daniela meint:

    Die Marsellaise beim Überqueren der Grenze wurde auf meiner Fahrt im Juli auch gespielt, dazu Edith Piaf (hab vergessen, was) bei der Einfahrt in den Gare de L‘Est. Und wir hatten einen Zugbegleiter, der nicht müde wurde, immer wieder von Paris, der Stadt der Liebe und des Lichtes, zu schwärmen. Eine tolle Fahrt…
    Eine Zufallsentdeckung in Paris möchte ich mit Ihnen teilen, den Viaduct des Arts: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Viaduc_des_Arts
    Das ist eine Promenade auf der ehemaligen Hochbahnstrecke mit tollem Blick von 10 Meter Höhe in die Straßenzüge von Paris (unweit Bastille).

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