Journal Dienstag, 10. Januar 2023 – Wir lernen Lindy Hop

Mittwoch, 11. Januar 2023 um 6:26

Diesmal wieder eine Nacht mit normal gutem Schlaf.

Das Draußen war düster und kalt.

In der Arbeit weiter einiges Tempo und viele Menschen. Späte Mittagspause mit Clementine, außerdem Granatapfelkerne (ich habe meine Energie fürs Puhlen zurück) in Mandeljoghurt (ausprobiert, weil es keinen Sojajoghurt gab – schmeckt mir nicht so gut).

Sah aus wie Bubble Tea.

Leider fror ich wieder den ganzen Tag im Büro, trotz Kaschmipulli mit Untershirt. Ich werde also wieder zu den dicken Pullis greifen müssen.

Recht pünktlicher Feierabend, ich hatte ja noch etwas vor. Und besuchte davor nochmal den Leder Baumann beim Sendlinger Tor, um einen Gürtel anfertigen zu lassen – jetzt ist aber die halbe Familie versorgt.

Eine der selten besungenen Eigenheiten des südlichen Bahnhofsviertels von München ist seine absurd hohe Dichte an Tanzschulen, je näher am Deutschen Theater, desto dichter (es gibt auch eine im Deutschen Theater). Vor allem an der Sonnenstraße und der Schwanthalerstraße stapeln sich die Tanzschulen und -studios, ob Salsa, Flamenco, Step- oder Turniertanz. (Mag vielleicht mal eine Lokaljournalistin herausfinden, woran das liegt?) In einer davon, einer klassischen Tanzschule, hatte ich vor zehn Jahren schon mal Zwiefachen gelernt. Mit Herrn Kaltmamsell ging ich gestern Abend in eine Tanzschule im Gebäudekomplex des City-Kinos: Wir wollten endlich Lindy Hop lernen. Die Tanzschule Vintage Club, bei der wir uns angemeldet hatten, sitzt im 3. Stock, wir passierten auf dem Weg hinauf den Tanzsportverein Gelb-Scharz-Casino im 2. Stock.

Wir tanzen ja beide gern, und Lindy Hop hatten wir seit Jahren lernen wollen – Herr Kaltmamsell besitzt sogar das passende Outfit. Doch erst kam Corona, dann musste ich eine Weile stupsen, Ende letzten Jahres musste Herr Kaltmamsell stupsen, jetzt waren wir endlich beisammen. Und mit uns sehr, sehr viele andere Tanzwillige – ich hatte mal wieder den Neujahrsimpuls unterschätzt.

Überrascht war ich auch davon, dass wir von eher jungen Leuten umgeben waren, bei der Anmeldung wurden viele Studierdendenausweise gezeigt, diese Leute sprachlich sehr international (auf die Frage des Tanzlehrers, ob jemand kein Deutsch spreche, meldete sich aber niemand) – ich hatte nicht erwartet, dass wir zu den ältesten zählen würden. Der Tanzsaal aber sah gar nicht überraschend aus: Ein wenig Flitter und eine Diskokugel an der Decke, Spiegel an einer Wandseite, Tanzboden aus Parkett (“Keine Straßenschuhe!”), eine kleine Bar, darin die Quelle der Musik. Die Gestaltung eher auf Arbeitsebene, ein sehr großer Unterschied zu dem feinen und durchgestylten Plüsch meiner Tanzkurse als Teenager (Tanzschule Fischer in Ingolstadt, “Tanz mit dem Weltmeister”).

Wiederum erwartungsgemäß wurde in Leader und Follower unterteilt (auf einem großen Fest vor ein paar Jahren hatte ich meine erste Lindy-Hop-Einführung bekommen und das bereits erlebt), wobei die Follower ausschließlich Frauen waren, die Leader zu 90 Prozent. Und dann lernten wir 6 count, 8 count und 10 count Grundschritte – beim Lindy Hop muss der Leader sogar den Grundschritt bestimmen und führen. Das Ganze involvierte regelmäßige Partnerwechsel, auch darauf war ich vorbereitet; und obwohl ich innerlich davor zurückschrecke (-> fremde Menschen), weiß ich aus Erfahrung (Volkstanz, Zwiefachen-Tanzkurs), dass ich bei jedem Partner etwas dazulerne. So auch diesmal, als mir einer der ersten Wechselpartner einen Trick in der Tanzhaltung verriet – er war kein Neuling. Mein letzter Leader war eine Frau, mit ihr tat ich am Ende der Stunde bereits etwas, was man “Tanzen” nennen könnte.

Entsprechend spät servierte Herr Kaltmamsell Abendessen: Kurz vor neun gab es den Linseneintopf mit Trockenpflaumen, den er vorbereitet hatte. Rezept aus dem Gethsemanekloster-Kochbuch:

(Leicht variiert.) Schmeckte sehr gut. Nachtisch Schokolade.

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Eine Folge des Klimawandels: Schneemangel in Skigebieten. Am Sonntag kam in der Tagesschau (ab min. 13:20) ein trauriger Hüttenwirt zu Wort, zwischen leeren Tischen, im Hintergrund grüne Skipisten. Zu Wort kam auch Klimaforscher Reto Knutti von der ETH: Das bleibt jetzt so. Während ich darin die politische Notwendigkeit sehe, für Skigebiete Strukturwandel-Konzepte zu erarbeiten, steckt mein bayerischer Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger das Geld lieber in noch mehr Schneekanonen und noch mehr Skilifte (€):
“Wenn selbst Schneekanonen nicht mehr helfen”.

Bitter ist das auch, weil Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) vor nicht einmal einem Jahr dort eine Millioneninvestition verkündete: Knapp 5,8 Millionen Euro möchte Aiwanger dem Landkreis Freyung-Grafenau für den Bau von Sesselbahnen zuschießen. Auf sogar 20 Millionen Euro soll die staatliche Unterstützung in den nächsten Jahren anwachsen. Kritik, wonach in Zeiten des Klimawandels solche Investitionen fehl am Platz seien, wischte Aiwanger damals bei Seite. Was in fünfzig Jahren sei, wisse niemand. “Aber man sollte keine Weltuntergangsstimmung verbreiten”, sagt Bayerns Wirtschaftsminister.

Aiwanger hat die Rückendeckung von Landtag und Staatsregierung, im Zuge des bayerischen Seilbahn-Förderprogramms weitere Millionen Euro in neue Skilifte und Schneekanonen zu pumpen. “Die Verlängerung der Seilbahnförderung ist bereits beschlossen, die Freigabe erfolgt voraussichtlich noch im Januar”, sagt eine Ministeriumssprecherin. Für dieses Jahr können die Skigebiete mit Zuschüssen in Höhe von zehn Millionen Euro rechnen. Seit 2009 schon leistet sich der Freistaat das Programm. Insgesamt sind seither gut 90 Millionen Euro Fördergeld in Bayerns Skigebiete geflossen.

(Am End’ entwickelt sich The Last Chairlift von John Irving in der zweiten, nicht gelesenen Hälfte zum Klimakatastrophen-Roman?! Spass.)

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Außerdem gebe ich hier einen Lesetipp von Buddenbohm & Söhne weiter: Biologin Meike Stoverock prüft die These, der Mensch könne sich dem Klimawandel biologisch anpassen.
“Klimakrise: Macht nix, wir passen uns an!”

Als tl;dr ihre Schlussfolgerung:

Alles passiert viel schneller, als dass Wirtschaft, Politik oder Technik friedliche Lösungen erarbeiten könnten. Während Bauern irgendwo in ärmeren Regionen an klimabedingten Ernteausfällen verzweifeln, diskutieren wir hier noch über Tempolimits und Kohlebergbau. All das muss man bei dem vagen und oft sehr naiven Geschwurbel über Anpassung vielleicht mal mitdenken.

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Eine ganz andere Sicht aufs Fleischessen, nämlich eine historische und auf die westliche Welt ab dem 16. Jahrhundert. Mit vielen überraschenden Informationen, unter anderem wie lange schon an Fleischersatz geforscht wird.

“Fleisch im 19. und 20. Jahrhundert – Ein Längsschnitt in Thesen”.
via Link von Herr Kaltmamsell

die Kaltmamsell

6 Kommentare zu „Journal Dienstag, 10. Januar 2023 – Wir lernen Lindy Hop“

  1. Hauptschulblues meint:

    Dass den Lindy vor allem Jüngere tanzen, ist bei der Akrobatik, die kommt, ganz normal. Wir waren bei R`n`R und Boogie auch immer unter den Älteren und hielten uns, der Beweglichkeit entsprechend, immer wieder mal zurück.

  2. Joël meint:

    Den Lindy Hop möchte ich bitte beim nächsten Rosenfest von euch beiden sehen.

    @Hauptschulblues
    Der normale Lindy Hop ist gar nicht so akrobatisch. Das ist vor allem viel Beinarbeit, siehe hier:
    https://youtu.be/9GTrNLauLrs

  3. Hauptschulblues meint:

    Siehe auch hier: https://www.youtube.com/watch?v=ahoJReiCaPk

  4. Nadine meint:

    Joël: Ist viel Beinarbeit nicht auch eine Form von Akrobatik?

    Das wäre es zumindest für mich :)

  5. die Kaltmamsell meint:

    Jetzt haben Sie meinen Traum von einer Lindy-Hop-Tanzkarriere in Hollywood zerstört, Hauptschulblues!

  6. Sebastian meint:

    Linnyhopp und Linsesupp? Find isch guuut!

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