Journal Donnerstag, 4. Mai 2023 – SONNE! LICHT! (Und Theaterdiskussion)

Freitag, 5. Mai 2023 um 6:41

Guter Nachtschlaf, ich wachte vor dem Klingeln des Weckers auf, der mir eine halbe Stunde mehr ermöglicht hätte.

Draußen zeichnete sich der angekündigte Sonnentag ab, ich freute mich sehr.

Spannender Weg in die Arbeit, unter anderem wegen Sonnenlicht.

Das Schneckerl am Bavariapark hat eine Kunstwerk-Erweiterung bekommen: Den Schneckengarten.
(Ich setze hiermit „mit Augenzwinkern“ auf die Liste der Floskeln, die ich Textautomaten verbieten würde.)

Zum Mittagscappuccino testete ich eine neue Quelle.

Der Cappuccino war ok, aber den arg weiten Weg nicht wert, zudem bekam ich ihn nur mit Bedienung (bin Thekentrinkerin) und im Glas.

Das Draußen war weiter herrlich, außerdem gerade mal zwischen kurzen und langen Ärmeln warm – mein liebstes Wanderwetter.

Beim Zurückkommen sah ich überm Bürohaus einen (unseren?) Falken, Tag noch mehr gerettet.

Mittagessen: Apfel, Pumpernickel mit Butter, Birne.

Der Nachmittag war intensiv, aber erfolgreich. Nach Feierabend spazierte ich (durch immer noch Sonnenschein) zum Beine-Enthaaren. Enthaarerin wohlauf und weiterhin berstend vor Temperament.

In freier Wildbahn blüht der Flieder bereits wie verrückt – aber Herrn Kaltmamsell verkauft man am Viktualienmarkt immer noch keinen.

Zu Hause Yoga-Gymnastik, dann war ich fürs Abendessen zuständig – wie ich das immer donnerstags während der Salat-Saison bin.

Aus Ernteanteil: Eichblattsalat, Radieserlblätter, Schnittknoblauch mit Joghurtdressing und Eiern. Köstlich. Dann noch ein wenig Käse, gefolgt von reichlich Schokolade.

§

Da auch ich diese Woche einen erschreckend leeren Zuschauerraum in den Kammerspielen erlebt hatte, holte ich einen Artikel der alteingesessenen Theaterkritikerin der Süddeutschen Zeitung, Christine Dössel, vom 8. April nach, der viel Widerhall in den Medien gefunden hatte (und mal wieder nur für mindestens den Preis eines Tagesabos zu lesen ist – €).
“Münchner Kammerspiele:
‘Da geh ich nicht mehr hin'”.

Als ich Dössels Diagnose las, fiel mir allerdings doch das Gesicht runter – und ich verstand den Applaus von Menschen mit Neigung zu gesellschaftspolitischem Revisionismus wie Jan Fleischhauer.

Intendantin Barbara Mundel fährt mit ihrem Ansatz von Diversität, Inklusion und Artivismus einen Kurs woker politischer Theaterkorrektheit, der kaum ankommt.

In Dössels Liste von Stammtisch-Reizwörtern fehlt nur noch “feministisch” (das holt sie später nach) (und “Gutmensch”?) – und ich wünsche mir sehr, sie möge mir “woke” definieren. Dieser Erklärungsansatz ist nun wirklich nicht hilfreich.

Dabei hätte sie Analysen wie diese weiterverfolgen können:

Man hat einen interessanten Ansatz – hier: den vergessenen Friedenskongress, den mutige Frauen 1915 während des Ersten Weltkriegs organisierten -, findet dann aber keine ästhetisch überzeugende, über simples Bekenntnistheater hinausgehende Umsetzung.

Sie führt weitere nachvollziehbare Kritikpunkte aus: Zu viel Englisch, “fade Video-Einführungen”. Dass Dössel sich dann aber an Programmerklärungen in einfacher Sprache stößt, verrät peinliche Wissenslücken.

Man kann sich davon auch, wie so oft an diesem didaktisch und moralisch bevormundenden Theater, unter Niveau angesprochen fühlen.

In diesem Mechanismus liegt der Schlüssel, ihn habe ich oft erlebt: Viele Menschen, die auf die Einseitigkeit gewohnter Sichtweisen hingewiesen werden, auf den Schaden und die Marginalisierung, die diese anrichten – fühlen sich angegriffen und bevormundet, ihr Reflex ist um sich zu schlagen.

Es ist hier alles sehr gut gemeint, aber im Ergebnis oft nicht gut gemacht. Ästhetisch und inhaltlich ist vieles sensationell dürftig. Langweilig, vordergründig, sofort durchschaubar.

Jetzt ist Dössel wieder auf dem Feld ihrer Expertise und nachvollziehbarer Kritik. Doch dass dabei selbst die Nora-Inszenierung unter die Räder ihres Furors gerät, geht an mir vorbei: Ich fand sie ausgesprochen kunstfertig (und Dössel selbst gibt zu, dass diese ein Publikumsrenner ist). Ja, ich finde es sehr notwendig, über den künstlerischen Stand der Münchner Kammerspiele zu sprechen (und darüber, wie und warum die Erfolgsgeschichte wohlgemerkt vom vorherigen Intendanten Matthias Lilienthal kaputt geschlagen wurde, inklusive Fortgang vieler Schauspiel-Stars). Aber Dössel macht den Missstand zum Ziel eines Angriffs, der mehr mit ihr als mit Theater zu tun hat.

die Kaltmamsell

6 Kommentare zu „Journal Donnerstag, 4. Mai 2023 – SONNE! LICHT! (Und Theaterdiskussion)“

  1. Britta meint:

    Guten Morgen,
    Vielen Dank für die Ausschnitte aus dem Artikel zu den Kammerspielen und Ihre Gedanken dazu.
    Ich muss jetzt dringend nochmal hingehen und mit mein eigenes Bild machen.
    Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende,
    Britta

  2. Sigrid meint:

    Den Schneckengarten finde ich hervorragend. Und über Theater kann wie trefflich streiten.
    Hier in Chemnitz ist es die absolut entromantisierte Inszenierung des “Freischütz”

  3. sabine meint:

    Spannend die Theaterdiskussion. Würde so gerne verstehen, warum ich leidenschaftlich gern in London ins Theater gegangen bin (als ich dort für ein paar Jahre wohnte) und auch jetzt bei jedem Besuch mindestens 1-2 Aufführungen einplane, ich aber fast jedes Mal ratlos bin nach Aufführungsbesuchen in den Kammerspielen oder im Residenztheater. Volkstheater geht.

    Logistisch bevorzuge ich auf jeden Fall das Modell in London wo in einem Theater jeden Abend das gleiche Stück gespielt wird, bis es abgesetzt wird – hier finde ich es oft total verwirrend, aber das ist nur eine Randerscheinung.

    Vielleicht nagen Kammerspiele & Co auch einfach nur an meinem Selbstbewusstsein, weil sie mir immer das Gefühl geben zu doof für das Stück zu sein – vielleicht bin ich es ja auch einfach ;)

    Liebe Grüße und schönes Wochenende, Sabine

  4. die Kaltmamsell meint:

    Mir hilft da, sabine, die Erkenntnis, dass Theater etwas völlig Anderes als Lesen ist, dass zeitgenössisches Theater viel mehr von bildender Kunst hat. Es geht also nicht um Verstehen (“zu doof für das Stück”), sondern um Anregungen, Assoziationen, Querverbindungen. Theater ist Show.

  5. Beate meint:

    Mir kommt es vor, dass “woke” das Schlagwort für 2023 ist. Genauso wie “Gutmensch” für 2016. Und “Halbstarke” für die 50er.

  6. Stadtneurotiker meint:

    Vielen Dank für die Zusammenfassung von Dössels Kritik! Mangels Zugang konnte ich sie noch nicht lesen, bemühte mich jedoch nicht darum, weil ich ihren Abgesang auf Lilienthal von fünf, sechs Jahren schon so unsäglich fand.

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