Journal Dienstag, 11. Juli 2023 – Brighton 8 mit Einkaufslage und englischem Fernsehen

Mittwoch, 12. Juli 2023 um 9:15

Unruhig aber ausgeschlafen.

Nachdem mir kürzlich auffiel: Bei meiner täglichen Bloggerei über Alltag und Kleinigkeiten muss man schon ganz schön lange mitlesen, um meine biografische Eckdaten mitzubekommen – fasste ich sie als Service in einem Blogpost zusammen, den ich in meiner About/FAQ-Seite verlinkte.

Es war kühles Wetter mit Wind angekündigt, ich probierte nochmal eine Laufrunde. Ging besser als am Samstag, die Wadenschmerzen setzten später ein und störten nicht wirklich. Gestört fühlte ich mich aber durch die unangekündigte Sonne, die vor allem am weißen Undercliff Walk blendend abstrahlte.

Bei Ebbe roch es besonders schon algig und tangig-salzig nach Meer, ich atmete tief und mit Genuss.

Links Flügel trocknender Kormoran in Brighton Marina. Kurz drauf sah ich rechts über den steilen Felsen einen Falken rütteln

Schon auf meinem letzten Stück Lauf stimmte das mit Wind und Kühle, eventuelle Badepläne ließ ich fahren.

Um italienisches Essen mache ich in England einen großen Bogen; zwar weiß ich aus Italien-Aufenthalten, dass auch das in München nicht identisch ist mit der besten Version im Land selbst, doch England interpretiert es bis zum Nicht-mehr-Wiedererkennen. Doch dieser Tage sah ich bei einem Spaziergang durch North Laine auf Tellern Pizzen, die genau meinem Geschmack entsprachen: Unregelmäßig und offensichtlich handgeformt, mit brotigem, saftigen Rand. Zu diesem Lokal, Fatto a mano, gingen wir gestern zum späten Mittagessen um halb drei.

Herr Kaltmamsell hatte eine Capricciosa, ich eine mit Aubergine und Räucher-Ricotta, wir waren beide sehr zufrieden. Wir beobachteten, dass die Einheimischen zu ihrer Pizza gerne Pommes und Dips bestellten, auch bei diesem besonders guten Teig Teile des Rands übrig ließen, als sei er nur Verpackung. Andere Länder, Sitten etc.

Danach trennten wir uns, jede*r ging eigenen Einkaufsinteressen nach. Ich stöberte unter anderem in Kleidung, auch wenn ich wirklich, wirklich nichts brauche. Dabei fiel mir vor allem das ausgesprochen minderwertige Material auf. In Schuhläden besteht das Angebot für Frauen zu 90 Prozent aus Turnschuhen und Birkenstocks, Rest hochhackige Party-Schuhe.

Ich spazierte bis zu einem bestimmten Weinladen im Viertel Seven Dials, entdeckte dadurch eine äußerst lebendige Ladengegend. Der Laden war auf der Website des Weinguts Breaky Bottoms, das wir am Vortag passiert hatten, als Händler für deren Produkte angegeben, ich hätte sehr gern eine Flasche probiert. Doch Herr Weinverkäufer wusste von nichts, und er arbeite schon seit vier Jahren dort. Interessant übrigens, dass Weinhandel hierzulande auch exklusive Biere und Ciders anbietet.

Preise, Sortiment, Versorgungssituation: Unsere Erfahrungen der vergangenen beiden Wochen in England.
– Die Gastronomie-Preise liegen unter denen in München. (Und in vielen Restaurants wird auf der Rechnung automatisch eine Service-Pauschale von 12 Prozent zur Endsumme addiert.)
– Das Obst- und Gemüse-Sortiment im Supermarkt ist mit nur wenigen Lücken vorhanden, doch die Vielfalt ist nur ein Schatten von früher, als ich Touristenfotos von zehn Sorten Champignons im Regal machte. Selbst jetzt, in der reichhaltigsten Obstzeit des Jahres, gibt es statt wie früher mehrere Sorten Pfirsich, Nektarinen, Aprikosen, Pflaumen, Kirschen von allem höchstens eine. Und die auch nicht mehr als zusätzliche Auswahl “perfectly ripe”, ein Konzept, das ich in England kennenlernte: Auf der Mango steht jetzt explizit “sweet and juicy when ripened at home”. Dafür schreien ganz viele Verpackungen “only from British farmers”.

Grauer und frischer (ich genieße es und tanke Kühle für München) Nachmittag in der Ferienwohnung mit Lesen und mit Recherchen für den letzten Brighton-Tag am Mittwoch: Ich möchte nach London fahren für Einkäufe und zum ersten Mal ins Victoria and Albert Museum. Dazu muss ich nach vielen Jahren wieder die Tube nutzen: Wenn ich das richtig verstanden habe, ist Ticketkauf mit pay as you go supereinfach geworden, ich bin schon sehr gespannt, ob das wie beschrieben funktioniert.

Auch Abendessen gab es: Ich machte mir Salat aus Ruccola und Tomaten, dazu ein Glas Rotwein, das wir noch hatten, außerdem Mango mit Joghurt, danach gab’s Süßigkeiten, zu viele.

Ich bat Herrn Kaltmamsell um englisches Fernsehen – was mit dem Gerät in der Ferienwohnung gar nicht einfach ist: Der Fernsehapparat hier ist auf nicht-lineares Gucken über alle möglichen Kanäle von Netflix über Disneyplus bis ITV, Channel four, BBC ausgelegt. Für manche muss man sich mit eigenem Konto einloggen, für manche sind bereits Konten angelegt. Aber einfach den Fernseher anschalten und schauen, was gerade läuft, wie wir Alten Fernsehen kennen – das geht nicht. Herr Kaltmamsell hatte herausgefunden, wie man sich zum Live-Programm klickt, und in den Tagen davor hatten wir ein bisschen geguckt, aber gestern blieben wir in der BBC-Mediathek (wie ich sie jetzt einfach mal nenne) an The Cleaner hängen, dem englische Remake des fabulösen NDR-Tatortreinigers. Gar nicht mal schlecht, nimmt viele Kernelemente der Vorlage auf (aber einen Bjarne Mädel haben sie halt nicht hier), in der ersten Folge spielt gleich mal Helena Bonham Carter die Titelfigur “The Widow”.

Abrupter Abbruch des Fernsehabends, als mein leeres Wasserglas auf dem Tisch umkippte und einen großen Untersetzer aus Spiegelglas kaputtschlug – jetzt muss ich der unangehmen Vermietungsagentur auch noch einen Schaden melden.

die Kaltmamsell

5 Kommentare zu „Journal Dienstag, 11. Juli 2023 – Brighton 8 mit Einkaufslage und englischem Fernsehen“

  1. TomInMuc oder Tomate meint:

    Wieder sehr gerne gelesen und etwas neidisch auf die Pizza gewesen.

    Ärgerlich, dass man sich jetzt mit der unangenehmen Vermietungsagentur auseinander setzen muss.

  2. Usul meint:

    Zur Pizza: Weiß nicht, ob das eine Länder/Sitten-Frage ist, wahrscheinlich eher Geschmack und Vorlieben. Ich gehöre auch zu den Leuten, die dem Rand der Pizza nichts abgewinnen können. Wenn ich Pizza will, will ich Teig mit Belag/Käse DARAUF, und keine dicke Brotkrempe drumrum. Will ich Brot, ess ich Ciabatta. Aber da ist halt jeder anders. In Deutschland bekommt man beide Variante, je nachdem, wohin man geht, und ich bin dann eher Team Ohnerand.

  3. Croco meint:

    Meiner Meinung nach zeigt sich das mit der minderen Qualität auch bei meinen Lieblingsschneidern von der Insel, Boden und Toast.
    Die letzten bestellten Teile musste ich leider alle zurück schicken wegen Lappigkeit.
    Und ich bin immer noch beleidigt wegen des Brexits. So.

  4. Hauptschulblues meint:

    Um italienisches Essen in GB haben wir immer einen großen Bogen gemacht. Glück mit “Fatto Al Mano”! The Menue klingt jedenfalls vielversprechend.

  5. Lempel meint:

    Ich habe den anekdotischen Eindruck, dass Menschen aus UK dazu neigen, immer etwas auf dem Teller oder im Glas übrigzulassen. Wir Enkel der Kriegsgeneration sind ja so erzogen, dass man das niemals macht und essen deswegen nach Möglichkeit auf. Bei Engländern habe ich beobachtet, dass man damit überhaupt kein Problem hat, eine Freundin hat sogar die Marotte, immer etwas übrigzulassen. Ich schwöre, dass sie nie austrinkt, sondern immer ein Neigela stehen lässt.

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