Journal Ostersonntag, 31. März 2024 – Ostersonntag in Technicolor, viel Beifang aus dem Internetz

Montag, 1. April 2024 um 7:18

Mittelgut, aber nicht lang genug geschlafen. Beim Aufwachen kam die Anstrengung der Zeitumrechung bei neuer Sommerzeit dazu: Wie lange hatte ich eigentlich geschlafen? Bevor ich zu einem Ergebnis gekommen war, beschloss ich, dass Munterkeit als Anlass fürs Aufstehen reichen musste.

Erste Handgriffe des Morgens: Umstellen der vier Uhren im Haushalt, die das nicht selbst tun. Das traditionelle polnische Osterfrühstück bei meinen Eltern würde erst am Ostermontag stattfinden, ich konnte den Ostersonntag also frei planen.

Stand der Kastanie.

Dann genüssliches Bloggen, das Draußen sah wieder so seltsam trübe aus, gestern allerdings zunächst ohne die Wärme vom Samstag. Plan war eine Schwimmrunde im Olympiabad. Vor dem Losradeln pumpte ich die Reifen ordentlich auf (Rad hatte ein paar Wochen ungenutzt rumgestanden) – und durfte dann mal wieder erleben, welchen kolossalen Unterschied das beim Treten macht: Ich war durchgehend wie mit Rückenwind unterwegs.

Wie erwartet war das Schwimmbecken wenig genutzt, doch zwischen mir und echtem Wassergenuss stand meine gestern wieder stark schmerzende Schulter. Dann vielleicht doch mal Konsultation der Orthopädie, auch wenn ich mir denke: Ist halt Verschleiß und Alter, was sollen die schon machen, wenn nichts Reparables kaputt ist?

Für den Heimweg machte ich im Olympiapark zum Start mal einen Umweg: Schon beim Hinradeln hatte ich mich durch Jahrmarktsbuden geschlängelt, jetzt waren sie zudem sehr gut besucht. Ich fuhr also auf die andere Seite des Olympiasees. Es war sonnig geworden und schlagartig warm. Ich besorgte unterwegs Semmeln, die gab es neben Apfel und Orange kurz vor zwei zum Frühstück.

Wochenend-SZ gelesen, Lieblingsmicrobloposts zusammengestellt – all das bei offener Balkontür, mittlerweile strahlte das Draußen in Technicolor.

Das zog mich nochmal raus, ich ging Schaufensterbummeln.

Die Sendlinger Straße (24 Grad im Halbschatten) ist weiterhin sauber und propper – doch zu meiner wachsenden Bestürzung kommen zu den vielen Baustellen an der Fußgängerzone immer mehr Geschäftsschließungen (u.a. kein Missoni mehr am Salvatorplatz!), München wirkt derzeit wirklich nicht luxuriös, sondern eher wie eine Provinzstadt im Niedergang.

Daheim eine Runde Yoga-Gymnastik, Teig für Osterzopf geknetet. Zum Nachtmahl hatte Herr Kaltmamsell das Sauerkraut aus Ernteanteil zu Szegediner Gulasch verarbeitet. Schmeckte ausgezeichnet, mit dem recht rassen Sauerkraut eher sauer, aber das machte sich gut.

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Tagesschau.de zum Stand der Pferdemetzgerei in Deutschland:
“Pferdefleisch
Isst man sowas heute noch?”

Daraus erfuhr ich unter anderem endlich, woher genau das Fleisch in Pferdemetzgereien kommt.

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Kaum sind die “Omas gegen rechts” als starke Kraft aufgefallen, arbeitet die AfD massiv gegen – mit infamen Mitteln:
“Omas für Demokratie ist eine rechte AfD-Initiative”.

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NZZ-Interview mit Rechtsanwältin Christina Clemm, die vor Gericht Opfer von häuslicher Gewalt vertritt:
“Viele kennen die Statistik, wonach in Deutschland alle drei Tage eine Frau durch ihren Partner getötet wird. Aber es wird hingenommen”.

Was auch mir neu war:

Wir haben in Deutschland ein neues Sexualstrafrecht (…), das ist gut. Aber die Häufigkeit der geschlechtsbezogenen Gewalt hat sich nicht geändert. Im Gegenteil, es gibt mehr Fälle.

Weil über Femizide diskutiert wird und vielleicht auch mehr Fälle heute als solche erkannt und dazugezählt werden können als früher?

Nein. Es gibt eine Untersuchung aus Niedersachsen, die zeigt: Die Zahl der registrierten Fälle von Partnerschaftsgewalt ist nicht aufgrund einer höheren Anzeigebereitschaft gestiegen. Sondern weil die Zahl der Gewalttaten insgesamt steigt.

Weniger überraschend:

Die Polizei behandelt häusliche Gewalt wie eine Bagatelle, nicht wie ein Verbrechen?

Ja, aber meist nicht einmal mit Absicht. Partnerschaftsgewalt ist einfach so alltäglich für die Polizisten, dass sie die Schwere der Taten nicht mehr wahrnehmen. Auch nicht die Gefährlichkeit der Täter. In Deutschland passiert das auch, weil sie einfach keine Kapazitäten haben.

(…)

In der Kita, in der Schule, überall wird an die Mädchen herangetragen, wie sie sich verhalten sollen, damit ihnen nichts passiert. Jungs hingegen wird nicht mit gleicher Energie ein Verständnis für Grenzüberschreitungen beigebracht.

(…)

All diese Beispiele setzen ein Männlichkeitsbild voraus, bei dem Männer nicht in der Lage sind, ihr Gegenüber zu respektieren und sich selbst unter Kontrolle zu haben.

Darum wundere ich mich auch, dass angeblich fortschrittliche Männer sich nicht viel mehr gegen geschlechtsbezogene Gewalt und das fatale Männlichkeitsbild wehren. Bei Sexualdelikten heisst es oft, der Täter konnte nicht erkennen, dass sein Gegenüber keine sexuelle Handlung wollte. Weil sie erstarrt ist, statt sich zu wehren. Weil sie vielleicht nur leise geweint hat. Weil sie sich wegdrehte und nicht laut «Nein» sagte. Aber es ist völlig unsinnig zu behaupten, Männer seien nicht in der Lage, diese Zeichen zu lesen.

(…)

Was können Männer denn tun?

Sie müssten mit ihren Freunden reflektieren, wie grenzüberschreitend sie denn eigentlich sind und was sie gegen die Gewalt unternehmen können. Oder einschreiten, wenn sie etwas beobachten. Insgesamt reicht es nicht, einfach nur selbst nicht gewalttätig zu sein.

(…)

Welche Rolle spielt bei diesen Geschlechterbildern die inklusive Sprache?

Eine sehr wichtige Rolle. Sonst wäre sie in Bayern nicht gerade verboten worden. Sprache ist mächtig, und es ist ein Angriff auf patriarchale Strukturen, wenn Frauen und andere Geschlechter in der Sprache sichtbar werden. Das scheint man erkannt zu haben, das Patriarchat ist wehrhaft.

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Abschied von unserer Nachbarschafts-Metzgerei. Sehr schade, auch wenn es zum Viktualienmarkt nur zehn Minuten weiter ist: Das war unser Metzger.

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Obacht mit Stereotypen und Vorurteilen:
“‘We’re the Muslim Spice Girls!’ Shazia Mirza on finding box office gold with her halal comedy supergroup”.

There was the racism disguised as criticism. White males who had never seen a Muslim female comedian before wrote: “This is not funny. This is no good. Why does she always talk about being Muslim?” Or alternatively: “She doesn’t talk about Muslim enough! Of all the things she could have been talking about and she talks about Primark? What a waste of a good Muslim.”

(…)

I was expected to be a walking, talking explanation of all things Muslim. While my white male comedian friends had the privilege of talking about aeroplane food, why women have so many shoes, and snorting while laughing, I was expected to explain 9/11, the war in Afghanistan and Shamima Begum. The tabloids deliberately misconstrued my material and accused me of supporting Isis.

(…)

I was doing autobiographical jokes when no one really knew much about the lives of Muslims, in particular women. Anything more complicated than “All the women in my family wear the burqa – which is great because we all use the same bus pass” made people feel uncomfortable. Or confused about whether they could laugh or not.

Off stage, people couldn’t place me. I would get stopped at airports and asked: “Are you Malala? Mindy Kaling?” Or worse still, on a beach in the Caribbean: “Are you my GP?”

die Kaltmamsell

5 Kommentare zu „Journal Ostersonntag, 31. März 2024 – Ostersonntag in Technicolor, viel Beifang aus dem Internetz“

  1. Lisa meint:

    Vielen Dank für das Interview mit der Rechtsanwältin Christina Clemm!

  2. Eule meint:

    Ich mache mit älteren Schülys (ab ca. Klasse 9) gerne eine einfache Übung: Ich teile die Klasse/den Kurs in Jungs und Mädchen. Dann frage ich zunächst die Jungs: Welche Tipps habt ihr so von euren Vätern, großen Brüdern oder Kumpels bekommen, die euch helfen sollen bei Partys nicht in Gefahr zu geraten und wieder sicher nach Hause zu kommen? Erstmal gucken dann alle wie ein Auto, bevor zögerlich ein paar Antworten kommen, die ich auf eine Tafelseite schreibe. Dann frage ich die Mädchen, welche Tipps sie so von ihren Müttern, großen Schwestern oder Freundinnen bekommen haben. Und aus denen sprudelt es dann heraus, dass ich mit dem Anschreiben kaum nachkomme und die zweite Tafelseite nicht reicht. Dieses disparate Tafelbild ist dann eine gute Gesprächsgrundlage.

    Die Stunde ist offenbar nachhaltig, denn ich bin nun schon mehrmals Jahre später noch darauf angesprochen worden. Ich möchte die Methode daher empfehlen.

  3. Trulla meint:

    @Eule: Großartige Idee

  4. die Kaltmamsell meint:

    Das liest sich sehr gut, Eule.

  5. Sandra meint:

    Wenn man „Omas für Demokratie“ googelt, erscheinen aber (noch) nur Seiten der Omas gegen Rechts :)

    Im Interview wundere ich mich über die Info zur Kita: Die Jungs lernen meiner Erfahrung nach ebenso „Nein heißt Nein“ und werden mit dem Buch „Mein Körper gehört mir“ an entsprechende Themen herangeführt. Ich wäre davon ausgegangen, dass es hierzu in Deutschland Leitlinien gibt?!?! Kenne diese Methoden schon aus den 90ern und dachte, sie sind noch immer üblich und werden allen Kitakindern beigebracht.

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