Journal Samstag, 20. April 2024 – Kein Theresienwiesenflohmarkt

Sonntag, 21. April 2024 um 8:06

Gut und tief geschlafen, bis mich das Sieben-Uhr-Läuten von St. Matthäus weckte.

Vorteil des Herbstwetters: Ich kann die wunderschönen neuen Islandsocken von Freundinnennadeln tragen (ihre Wärme ist sehr nötig).

Das Draußen kalt, grau und regnerisch – es sah schlecht aus für den Theresienwiesenflohmarkt, auf den ich mich sehr gefreut hatte, weil ich dort einen (echten) Übergangsmantel und eine Garderobenbank suchen wollte, Herr Kaltmamsell hoffte auf ein Telefontischerl. Eine Weile überlegte ich hin und her, doch gerade die privaten Speicher- und Kellerausräumer, die diesen riesigen Flohmarkt so besonders machten, würden bei Regen daheim bleiben, die professionellen Anbieter, deren Wagen ich schon am Freitag am Rand der Theresienwiese gesehen hatte, bekam ich auch auf anderen Flohmärkten. Ach Männo.

Sowohl der Bauch von Herrn Kaltmamsell als auch meiner hatten nachts mit dem Topinambur des Vorabends gekämpft, also mit dem darin enthaltenen Inulin. Das überraschte uns, denn nach Schwierigkeiten damals beim ersten Topinamburessen vor vielen Jahren hatten wir beide keine mehr, zudem hatten wir erst vor wenigen Wochen Topinambur aus Ernteanteil ohne Folgen gegessen.

Als ich kurz nach zehn Richtung Olympiabad vors Haus trat, war es trocken, die Sonne versuchte rauszukommen – ich fürchtete, die falsche Entscheidung getroffen zu haben. Doch beim Schwimmen bekam ich mit, wie sich Regenschauer, Wind und Sonne abwechselten: Ich war am richtigen Ort. An dem ich den neuen Badeanzug zum ersten Mal trug: Er saß ganz schön stramm, und ich sorgte mich auf den ersten Bahnen, dass ich ihn zu klein gekauft haben könnte, beim Anprobieren hatte ich ein wenig Nachdehnen im nassen Zustand einkalkuliert. Doch das gab sich, am Ende meiner 3.000 Meter fühlte er sich genau richtig an.

Auf der Rückfahrt stieg ich schon am Marienplatz aus für Lebensmittel-Einkäufe: Beim Zöttl Semmeln, im Eataly in der Schrannenhalle Grana Padano, Schinken, entkoffeinierten Espresso, im Hofstatt-Edeka (dort übrigens immer sehr viel sehr junges Volk, wahrscheinlich ein guter Ort für Menschen auf Partnerschaftssuche) Dinge fürs Wochenende – unter anderem doch nochmal Tulpen, die ich den ganzen Nachmittag bei jedem Passieren verliebt ansah.

Frühstück gegen zwei: Seele mit Käse und Vinschgauer mit Butter und Honig. Den Nachmittag verbrachte ich mit Wäschewaschen, Zeitunglesen und Brotteigkneten für ein Auffrischbrot.

Das Draußen entschieden winterlich. Herr Kaltmamsell, der das Wochenende durcharbeitete, kam irgendwann aus seinem Zimmer: “Ist hier irgendein Fenster auf oder ist es wirklich so kalt?”

Den zweiten strech & fold des Weizenmischteigs machte ich zu Schneetreiben. Heute las ich in der Süddeutschen, dass auf dem Theresienwiesenflohmarkt nur halb so viele Anbieter wie 2023 gestanden hätten, und die Matschfotos lassen mich meine Entscheidung nicht bereuen.

Eine Einheit Yoga-Gymnastik. Sie war als schweißtreibend angesagt, doch der Schweiß kam dann vor allem durch einen Kreislauf-Schwindelanfall zur Unzeit, sehr ärgerlich.

Zum Nachtmahl probierte Herr Kaltmamsell ein Gnocchi-Auflauf-Rezept aus dem Guardian aus, mit gelben Paprika, Tomätchen und viel geriebenem Mozzarella, ich öffnete dazu einen Rosé von Paul Achs.

Gedeckter Holztisch, im Vordergrund ein weißer tiefer Teller, darin mit Käse überbackene Gnicchi und gelbe Paprika, dahinter die Aufflaufform mit dem Rest, rechts daneben eine Weinflasche mit Rosé, daneben ein gefülltes Weinglas

Der Aufflauf schmeckte ok, doch die Zutaten (gewürzt mit Chiliflocken und Fenchelsamen) verbanden sich nicht recht zu einem Geschmack, der Käse schmeckte eher nach nix. Warm und sättigend, wird es aber wahrscheinlich nicht nochmal geben.

§

Ich frage mich ja schon seit geraumer Weile, wie es dazu kommen konnte, dass die Winzelpartei FDP uns die gesamte Zukunft versaut (über die Antwort “weil sie für eine mehrheitsfähige Regierungskoalition nötig war” hinaus). Allerdings ist mein Menschenbild ein so fundamental anderes als das, das die FDP voraussetzt, dass ich bereit war, mir selbst massiven Bias zu unterstellen.

Jetzt schrieb in der FAZ (ausgerechnet) die Professorin für Neuere und Neueste Geschichte Hedwig Richter einen Essay, der meine Beobachtungen einordnet und kausale Zusammenhänge beleuchtet:
“Die Suppenkasper sind über uns”.

Auch wenn die Umfrageergebnisse das nicht hergeben: Die FDP steht für so viel mehr als für ihre drei bis vier Prozent Wähler. Sie ist das hässliche Unterbewusstsein der Deutschen, das permanent das vernünftige Über-Ich torpediert. Und Olaf Scholz ist ganz dabei: Er lässt die li­berale Regierungspartei so umfassend gewähren und schubst dafür immer wieder die Grünen unter den Bus (wie oft kann man eigentlich unter den Bus geschubst werden, bis man tot ist oder Schluss macht?). Das nährt den Verdacht, der Kanzler nutze die FDP als Bauchsprechpuppe: Sie redet das, was er, der Schwarze-Null-Hardliner und Null-Zumutungen-Kanzler, in dieser verblüffenden Plattheit nicht sagen kann.

(…)

Dafür gibt es eine Erklärung: die Po­pulisten, deren Kernkompetenz dieses Down­grading ist, die Abwärtsspirale der niedrigen Instinkte. Sie behaupten immer lauter, dass Demokratie ihre Legitimität aus einem plebiszitärvulgären Volkswillen bezieht – das Volk sei ein launischer Souverän, jederzeit zu Wutausbrüchen be­reit. Die Regierungen müssten liefern und das Volk bei Laune halten.

(…)

Freiheit, so (…) der Populismus, sei die Freiheit, Egoismus möglichst ungestört ausleben zu können (und, ja, warum eigentlich nicht dafür auch noch vom Staat unterstützt zu werden mit Steuergeschenken, Pendlerpauschalen, Dienst­wagenprivilegien, Tankrabatten, E-Fuel-Subventionen für alle Porsches aller Christians). Selbstverständlich hat diese Ego-Freiheit nichts mit der Freiheit des anderen zu tun. Ich impfe mich nicht, nein, meine Impfung mach ich nicht. Auf Autofahrten und Flüge verzichten, nur weil deswegen andere eine saubere Luft und eine ruhige Wohnung haben, auf CO2-Ausstoß gar, weil die Kinder auch mal ein gutes Leben führen wollen, Waffen liefern, obwohl die Öldiktaturen (scheinbar) nur den andern wehtun?

(…)

Dabei hat beispielsweise die Corona-Pandemie ein ganz anderes Volk gezeigt: Es war die Hochzeit der informierten Bürgerin, in Scharen hörten die Menschen Podcasts, sahen Informationssendungen, diskutierten, und sie nahmen bereitwillig die Zumutungen der Politik in Kauf. Nur zweimal war eine Mehrheit mit der Politik unzufrieden, und zwar weil die Pandemie­maß­nahmen in ihren Augen nicht streng genug waren.

§

Dann wieder sammelt Alexander Brutscher für den Bayerischen Rundfunk:
“Weniger Autos, mehr Fußgängerzonen: Streit in vielen Städten”.

Ein typisches Beispiel:

In Landshut wollten viele Bürgerinnen und Bürger keine zusätzliche Verkehrsberuhigung. Bei einem Bürgerentscheid sprachen sich 62 Prozent gegen die Ausweisung einer weiteren Fußgängerzone aus. Die Initiatoren wollten einen 350 Meter langen Teil der Neustadt autofrei machen. Ohne Lärm und Abgase, dafür mit mehr Lebensqualität. Anders sahen das viele Autofahrer und auch Geschäftsleute in der Neustadt. Sie hatten Sorge, dass mit den wegfallenden Parkplätzen auch Kunden ausbleiben und die Neustadt veröden könnte.

Und das obwohl alle (ALLE) solche Projekte gezeigt haben, dass autofreie Bereiche mehr Menschen anziehen und den Umsatz der Geschäftsleute erhöhen. Ist es dann doch mein Menschenbild, das nicht stimmt?

die Kaltmamsell

6 Kommentare zu „Journal Samstag, 20. April 2024 – Kein Theresienwiesenflohmarkt“

  1. B. Reimers meint:

    Mit Verlaub – das ist doch kein Herbstwetter (und auch nicht winterlich), sondern Frühling. Wie oft hatten wir noch im April Schnee, vor den Eisheiligen ist ohnehin mit allem zu rechnen.
    Kein Laub fliegt, kein düsteres Herbstlicht, sondern – immer mal wieder selbst an trüben Tagen – glänzende Strahlen im typisch frühlingshaften Sonnenverlauf. Alles signalisiert Auf- und nicht Niedergang (zumindest in Flora und Fauna).
    Das ist Frühling.

    Aber tatsächlich stelle ich eine allgemeine Tendenz fest, vom Frühling mehr zu erwarten als er kann (und will). Da könnte man eine Reihe interessanter Thesen aufstellen.

  2. Jürgen Plieninger meint:

    Habe mit Topinambur dieselben Erfahrungen, mal so, mal so. Scheinbar unabhängig von der Zubereitung, egal ob als Suppe oder auf dem Backblech (als Ofengemüse gemischt mit anderem).

  3. Vera S. meint:

    Heute offtopic, aber für die eine oder den anderen bestimmt von Interesse:

    Auf Deutschlandfunk läuft gerade die Sendung “Zwischentöne – Musik und Fragen zur Person” (in der Audiothek abrufbar).

    Heute: Der Brotexperte Lutz Geißler im Gespräch mit Paulus Müller

    Erst war es ein Hobby neben der Doktorarbeit, bald wurde es zur Passion: Brotbacken. Lutz Geißler ist mittlerweile gefragter Experte und ein erfolgreicher Autor von Brotbackbüchern. Seine Mission: das handgemachte Brot vor dem Aussterben retten.

    https://www.deutschlandfunk.de/brotexperte-lutz-geissler-mir-geht-s-darum-transparenz-zu-schaffen-dlf-5125cbcd-100.html

  4. die Kaltmamsell meint:

    Sie sollten sich definitv ein eigenes Blog zulegen, Vera S.: Mit blogger.de ist das ganz einfach.
    https://blogger.de/

  5. Poupou meint:

    Ganz so einfach ist es nicht mehr: Blogger hat Aufnahmestopp: ”Bis auf weiteres ist die Registrierung eines neuen Benutzernamens nicht möglich.”

    scnr

    Poupou

  6. die Kaltmamsell meint:

    Danke für die Korrektur, Poupou.
    Dann empfehle ich wordpress.com, Vera S.. Bald.

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