Archiv für September 2024

Journal Montag, 23. September 2024 – Wolkenbruch zwischen Deià und Sóller

Dienstag, 24. September 2024

Gestern war wirklich #MallorcaAbenteuer: Eine halbe Stunde hinter Deià wolkenbruchte ein Gewitter, setzte den Olivenhain, in dem ich mich unterstellte, unter Wasser, nutzte den Wanderweg als Bachbett. In der Folge waren die Wege Matsch und Glitsch, auch wenn später die Sonne herauskam.

Aber die Route war ganz nach meinem Geschmack: Mal hoch, mal runter, verschiedene Arten von Wegen, an Häuser und Tieren vorbei (Ziegen, Schafe, Esel, Katzen-Gerippe), mit herrlichen Aussichten.

Ich hatte sehr gut und tief geschlafen, der Wecker musste mich wecken.

Vorm Frühstück blieb ich zu einem Plausch bei der Pensionswirtin (Pensionistin? halt nein) stehen, die mir auf Spanisch antwortete. Sie verriet mir dann den Frühstücksplatz mit der besten Aussicht – der eben nicht am Fenster lag.

Im Vordergrund ein gedeckter Frühstückstisch, dahinter ein kleiner Frühstücksraum mit Fenster, das in eine weite Aussicht geht

Diesmal hatte ich die Chance, durch meinen Hinweis auf Brotzeitpacken statt Frühstück allzu viel Serviertes zu verhindern. Aber nicht alles (dieser unausrottbare Orangensaft – ichweißichweißichweiß, viele lieben ihn zum Frühstück, einer der größten Marketing-Erfolge der Geschichte).

Großzügiger Raum mit Steinpfeilern und Holzbakendecke, darin plüschige Sofas und ein Tisch aus dunklem Holz

Schöner Eingangsbereich der Pension Miramar.

Die Wettervorhersage hatte einen Sonnentag angekündigt. Schon beim Verlassen des Hotels zeigte sich, dass das zumindest beim Wetter nicht angekommen war.

Unter gemischten dunklen Wolken ein mediterraner Ort auf einem Hügel und in einem Tal

Vor Regen habe ich keine Angst, die Superduper-Wanderregenjacke war ja eingepackt. Vor Gewitter habe ich durchaus Respekt. Wovor ich mich aber wirklich fürchte, sind abschüssige Wege aus runden Steinen, die nass sauglitschig werden.

Abschüssiger Weg aus hellen Steinen, rechts und links lichte Bäume

Sowas halt. In Tröpfelregen verkrampfte ich beim Abstieg völlig.

Es tröpfelte weiter, ich schlüpfte in meine Regenjacke. Es regnete, in er Ferne donnerte und blitzte es, ich stülpte die Kapuze über. Doch dann goss es so richtig. Ich war gerade in einem Olivenhain und stellte mich, wie als Mitteleuropäerin gewohnt, unter einen Baum.

Olivenbäume, so erwies sich, sehen sich nicht zuständig für Regenschutz: Ihre harten Blätter hatten lediglich den Effekt eines Siebs.

Blick auf alte Olivenbäume, vor denen Wanderweg zu rauschendem Bach geworden ist

Fotografieren schwierig, weil alles nass.

Der Wanderweg wurde zum Bach, das Feld zum See. Ich stand tropfend rum und wartete, etwa eine halbe Stunde. Dann ließ der Regen endlich wirklich nach, der Himmel wurde deutlich heller, ich wagte Weiterwandern.

Stufen eines Wanderwegs, über die sich Regenwasser ergießt

Fotografieren noch eine ganze Weile schwierig, weil alles nass.

Breiter Weg zwischen Bäumen, darauf und dazwischen Schafe

Der Wanderweg führte an der Markierung rechts weiter, das Schaf sprang zur Seite.

Weiter Blick über einen Olivenhain hinunter aufs Meer

Steiniger Wanderweg, links begrenzt von einer dicken Trockenmauer, rechts von Bäumen

Blick hinunter durch Bäume auf Felsen und Meer

Flache, orange Pilze, die wie aufeinandergestapelt wachsen

Immer wieder Pilze, die fand ich am hübschesten (erkannte außerdem vage Champigons und Maronenröhrlinge).

Steiniger Weg leicht nach oben

Auf halbem Weg kam mir eine größere Gruppe heiterer Wanderer im Gespräch entgegen. Hätten sie nach rechts geguckt, statt einander an:

Rechts im Vordergrund ein dunkelfelliger Esel, dahinter in sonnigem Dunst hellgrüne Wiese und auf einer Anhöhe ein majestätischer Pinienbaum

So haben die Menschen halt unterschiedliche Prioritäten.
Der Esel war patschnass und stoisch, der Wolkendunst zog in Feen-Fahnen nach links, bald verdeckte nichts mehr die Sonne.

Selfie einer Frau mit heller Schirmmütze und Brille, hinter ihr Wiese

Wirklich menschenfeindlich bin ich ja gar nicht. Gerade als Alleinwandernde habe ich auch ein Auge auf andere solche, frage neben einem Gruß im Vorbeigehen “Alles klar?” (todo bien? you ok? je nach Gefühl), um Gelegenheit für Bitte um Hilfe zu geben. So auch heute bei einem Wanderer, der mir schon an beiden Tagen zuvor begegnet war, immer herumstehend mit Blick auf sein Handy. Kurzer Plausch, Austausch von Plänen für den Tag, beste Wünsche, weitergehen.

In der zweiten Hälfte meiner Route begegnete ich gestern sogar besonders vielen anderen Wander*innen.

Blick durch Bäume auf Hügel und Meer

Sonniger Olivenhain mit riesigen alten Bäumen, dazwischen Schafe

Wanderweg zwischen Bäumen aus großen Steinen, zwischen denen tief Wasser steht

Pfützenspringen in ganz neuer Dimension.

Blick zwischen Bäumen auf Felsen und Meer, auf dem zwei Motorboote fahren

Sonniger Wanderweg zwischen Bäumen, links eine Bank

Kurz nachdem ich beschloss, dass ich jetzt wirklich Brotzeitpause brauchte und nach einem schattigen und trockenen Sitzplatz Ausschau hielt, traf ich auf die erste Bank der bisherigen Wanderung – großartig! Brotzeit um halb zwei: Birnen, Salamibrot, Käsebrot. (Die Bank erklärte sich beim Weitergehen schnell: 50 Meter weiter kam ich an einen Auto-Parkplatz.)

Lederne Wanderschuhe, an deren Sohlen und Innenschaft reichlich Matsch klebt

Tja.

Blick von oben auf sonnenbeschienene Berge und Meer, dazwischen ein größerer Küstenort

Jetzt war ich bereits über Port Sóller am Leuchtturm. Mit ihm verknüpfe ich schöne Erinnerungen: Im nebengelegenen Restaurant Es Faro hatte ich bei meinem ersten Urlaub auf Mallorca (vor 25 Jahren um Ostern Wandern) mit meinem Eltern hervorragend Fisch gegessen. Das Lokal, so stellte ich fest, wird nicht mehr betrieben.

Ich wanderte um die Bucht, nutzte die erste Fußdusche, die ich am Badestrand antraf, für die Reinigung meiner Stiefel und Unterschenkel: So konnte ich wirklich nicht ins Hotel einlaufen.

Zu meiner Unterkunft in Sóller sollte mich die Holz-Tram bringen.

Sonnige Straße mit alten mediterranen Häusern, dazwischen dicht gedrängt Menschen

Mich und weitere Tourist*innen (das ist Nebensaison!).

Schöne Fahrt durch die Orangenhaine, die sehr wahrscheinlich nur wegen der Tram links und rechts der Strecke gepflegt werden. Ich hatte schon wieder vergessen, wie viel Französisch man auf Mallorca hört.

Ich hatte bereits herausgefunden, dass mein Hotel über ein empfohlenes Restaurant verfügte und dass die Speisekarte gut aussah: Beim Einchecken reservierte ich gleich mal einen Tisch für den Abend.

Davor stand aber Tüchtigkeit: Ein Stündchen wusch ich Wäsche in Waschbecken und Badewanne (Klarspülen) und dachte daran, dass Handwäsche zu den Dingen gehört, die meine Mutter mir so richtig beibrachte, und zwar während eines der sechswöchigen Spanien-Urlaube meiner Kindheit. Allerdings nehme ich kein Reisewaschmittel mit, sondern verwende einfach bereitgestelltes Duschgel o.Ä.

Bloggen (das sind halt doch immer mindestens zwei Stunden), dann ging ich hinunter ins Restaurant.

Erstmal Salat mit gebratenem Schafskäse – der ganz normale internationale Standard. Doch als Hauptgang hatte ich Frito Mallorquín entdeckt: Seinerzeit mit meinen Eltern beim Besuch des Bauernmarkts in Inca kennengelernt, als wir uns zum späten Frühstück in die neonbeleuchtete Wirtschaft setzten, in die auch die Markthändler gingen. Ein Pfannengericht aus Lamm-Innereien (ich hatte auf der Wanderung so viele Schafe und Ziegen gesehen – ist wie bei Obst an Bäumen: dann will ich‘s auch essen) mit Kartoffeln und Gemüse, sehr ortstypisch speziell gewürzt.

Weiß gedeckter Restauranttisch, darauf ein tiefer Teller mit einem Pfannengericht aus kleinen Fleischstücken, Gemüse und Kartoffeln

Schmeckte hervorragend und erinnerte mich an damals. Ob sich das Restaurant einen Gefallen tut, das Gericht auf der Karte als “Typical Majorcan dish Stir fry lamb meat” zu beschreiben, weiß ich ja nicht: Innereien-Hasser*innen kommen doch beim ersten Bissen drauf.

Weiteres Erinnerungsschnipsel an Inca vor 25 Jahren: In dieser Wirtschaft stand auf jedem Tisch eine offene Flasche Rotwein (hatte man zumindest damals in Spanien gerne zu herzhaftem Arbeitsfrühstück am Vormittag). Man goss sich ein, die Bedienung rechnete nach geschätztem Pegelstand in der Flasche ab (und da war Spanien schon in der EU!).

Ich ließ mir ein Glas mallorquinischen Rotwein einschenken: Vespino aus Binissalem. Mei, so ein typischer junger spanischer Rotwein halt. Aus Spanien schätze ich die Weißen mehr.

Es war noch Platz für Nachtisch: Pudding de ensaimada las sich abgefahren, wollte ich probieren.

Auf einem weißen Teller ein Stück schnittfeste helle Masse mit brauner Oberseite, daneben Sprühsahne

Schmeckte schlicht, aber gut. Bestand, so wurde mir erklärt, aus übriger Ensaimada, in Milch eingeweicht und als Pudding gebacken.

Tagesplanung für Dienstag mit Vorgabe: Ich würde um 9:30 Uhr abgeholt und zum Ausgangspunkt der nächsten Wanderung gefahren; die Strecke würde mich vom Cúber-Stausee wieder nach Sóller führen.

§

Falls Sie übrigens eine weitere Fernwanderung durch bergiges Spanien nachlesen möchte: 2017 bin ich mit Herrn Kaltmamsell die Costa de la muerte ganz im Norden gegangen, hier beginnt die Schilderung.

Journal Sonntag, 22. September 2024 – Erst hoch, dann runter: Von Valledemossa nach Dejà

Montag, 23. September 2024

Ohne die Überschrift hier im Blog hätte ich Urlaubs-angemessen keinerlei Gefühl für Wochentage – was allerdings auch damit zu tun hat, dass ich mich in einer so durch-touristisierten Gegend aufhalte, dass kein Wochenrhythmus der Einwohner bemerkbar ist: Keine Sonntagsruhe, alle Läden haben auf wie immer. Kein Sonntagsmessengeläut der Kirchen.

Wieder zögerte ich meinen Aufbruch hinaus: Die Wanderung war mit einer Dauer von vier Stunden veranschlagt, Check-in in der Unterkunft am Ankunftsort aber erst um 16 Uhr möglich.

Ich war sehr gespannt gewesen auf den sensationellen Blick aus dem Hotelfenster bei Tagesanbruch – und er lieferte.

Blick von einem erhöhten Fenster auf ein mallorquiner Örtchen aus Sandstein, umgeben von felsigen Bergen, in erstem Morgenlicht

Blick von einem erhöhten Fenster auf ein mallorquiner Örtchen aus Sandstein, umgeben von felsigen Bergen, in frühem Tageslicht

Teil der Morgentoilette war wieder umfassende Mückenspray-Bedampfung: Die Stiche von Freitag an linkem Knöchel und Achillesferse machen sich in den Wanderstiefeln schmerzhaft bemerkbar. Dass ich nach dem Eindieseln eine Weile nicht gut atmen konnte? Verschmerzbar.

Beim Frühstück hatte ich keine Gelegenheit, lediglich um etwas für die Wanderung zum Mitnehmen zu bitten, da stand schon dieses reichliche und liebevoll angerichtete Tablett vor mir.

Aufsicht auf ein Frühstück mit Brot, Joghurt, Obstsalat, Honig, Marmeladen, Guacamole, Tomate, Schinken, Käse, Ei, daneben eine Tasse Cappuccino

Ich machte mir ein Schinken-Käse-Brot zur Brotzeit, nahm zusätzlich das Ei mit. Hauptsache café con leche.

Nach einer weiteren Runde Aussicht-Genießen auf meinem Zimmer verabschiedete ich mich (und erfuhr, dass das Hotel das ganze Jahr über geöffnet ist), erkundete erst mal Valldemosa – am Vortag hatte es ja geregnet. Ich fand den Ort wirklich bezaubernd.

In goldenem Morgenlich schmale gepflasterte Straße, links alte Häuser, rechts eine Mauer und Bäume, dahinter blauer Himmel

Sandsteinkirche im Gegenlicht, dahinter blauer Himmel

Die Kirche, die sich in der Zimmer-Aussicht so hervorragend gemacht hatte.

Ein langes Wasserbecken aus Stein, überdacht und umgeben von Steinbögen, draußen gepflasterte Straße, ein alter Mann geht vorbei

Im Vordergrund ein durchkomponierter Garten mit niedrigen Hecken, Rosen, Büsten, rechts ein großes sakrales Sandsteingebäude

Kartause mit Gartenanlage.

Doch wenn schon jetzt in der Nachsaison ab zehn die Reisebusladungen reindrückten und Bummeln schier unmöglich machten, will ich mir das erst gar nicht zur Hauptsaison vorstellen.

Die Wanderung gestern versprach Abenteuer: In der Wegbeschreibung für die Etappe nach Deià hieß es unter anderem „und klettern Sie über das Tor“. Ich erklärte die Ortsheilige Sante Catalina Thomás zu meiner Patronin des Tages.

Bemalte Kachel mit Heiligenszene - kleine Wanderin vor großem Mönch, der ihr einen Stock reicht - und der Schrift „Santa Catalina Thomas pregau per nosaltres“

Auch in meinem Hotel ein Bildchen von ihr.

Eisentor, links daneben eine Absperrung mit Kette, dahinter Büsche, im Hintergrund felsige Berge im Sonnenlicht

Start gleich mal mit der Anweisung: “Gehen Sie um die Kette herum” – hier ist halt alles Privatgelände, den Wanderweg hat die Verwaltung den Grundbesitzern abgerungen.

Es war eine recht anstrengende Wanderung für mich, denn erst ging’s anderthalb Stunden nur verschieden steil hoch, abschließend anderthalb Stunden steil bis mittelsteil runter: Das ist nicht meine liebste Streckenführung – und ein Grund, warum ich nicht gerne bergwandere, sondern das hügeligen Vorbergland oder Mittelgebirge bevorzuge. Beim reinen Steigen oder Absteigen muss ich mich vor allem in anspruchsvollem Gelände auf den Meter Weg vor meinen Füßen konzentrieren und bekomme für meinen Geschmack (!) zu wenig von der Umgebung mit. Zumindest schaffte ich es gestern, immer wieder für wunderbare Ausblicke anzuhalten.

Steiniger breiter Wanderweg aufwärts zwischen wenigen hohen Nadelbäumen, die sich fast alle sehr nach rechts neigen

Das Bild ist nicht schief (ich hatte eine Wasserwage im Handy zugeschaltet), die Bäume sind es.

Von weit oben Blick auf einen sonnenbeschienen Ort aus Sandsteinhäusern in einem Tal zwischen grün bewachsenen Bergen

Blick zurück auf Valldemossa.

Sehr steiniger Weg aufwärts zwischen Hartlaubbäumen, dahinter blauer Himmel

Steiniger Weg aufwärts zwischen Hartlaubbäumen, einige umgestürzt, dahinter blauer Himmel

Es lagen einige umgestürzte Bäume auf den Wegen, manchmal kletterte ich, manchmal ging ich drumrum. Die Route war streckenweise nicht einfach zu finden, neben dem GPS-Verlauf halfen Markierungen aus Steinstapeln.

Steiniger Anstieg eines Bergs ohne sichtbaren Weg

Kurz vor dem höchsten Punkt der Wanderung waren die Steintürmchen allerdings so viele, dass sie mich verwirrten – ich schlug mich freihändig durch.

Im Vordergrund ein Busch mit kleinen lila Blüten, im Hintergrund einige Bäume, dazwischen blauer Himmel

Blühender Rosmarin – der Duft!

Blick von weit oben auf Meer und Berge, darüber blauer Himmel mit Federwolken

Nach zwei Stunden verordnete ich mir eine Pause zum Ausruhen, abgezählte zehn Minuten Sitzen mit dieser Aussicht.

Links ein Pfosten mit hölzernem Schild "Dejà", daneben ein Pfad, der einen baumlosen Berg hinunter führt, im Hintergrund Meer

Nach einem Stück den Bergrücken entlang ging’s abwärts.

Rechts Bäume, daneben felsiger, steiler Weg bergab, daneben Ausblick auf Meer

Sehr abwärts.

Blick von weit oben einen Berg hinunter, der ins Meer ausläuft, darauf Yachten

Aber mit Aussicht.

Erhöhter Ausblick auf Wald und Meer, darüber dunkle Wolken, links ragt ein dürrer Baum ins Bild

Steiniger Weg abwärts zwischen lichten Bäumen

Über Wald eine Bergkette, deren Grat von Wolken überflossen wird

Jetzt kamen Wolken über die Berge, Ende des Sonnenscheins.

Breiter, heller Wanderweg, rechts einige uralte verdrehte Olivenbäume

Stein-gefasster Wanderweg zwischen Bäumen, im Vordergrund an einer Mauer aus Steinen ein gemauertes Halbrund

Um zwei hatte ich richtig Hunger und setzte mich auf die Steine hier rechts zum Brotzeiten: Birnen, Ei, Schinken-Käse-Brot.

Zwischen Bäumen zwei dunkelfellige Ziegen mit sehr großen Hörnern

Ich bekam Gesellschaft: Ihr Mäh hatte ich schon eine ganze Weile gehört – sind das Mufflons?

Wanderweg abwärts zwischen hellen Nadelbäumen

Über Tore musste ich entgegen der Wegbeschreibung an keiner Stelle klettern – sie wirkte ohnehn an einigen Stellen überholt und wich auch immer wieder vom GPS-Track ab.

Im mittleren Drittel der Wanderung waren um mich einige andere Wandergruppen, die sich bestens auf Spanisch, Deutsch, Britisch, Amerikanisch (respektive) unterhielten. Ich fühlte (!) mich gestört, ließ sie alle vorbeiziehen. Was einfach ging, denn sie hatten durchgehend ein zackiges Tempo ohne Blick nach links und rechts drauf – dreimal kamen mir auch richtige Bergläufer*innen abwärts im Galopp entgegen.

Etwas erhöhter Blick auf ein Tal mit Sandsteinhäusern

Deià

Trotz dem langen Rauf und langen Runter fühlte ich mich am Ende der Wanderung nicht verausgabt: Dass ich zur Pension nochmal hochgehen musste, störte mich gar nicht. Dennoch hätte ich arg gerne eine Runde Yoga-Gymnastik zu, Dehnen rundum geturnt.

Zuvor hatte ich mich in Deiá umgesehen (nett, aber sehr übersichtlich – so hatte ich es auch vom ersten Besuch vor etwa 25 Jahren in Erinnerung). Als Abendessen hatte ich große Lust auf frische Feigen und Käse: Bekam ich sogar in einem kleinen Laden, sonst hätte ich in einem Restaurant gegessen. (Ich bedaure immer sehr, wenn ich auf meinen herbstlichen Oktoberfestflucht-Wanderungen an reifem Obst an Bäumen vorbeikomme – und dann nichts davon kaufen und essen kann. Siehe Moselsteig, spanisches Baskenland.)

Die Unterkunft stellte sich als sehr schlicht heraus, bis hin zu kein Föhn und kein Becher im Bad.

Kleines, altmodisches Hotelzimmer mit zwei Einzelbetten, vor dem Fenster ist es grün

Diesmal geht der schöne Ausblick in den Garten, ich sah gleich mal eine Mönchsgrasmücke. Doch der Garten bedeutete auch, dass ich frisch geduscht sofort Mückenspray nachlegen musste: Umgehende Attacke von sirrenden Moskitos.

Wochenend-Zeitung gelesen, gebloggt, schon war’s acht und Zeit fürs Abendessen: Wunderbar reife Feigen und ein sehr großes Stück gereifter Käse Mahón. Sehr zufriedenstellend, aber ein milderer Käse hätte tatsächlich besser zu den Feigen gepasst.

Beim abendlichen Lesen kamen die ganz dicken Socken zum Einsatz: Der kühle Boden hätte mir sonst kalte Füße und Frieren bereitet. Schon seit Nachmittag war ich sehr müde, zögerte aber das Zu-Bett-Gehen hinaus, um nicht zu früh aufzuwachen.

§

Ich möchte den Einheimischen hier wirklich nicht noch mehr Mühe machen, aber wenn sie mir bitte auf Spanisch antworteten, wenn ich sie auf Spanisch anspreche? SO schlecht ist es wirklich nicht geworden. Please?
(Katalanisch/Mallorquí-Dominanz unwahrscheinlich: Miteinander sprechen sie sehr wohl Castellano. Und in der Gastro/Hotellerie arbeiten eh – wie bei uns – viele Immigrant*innen, hier oft aus Südamerika.)

§

Der ADFC macht auch dieses Jahre wieder eine Umfrage:
“Und wie ist Radfahren bei dir vor Ort?”

Je mehr mitmachen, desto größer ist die Schlagkraft der Ergebnisse. (Gefördert vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr, Sakratie!)

§

In der Wochenend-Süddeutschen ein wichtiger Hinweis von Naika Foroutan, Leiterin des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschun, zur deutschen Migrationspolitik:

Die derzeit akute Migrationspanik muss nicht nur vor dem Hintergrund der jüngsten islamistischen Attentate, sondern auch im Wissen um den eklatanten Strukturabbau im letzten Jahrzehnt diskutiert werden. Sparmaßnahmen im Zuge der Schuldenbremse haben seit 2009 zu mangelnden Investitionen in Infrastruktur und Bildung geführt und die Handlungsfähigkeit in Städten und Kommunen geschwächt. Der staatliche Strukturabbau erschwerte die Verwaltung der Zuwanderung ab 2015. Die Zivilgesellschaft sprang in die Bresche und übernahm zentrale Aufgaben, von Unterbringung bis Sprachvermittlung: Wir erinnern uns an die vielen Menschen, die von Bayern bis Bremen die Willkommenskultur formten, die Deutschland auch international in einem neuen Bild erscheinen ließ.

Rückwirkend haben sich im kollektiven Gedächtnis mit der Zuwanderung und der veränderten kulturellen Zusammensetzung des Landes die maroden Strukturen verkoppelt – aus einer Korrelation wurde im Kopf eine Kausalität: „Die Migration ist schuld, dass alles kaputtgegangen ist.“ – „Schaut euch die Krankenhäuser an, schaut euch die Arztpraxen an, schaut euch an, was das für Konsequenzen hat, wenn ein Land durch Migration überfordert wird.“

Journal Samstag, 21. September 2024 – Von Esporles nach Valldemossa

Sonntag, 22. September 2024

Der gestrige Wanderweg erwies sich dann als komplett anders als das am Freitag getestete Stück – umso mehr freute mich, dass ich diesen perfekt ausgebauten Abschnitt am Ankommenstag erlebt hatte. Gestern verlief der Weg nämlich wild und ungestüm, Trockenmauern bekam ich nur wenige zu sehen.

Zum Frühstück war ich am Vortag um eine Wahl zwischen drei Zusammenstellungen gebeten worden; ich kreuzte diejenige an, die als Brotzeit mitnehmbare Bestandteile versprach.

Gastraum mit weißen Wänden, gemauerten Bögen, an der Decke dunkle Holzbalken

Restaurant/Frühstücksraum

Gedecker Frühstückstisch für eine Person mit einer Flasche Orangensaft, einem Teller mit zwei klienen Croissants, einem Teller mit Stücken von Ananas und Melone, mit Zwieback, einem Körbchen getoastetem Weißbrot, einem Brett mit Räucherschinken und Käse, einer Tasse Cappuccino

Aus den Tostadas rechts baute ich mir ein kleines Schinken- und ein noch kleineres Käse-Bocadillo, die beiden Mini-Croissants steckte ich ebenfalls ein. Und freute mich an dem Milchkaffee.

Auf meinem Zimmer las ich noch eine Weile, ich wollte nicht allzu früh aufbrechen: Die Tagesstrecke nach Valldemossa war mit 3,5 Stunden bemessen, was mich sonst schon wieder zu früh an mein nächstes Hotel gebracht hätte. Auch diesen Fernwanderweg hatte ich mit Gepäcktransport gebucht: Dass ich entgegen meinem Selbstbild keine Alles-im-Rucksack-Reisende bin, musste ich schon sehr jung über mich lernen, als ich es ausprobierte – und alles daran hasste. Ich hatte mich vor dem Ausprobieren für jemand gehalten, die auf solche Wanderungen geht. Bitte schauen Sie nicht auf mich herab, ich musste ja auch meinen Frieden damit machen.

Schon in der Nacht hatte ich bemerkt, dass mich einige Moskitos auf meinem Testspaziergang erwischt hatten, ich besprühte mich nach dem Duschen und noch vor dem Anziehen flächendecken mit Anti-Brumm.

Wanderweg in Sonne zwischen Olivenbäumen, Kakteen, Steinmauer

Start der Wanderung. Die 3,5 Stunden Gehzeit erwiesen sich als korrekt (nach zwei Stunden zwang ich mich zu ein wenig Hinsetzen mit Aussicht als Pause), meist ging es deutlich auf- oder abwärts, teilweise so grobsteinig steil, dass ich meine Hände brauchte (für Wanderstöcke habe ich mich ja als zu doof erwiesen, ich verlasse mich lieber auf meine Muskelkraft). Das war durchaus anstrengend, aber eine zusätzliche Stunde wäre schon noch drin gewesen.

Anderen Wanderern begegnete ich kaum – allerdings gleich am Anfang einem in dieselbe Richtung mit Fraternisierungsanwandlungen. Da ich wirklich, wirklich allein gehen wollte (nur so kann ich gucken, fotografieren, denken, entdecken, mein Tempo finden, kurz: entspannen) (Wandern mit Herrn Kaltmamsell kommt dem ein wenig nahe), nothing personal, hatte ich zwei Möglichkeiten:
– Schneller gehen, um vor ihn zu kommen. Das hätte zu einer reinen Sport-Einheit mit dem einzigen Ziel Ankommen geführt. Inklusive dem Risiko Verausgabung.
– Mich immer wieder zurückfallen lassen, bis er aus dem Blick war. Das tat ich dann auch, allerdings mit Anstrengung, da er zunächst immer wieder Abzweigungen verfehlte und ich doch wieder fast gleichauf mit ihm war.

Jetzt allerdings war es herrlich. Entgegen der Wettervorhersage erstmal eine Stunde sonnig, erst dann zog der Himmel langsam zu. Die Temperatur blieb mit etwas über 20 Grad perfekt, manchmal ging sogar ein wenig Wind.

Handfläche mit einer leutend roten, walnussgroßen Frucht

Wie schon am Vortag sah ich diese unbekannten Früchte, am Baum sehen sie so aus:

Blattwerk mit mehreren solchen Früchten

Recherchen ergaben: Erdbeerbaum (also der madroño, an dem der Bär im Wappen Madrids lehnt). Und die kann man wohl essen, werde ich bei der nächsten Begegnung versuchen.

Holzpfosten mit neuem Holzpfeil, beschriftet "Valldemossa 5,5 km"

Zwischen Bäumen ein Posten mit weißen Pfeil auf schwarzem Grund

Luxuriöse Beschilderung/Wegmarkierung. In sehr steilen, steinigen Abschnitten und in Geröll mit Bäumen wurde sie allerdings spärlich und ich griff zur Orientierung auf die GPS-Karte des Wander-Organisators zurück.

Steiniger Wanderweg zwischen dürren Bäumen

Weg aus großen Steinen steil nach oben Richtung Bäume und blauen Himmel

Schmaler Wanderweg, rechts ein paar dürre Bäume und ein Abhang

Selfie von Frau mit Schirmmütze zwischen Bäumen, sie blickt nach rechts

Bäume auf steinigem Untergrund, zwischen ihren dünnen Stämmen leuchtet das Blau des Meers

Erster Blick aufs Meer durch Bäume.

Von oben weiter Blick auf Wald und mehr, links ragt ein weißer Felsen herein

Steil abfallender Hohlweg zwischen Felsen und Bäumen

Noch ein steil abfallender Hohlweg zwischen Felsen und Bäumen

Auf Fotos sieht man nie, wie gach es rauf oder runter ging. Hier zum Beispiel brauchte ich dann doch meine Hände.

Weiter Ausblick auf hügeligen Wald

Diesiger Ausblick auf Wald und Meer, dazwischen erahnt man eine Stadt

Blick auf Palma (das müssen Sie mir jetzt einfach glauben, es war sehr dunstig).

Felsiger Wanderweg zwischen Bäumen, gemächlich absteigend

Blick von oben auf ein Tal zwischen mediterranen Bergen, darin ein Städtchen mit Sandsteinhäusern

Blick auf mein gestriges Ziel Valldemossa.

Sehr schmaler Wanderweg mit dunklem Boden, links Abhang

Sound-Besonderheiten: Mal Hahnkrähen, mal das Röhren einer Verbrennerauto-Rallye.

Im letzte Drittel kam mir eine größere Gruppe Brathendl-gebräunter Menschen etwa in meinem Alter entgegen, in leichter Sportkleidung und ohne Taschen, der eine oder die andere eine kleine Wasserflasche in der Hand. Sie fragten mich auf Fremdsprach-Englisch, ob der weitere Weg schön sei. Ja, sei er, sie würden allerdings hin und wieder klettern müssen und ihre Hände brauchen. (Ich hoffte, dass sie damit genug Informationen für eine Entscheidung hatten, waren ja erwachsen.)

Valldemossa erwies sich (im Gegensatz zu Esporles) als rein touristisch, aber wirklich hübsch. Im kleinen Altstadt-Boutiquehotel entdeckte ich allerdings bei Ankunft kurz nach eins, dass mein Koffer nicht eingetroffen war. Anruf beim beauftragten Transportdienstleister, Rückruf auf Deutsch mit schwäbischem Akzent: Verkehrsprobleme, Koffer wird noch gebracht.

Ich machte mir an der “Honesty Bar” des Hotels (alles bereitgestellt, man trägt in eine Liste mt Zimmernummer ein, was man genommen hat) einen Mittagscappuccino, sah mir mein Zimmer dann zumindest an.

Blick von einem erhöhten Fenster auf ein mallorquiner Örtchen aus Sandstein, umgeben von felsigen Bergen

Sensationelle Aussicht.

Brotzeit um zwei die beiden Mini-Bocadillos und Mini-Croissants.

Um meinen Koffer abzupassen, setzte ich mich in die Lobby – die Rezeption war ab halb zwei nicht mehr besetzt. Ich las Zeitung, währenddessen begann es zu regnen. Aber! Ich sah auch einen Gecko vorbeihuschen!

Als ich meinen Koffer endlich hatte (der Transportmann überschlug sich mit Bitten um Verzeihung), ging ich erstmal unter die schöne Dusche, um Schweiß, Sonnenmilch, Mückenspray, Gestank abzuwaschen. Dieses Frische- und Sauberkeitsgefühl habe ich nach der täglichen Morgendusche NIE. In ein Kleid geschlüpft, Wanderregenjacke übergeworfen: Da ich keine Lust auf Auswärtsessen hatte, besorgte ich im einzigen Supermarkt am Ort mein Abendbrot.

Brotzeit war wohl nicht genug gewesen, ich erlebte eine meiner seltenen Fress-Attacken: Eine halbe Tüte Mischnüsse ging drauf (eigentlich samt einer Tüte Trockenfeigen und drei Eiweißriegeln die eiserne Ration für alle Fälle – dann war das halt so ein Fall).

Mit Laptop setzte ich mich zum Lesen ans Fenster und guckte immer wieder in die Hammer-Aussicht.

Weiterer Blick auf dieses mallorquiner Örtchen aus Sandstein, umgeben von felsigen Bergen, jetzt mit düsterem Hintergrund

Derselbe Blick auf das mallorquiner Örtchen aus Sandstein, umgeben von felsigen Bergen, jetzt mit goldenem Abendlicht auf einingen Häuser- und Kirchturmspitzen

Derselbe Blick auf den Ort, jetzt in Abenddämmerung

Sah einen Turmfalken auf dem Nebendach landen. Wolken über die Berggipfel fließen. Es dunkel werden. Hörte Stimmen der vorbeispazierenden Menschen, das Rauschen des Verkehrs auf der Landstraße, den Start von Samstagabend-Partymusik in einem Lokal. Roch Holzfeuer, gebratene Koteletts. Einmerker für einen Schreib- und Denk-Retreat: Valldemossa, Hotel Ca’s Papa, Zimmer 3.

Mein Abendessen bestand aus Birne, roter Paprika, einer Empanada mit Gemüsefüllung, Joghurt: Gut und sättigend, es passten nur noch wenige Schokonüsse hinterher.

Journal Freitag, 20. September 2024 – Angekommen an der Mallorca-Wanderung

Samstag, 21. September 2024

Das Wichtigste vorweg: Ich bin ohne Hindernisse im Start-Hotel meiner Wanderung eingetroffen, es ist also auf dieser etwa 50-stündigen Anreise überhaupt nichts schief gegangen. Ich hoffe sehr, dass ich mich bei der Rückreise weniger anstelle.

Weil nach den Kosten gefragt wurde:
Für den reinen Transport habe ich 650 Euro gezahlt, also für Bahnreise München-Paris-Barcelona und zurück, für Fähre Barcelona-Palma sowie Alcúdia-Barcelona. Dazu kamen die Kosten für zwei Übernachtungen in Barcelona.
Zum Vergleich: Ein Flug München-Palma kostet regulär inklusive Gepäck unter 300 Euro. Das muss man sich also schon sehr leisten können und wollen.

§

Für Ankommen um 6 Uhr in Palma hatte ich mir den Wecker auf 5:15 Uhr gestellt – extra früh, um noch Zeit fürs Finalisieren des Blogposts zu haben. Dachte ich. Es war aber fünf, als eine Durchsage uns pasajeros einen guten Morgen wünschte und ich nach mehrfachem (nicht belastendem) Aufwachen in der Nacht endgültig den Schlaf beendete.

Ganzkörper-Spiegelselfie einer weißhaarigen Frau in Jeans und buntem T-Shirt

Befinden: Nicht wirklich müde, nur ein wenig betäubt.

Ab jetzt hoffte ich auf jede Verzögerung, weil ich wirklich nicht wusste, was ich kurz nach sechs in Palma de Mallorca sollte, auch nicht scharf war auf den allerersten Bus ins Start-Örtchen Esporles – denn was sollte ich denn um acht in einem Hotel, in dem sehr wahrscheinlich mein Zimmer noch nicht bezugsfertig war.

Doch das Fähren-Personal machte das ja nicht zum ersten Mal, die Ausfahrt (für die Leute mit Lkw, Pkw, Wohnmobil, Motorrad) und das Verlassen der Fähre zu Fuß flutschten, zumal wir eine wirklich übersichtliche Gruppe waren. Die Fußgänger*innen wurden in einem Reisebus aus dem Hafengelände gefahren, um halb sieben stand ich mit meinem Koffer am Meer unter der Kathedrale in stockfinsterer Nacht.

Gotische Kathedrale unbeleuchtet vor Nachthimmel

Ich spazierte zum Bahnhof (Bus-, Bahn-, U-Bahn-) durch eine grotesk luxuriöse Fußgängerzone (u.a. Carrer de Sant Miquel), in der erwartungsgemäß alle Gastronomie noch geschlossen war.

Graffiti auf einem Bauzaun: „Mallorca no està en venda“. Dahinter nächtliche gepflegte Altstadt mit Laterne und Palme.

Doch kurz nach sieben rettete mich im Busbahnhof ein offener Bar, ich bekam meinen café con leche – und fragte mich bei den drei entzückenden Frauen hinter der Theke („¿algo más, reina?“), wo sie wohnen und wie weit sie wohl zur Arbeit fahren mussten.

Mit mutmaßlichen Weit-zur-Arbeit-Fahrerinnen teilte ich mir dann den Überland-Bus nach Esporles, war um diese Zeit die einzige am Koffer erkennbare Touristin. Ich stieg früh genug aus, um noch ein paar Meter zum Hotel laufen zu können und um Zeit zu schinden.

Als ich um 9 Uhr eintraf, reagierte man superflexibel auf die Vorzeitigkeit und gab mir einfach ein anderes als das geplante Zimmer, das aber bereits bezugsfertig war.

Hotelzimmer mit Doppelbett, klein in alten weißen Mauern, an der Decke dunkle Holzbalken

Von der Zimmertür führt eine eigene Innentreppe herauf! Durchs Fenster zur Kirche, das ich gleich öffnete, quietschte es heftig (und auf die Dauer etwas nervig) nach Jungfalken.

Außerdem auf der Innenseite der Innentür ein Hinweis, dass das Haus Abendessen anbietet, man möge sich bis 18 Uhr dafür anmelden. Olé, damit war die Frage geklärt, wo ich ein warmes Abendessen bekommen würde (ohne mühselige Recherche), ich hoffte auf Hausmannskost.

Altes mehrstöckiges Haus aus gelben, unverputzten Steinen mit grünen Fensterläden und großer dunkler Holztür

Hotel von außen.

Nach einer Weile Ausruhen mit Zeitunglesen (Süddeutsche bereits voller Oktoberfest, ich bin sehr froh, nicht in München zu sein) zog es mich raus in den Ort. Noch ein café con leche. Wieder landete ich zielsicher in dem uncoolen Lokal mit alten Einheimischen – aber vielleicht sollte ich das ja gar nicht, sondern die Leute hier lieber in Ruhe lassen und hingehen, wohin ich gehöre, nämlich in die schönen Cafés eigens für Tourist*innen. Es ist kompliziert. Einkäufe für spätere Brotzeit.

Ich wollte gerne schon ein bisschen Gehen üben für die kommenden Tage, gerne inklusive Ausblick, also folgte ich der Empfehlung des Reise-Veranstalters und spazierte Richtung Cor de Jesus, einer Statue auf einer Anhöhe. Google Maps zeigte allerdings nur die Straße als Fußweg an, und selbst dann kam ich nicht bis ganz oben. Egal, ich bekam ein paar Ausblicke und Bewegung.

Erhöhter Blick auf ein Tal mit einem mallorquiner Ort, dahinter flache Berge aus rötlichem Stein und mit Bäumen, darüber blauer Himmel mit wenigen weißen Wolken

Blick auf Esporles, und in diese Berge wird mich meine Wanderung führen.

Im Hotel gab’s kurz vor zwei Frühstück: Aus einer örtlichen Bäckerei eine Vollcorn-Empanada mit Gemüsefüllung, die sich als vor allem Mangold erwies und sehr schmackhaft war. Die kleinen Süß-Explosionen dazwischen, die ich als Rosinen identifizierte, hätte es meinetwegen aber nicht gebraucht: Auch meine Rosinen-Zuneigung hat Grenzen. Außerdem aß ich Joghurt.

Nach einem mittelerfolgreichen Siesta-Versuch (zu hoher Geräuschpegel in der Unterkunft) zog es mich nochmal raus: Ich hatte gesehen, dass der Trockenmauerweg durch die Tramuntana, den ich gehen werde, nicht erst in Esporles beginnt, sondern schon davor. Also spazierte ich ein Stück rückwärts – praktisch als Test für die Art des Weges. Das war zum einen sehr schön: Der Weg war eher breit, gut mit Steinen und Stufen befestigt, klar ausgeschildert, der Verlauf mit Liebe gelegt. Zum anderen wusste ich jetzt, dass es hoch und runter geht, ich Superschwitzerin also lieber leichte Kleidung trage. Und mein Mückenspray sorgfältig verteile.

Auf einer Weide drei dunkle Ziegen unter einem riesigen Feigenbaum

Ziegen unter mächtigem Feigenbaum.

Mit Steinen befestigter Wanderweg, auf beiden Seiten dicke Steinmauern und mediterrane Bäume

Schon hier wird klar, warum er Trockenmauerweg heißt.

Mit großen, runden Steinen befestigter Wanderweg

Erhöhter Blick auf mediterrane Hügellandschaft mit viel Grün, darüber dunkle Wolken

Schmaler, sandiger Wanderweg, rechts geht es einen bewaldeten Abhang hinab, links hinauf

Ich war während dieser anderthalb Stunden einigen Wander*innen begegnet, aber nicht abschreckend vielen. Aus den dunklen Wolken hatte ich auch ein paar Regentropfen abbekommen, an meinem ersten richtigen Wandertag am Samstag sollen das noch mehr werden.

Zurück im Hotel Telefonat mit Herrn Kaltmamsell, Lesen, Bloggen. Hungrig linste ich immer wieder auf die Uhr, bis es endlich 20 Uhr war (für spanisches Abendessen eigentlich unchristlich früh) und Zeit für meine Reservierung.

Gastraum mit weißen Wänden, Bögen, an der Decke dunkle Holzbalken

Die Tür rechts führte in mein Zimmer.

Zu meiner großen Freude wurde die Hoffnung auf Hausmannskost übertroffen: Das Tagesmenü war spanische Hausmannskost in besonders fein (aber nicht wirklich fotografabel). Erstmal Brot mit Aioli und Oliven – ich hatte schon wieder vergessen, wie sensationell die grünen Oliven auf Mallorca schmecken.

Als Vorspeise gebratene Pimientos de padrón, ein Stückchen Gemüse-Coca, vor allem aber ein Tonschüsselchen Kartoffeln-Auberginenscheiben-Tomatensauce im Ofen geschmurgelt. Hauptgang: Frisches Fischfilet mit einem safranigen Kartoffel-Karotten-Zucchini-Champignon-Gemüse.

Ein Tellermit gebratenem Fischfilet und Gemüse, dahinter ein Glas Weißwein und eines mit Wasser

Alles auf den Punkt gegart und liebevoll abgeschmeckt. Dazu ließ ich mir zwei Gläser Verdejo aus Rueda einschenken, ich hatte mich den ganzen Nachmittag auf Alkohol gefreut. Zum Nachtisch Mango-Eis, sehr schön mit Mangostücken.

Einschlafen mit Party-Band-Begleitung in der mittleren Ferne (“Hello Mary Lou”, “Marina, Marina, Marina”). Am Einschlafen gehindert allerdings von Pkw-Lärm: Vor diesem Fenster wurde wie daheim in München sehr unkundig eingeparkt.

Journal Donnerstag, 19. September 2024 – Ein Tag Barcelona

Freitag, 20. September 2024

Recht gute Nacht im Hotelbett, ich schlief aus. Die eher weiche Matratze hatte meiner Wirbelsäule gut getan, selbst nach den vielen Stunden unbewegtem Sitzen am Mittwoch spürte ich keine Kreuzschmerzen (auch mal loben).

Draußen Möwengeschrei, außerdem ein weiteres Vogelkreischen: Ich vermutete grüne Papageien, wie ich sie aus Madrid kenne. Im Verlauf des Tages besätigte sich mein Verdacht: Mönchsittiche.

Zerschlafenes Hotelbett, rechts davon breite Glastür zu einer Terrasse

Hotelzimmer und Terrasse bei Tag, es war mild genug, die Türe offen zu lassen (mit Socken und Pulli).

Bloggen ohne Kaffee (Hotelfrühstück, das für mich eh nur aus Milchkaffee besteht, hätte 18 Euro gekostet – wenn ich Preise wie auf dem Markusplatz in Venedig für Kaffee zahle, möchte ich dafür auch Venedig), noch ein wenig lesen und Zimmermiete abwohnen.

An sich würde mich Barcelona durchaus als Reiseziel interessieren, aber halt nicht auf der Durchreise und beim Warten auf eine Fähre (Ablegen um 22:45 Uhr). Ich entschuldigte mich innerlich bei allen Barceloner*innen, orientierte mich lediglich grob auf dem Stadtplan und spazierte einfach darauf los. (Na ja, nicht ganz einfach – ich setzte mir beliebige Ziele.)

Bestes Hotel-Feature ever: Eine luxuriöse Gepäckaufbewahrung. Beim Auschecken bekam ich eine neutrale Zugangskarte fürs Hotel und für einen sehr großem Raum im Untergeschoss. Darin reichlich Schließfächer für Koffer, mit selbstgewähltem Code zu schließen und zu öffnen, außerdem Tische zum Umpacken, freundliche bunte Sessel – habe ich noch nie erlebt.

Meine café con leche holte ich gleich ums Eck in einem schmucklosen hellen Frühstücks- und Brotzeitlokal nach.

Kaffeetasse auf einem weißen Kunststofftisch am Fenster, draußen blauer Himmel

Ich saß unter Einheimischen, teilweise mit kleinen Hunden, unter den Locals ein ganzer Tisch Polizisten. Das gefiel mir sehr.

Erstes willkürliches Ziel: Die Adresse, an der ich mich für die Fähre einchecken sollte. Keine 15 Minuten vom Hotel entfernt.

Große gelbe Blüte in Blattwerk vor blauem Himmel

Es war wärmer als erwartet, in kurzen Ärmeln brauchte ich keine Jacke.

Auf dem Stadtplan hatte ich gesehen, dass Montjuic gleich daneben lag (deutsch: Safthügel), die Aussicht auf Park gefiel mir. Unterwegs kam ich an einem modernen Feuerwehrgebäude vorbei, lernte, dass Feuerwehr auf Katalanisch “Bombers” heißt – und dann wurde auch noch gerade hinterm Haus geübt!

Feuerwehrmänner bei Übung mit umgekipptem Pkw, im Hintergrund modernes Feuerwehrgebäude, Feuerwehrwagen mit Aufschrift „Bombers“

Kurz darauf endete die Übung allerdings schon: Auf ein Alarmsignal (?) aus dem Haus gingen fast alle (gemessenen Schrittes) hinein.

Ich meanderte ausführlich um Montjuic, guckte mir Pflanzen, Blumen, Vögel, Ausblicke und eine Ratte an (schleppte gerade eine Dolde reife Beeren weg).

Streetart auf einer gewölbten Mauer in Park, u.a. mit der Schrift "eres uper"

Botanischer Garten mit rose Blüten im Baum und Kakteen in Sonne

Blick von oben auf Barcelona in der Sonne

Blick von oben auf die Großstadt Barcelona, umgeben von Hügeln, links dunkle Wolken am Himmel

Hier sieht man es: Vom Hinterland zogen jetzt sehr dunkle Wolken auf, es drohte Regen.

Als nächstes Ziel hatte ich mir die Markthalle Boqueria ausgesucht, ließ mich von Google Maps hinführen (und schweifte immer wieder nach links oder rechts von der empfohlenen Route ab, wenn mir etwas anderes interessant erschien).

Zettel an Wand: "Por favor no se meen aqui. Esto es una propriedad privada"

Zettel in einer Garageneinfahrt, übersetzt: Bitte pissen Sie nicht hierhin. Dies ist Privatgrund.

Offizielles Plakat an einer Laterne: "At home we don't piss on the ground. In the streets we don't either"

Aha, in Barcelona haben Sie dieses Problem also auch (wie wir in der Münchner Innenstadt) – und eine Kampagne dagegen begonnen. Mal sehen, ob es bei einem künftigen Besuch hier weniger omnipräsent nach Männerpisse riecht.

Untergeschoss eines alten Hauses, darüber "Hell awaits", rechts davon Streetart mit Musikerporträts

Wenige hundert Meter vor meinem Ziel begann es zu tröpfeln, ich ging schneller.

Viele Menschen von vorn, die an einer roten Ampel warten, hinter ihnen eine Markthalle

(Front der Markthalle, auf einem späteren Weg aufgenommen.)

Wenig überraschend war aus der Markthalle, wie ich sie seit den Carvalho-Romanen von Manuel Vázquez Montalbán aufs Lebendigste vor Augen habe, längst ein Snack-Verkauf für Touristen geworden – die sich auch in großen Mengen und meist mit einem Snack in der Hand durch die Gänge schoben. Ich sah mich gründlich um: Immer noch Markt-Charakter haben etwa 15 Prozent der Stände, vor allem die mit Fisch, Meeresfrüchten, Fleisch und Innereien. Selbst das Obst-Angebot ist auf Verzehr vor Ort ausgerichtet, Gemüse sah ich fast keines.

Marktstand mit dem Titel "Paella Factory"

Es musste so kommen. Diesselbe Entwicklung haben ja Markthallen in London (Borrow Market) und Madrid durchlaufen; ich bin dankbar, dass die Stadt München durch gezielt andere Vergabe der Standln auf dem Viktualienmarkt solches bislang verhindert hat.

Außengastronomie unter Palmen, auf dem Schirm steht "Maharaji Tandoori Grill Tapas Sangria"

Hunger hatte ich jetzt aber auch. Da ich keine traditionellen Bars mit Tapas-Vitrine entdeckte, ließ ich mich um zwei in einem modernen Brotzeit-Lokal nieder.

Auf einer Fensterbank mit Blick auf einen mediterranen sonnigen Platz ein Tablett, darauf ein Teller mit Kässebaguette, ein Tellerchen mit Canolo, ein gefülltes Glas und eine geöffnete Dose Fanta

Käsebrot, Pistazien-Canolo, Zitronenlimo.

Während ich vesperte, ergriff mich starke Zeitreise-Sehnsucht: So gerne hätte ich das Barcelona aus den Carvalho-Romanen kennengelernt, also vor Umbau für die Olympischen Spiele 1992. (Und die Fanta de limón schmeckt nicht mehr wie in meiner Jugend, kruqustojos fujtelos.) Ich las ausführlich Süddeutsche.

Nächstes Ziel: Sagrada familia. Reizte mich nicht sehr, alles was ich daran sehen wollte, wusste ich von Fotos. Aber ich musste ja Zeit rumkriegen – idealerweise mit Bewegung. Auf der knappen Stunde Fußmarsch bewunderte ich vor allem den vielen Platz, der (offensichtlich durch sehr frische Umbauten) dem Rad- und Fußverkehr auf den Straßen eingeräumt wurde.

Die moderne und doch schnörkelige einfarbige Kirche Sagrada familia, davor Menschen, daneben ein Baukran

Jepp, genau. Aber wenn ich schon mal da war, umrundete ich den Bau und guckte Details. Zum Beispiel die vielen Stile der Figuren.

Kreuzigungsszene aus Steinfiguren, sehr eckig geschlagen

Reiterfigur aus Stein an Wand, schräg und eckig

Abstrakte Steinfiguren an Wand

Krippenszenen aus Steinfiguren im Stil des 19. Jahrhunderts

Sie merken schon: Ich kann mit diesem überladenen Bauwerk nichts anfangen. Aber wie feiern wir in Bayern doch so schön die Vielfalt der Geschmäcker? „Wer’s mog, für den is as Hächste.“

Das Schöne: Die Kirche hat auf zwei Seiten schöne Parks, darin reichlich schattige Bänke. Auf eine davon setzte ich mich und las lange. (Auch hier durchdringender Urin-Geruch.)

Dann war’s trotzdem erst fünf. Ich brauchte noch ein Ziel, steuerte die Kathedrale der Stadt an.

Große Straße mit doppelspurigem Radweg, im Hintergrund ein phallisches Hochhaus

Unterwegs: Auch Barcelona hat ein Gerkin wie London, davor Radler*innen-Paradies.

Die Kathedrale hätte Eintritt gekostet, so groß war mein Interesse nicht. Ich mäanderte weiter, sah Vieles, was mir gefiel. Da ich keine Lust auf eine weitere Einkehr hatte, besorgte ich mir in einem Supermarkt mein Abendessen, ließ mich auf einer der vielen öffentlichen Bänke nieder und aß einen großen Becher Tabuleh mit reichlich Gemüse drin, außerdem Joghurt.

Die weitere Zeit bis zum Aufbruch machte ich es mir in der Hotel-Lobby bequem, hatte meinen Laptop aus dem Koffer geholt und bloggte.

Rollkoffern zum Terminal am Hafen, weit zu früh. Saß ich halt da noch eine Weile herum und sah den Leuten beim Onboarding zu, die nach Ibiza fuhren.

Zur Fähre wurden wir höchstens 30 Passagier*innen dann 200 Meter mit Bus gefahren, ich nehme Versicherungsgründe an wie beim Fliegen.

Schmales Bett an der Wand eines kleinen Raums, daneben eine schmale Konsole, im Spiegel sieht man die Fotografin

Dann endlich: Meine Kabine auf der Fähre. Viel Schlaf würde das bis zum Anlegen in Palma de Mallorca um 6 Uhr nicht werden, aber lieber Bett als Sessel. Hier noch zum Nachtisch Apfel und Schokonüsse, Blogpost fertiggeschrieben. Ins Bett zu sanftem Rollen des Schiffs.

Journal Mittwoch, 18. September 2024 – Start des Mallorca-Abenteuers, Reise bis Barcelona

Donnerstag, 19. September 2024

Wecker klingelte um fünf (gut geschlafen): Kaffeekochen, den nur wenig später aufgestandenen Herrn Kaltmamsell Geburtstagsherzen, Geschenkübergabe, Servieren von Milchkaffee und Geburtstagskuchen – mehr würde ich ihn leider nicht feiern können.

Ich nahm mir Zeit für Milchkaffee und Blogposten, dann ruhiges und durchgeplantes Duschen, Anziehen, Bettmachen, Kofferschließen, Abschied von Herr Kaltmamsell, Rollkoffern zum Bahnhof.

Bildschirm in einem Zug, „Welcome on Board“

Bis jetzt war alles gut gegangen.

Ich saß bis Paris mitten in einer Schulklasse Richtung Schüleraustausch (eine 9., stellte sich heraus), ausgesprochen ruhig und gesittet.

Blick durch Zugfenster in aufgehende Sonne über Landschaft mit Straße

Erster existenzieller Schreck: Auf dem Weg zum Zugklo Seitenblick ins Gepäckregal – Koffer weg. Weg von der Stelle in der großen Ablage, an die ich ihn bei Ankunft geschoben hatte, im gesamten Gestell keine Spur meines markant-farbigen Koffers.

Beim Pinkeln überlegte ich, was jetzt zu tun war (Personal verständigen etc.). Auf dem Rückweg zum Platz checkte ich noch den einzigen alternativen Kofferplatz zwischen Sitzen: Da war er, jemand hatte ihn dorthin verlegt (warum auch immer, im Gestell war reichlich Platz). Tiefe Erleichterung, aber die Übelkeit des Schreckens hielt noch eine ganze Weile.

Ausführliches Zeitunglesen auf meinem Laptop, um halb zwölf Mittagskaffee in der Zug-Bar, schmeckte erwartbar französisch, nicht so das Meine. Bei dieser Gelegenheit wollte ich die per Durchsage angekündigte Möglichkeit nutzen, ein Metro-Ticket für meinen Transfer in Paris zu kaufen: Waren aber schon alle.

Es stellte sich heraus, dass das wirklich praktisch gewesen wäre: Am Pariser Bahnhof Gare de l’Est standen lange Schlangen vor allen Ticketautomaten, bestehend aus Tourist*innen wie mir mit großen Koffern, die sich am Bildschirm alle erstmal in das Tarifsystem einlesen mussten. Bei mir ging’s schnell: Ich brauchte lediglich einen Einzelfahrschein, und der ließ sich mit Maestro-Karte bezahlen. Aber ich hatte eh Zeit: Fast zwei Stunden, bis mein Zug nach Barcelona am Gare de Lyon abfuhr. Zeit für einen ausführlichen Klogang inklusive Wegpacken meines Pullovers in den Koffer, U-Bahn-Fahrt mit einmal Umsteigen.

Ausschnitt einer Bahnhofshalle mit Dach aus Glas und weißen Metallstreben, dadurch sieht man blauen Himmel und die weiße Wand eines Nebengebäudes, darunter Passagiere mit Koffern, einen rot-grünen Snackstand mit der Aufschrift "Rolls"

Nahaufnahme rundes Schild an Snackbude, darauf steht neben "Rolls" auch "Healthy Fooding"

Zeit für Wundern über selbst erfundenes Englisch.

Zuggroßabteil mit Bildschirm „Welcome on board“

Im zeitig bereitgestellten Zug machte ich kurz vor halb drei Brotzeit mit Mitgebrachtem: Äpfel, Hüttenkäse. Es begann die lange, lange Fahrt nach Barcelona, mehr als acht Stunden. Ich verbrachte sie mit viel Aus-dem-Fenster-schauen, da draußen war schließlich exotisches Frankreich! Leider hatte ich im Oberdeck keinen Fensterplatz, musste an wechselnden Nachbar*innen vorbei gucken. Ich hörte dabei meist Musik, fing Fetzen von Gesprächen in den drei Sprachen auf, die ich verstehe: Deutsch, Spanisch, Englisch – ich konnte nicht nicht mithören. Für die rührige Gruppe, die sich in mir unverständlichem Niederländisch unterhielt, war ich richtig dankbar.

Nach Stunden mit Blick auf Weideland (weiße Rinder können die hier) und Schauplätze französischer Landhausfilme wurde die Landschaft immer mediterraner. Elf Stunden nach Abfahrt: Vorm Zugfenster Eukalyptus, Zypressen, Kiefern, Palmen (Montpellier). Jetzt war Urlaub. Zwischen Narbonne und Perpignon gab es im Licht der Abendsonne auch die angekündigten Flamingos zu sehen – leider vor allem auf der anderen Seite des Zuges, es kamen sogar Passagier*innen extra hoch zu Gucken.

Volles Gepäckgestell vor Zugfenster

Meine Aussicht auf die Flamingoseite.

Als die Sonne weg war, las ich in Ted Chiang, Exhalation, immer erschöpfter und mit immer unangenehmerem linksseitigen Kopfweh.

Wir erreichten pünktlich um halb zehn Barcelona Sants. Ich ignorierte die recherchierte U-Bahn-Verbindung zum Hotel in der Nähe des Fährenhafens: Eine 40-minütiger Fußmarsch war jetzt genau, was ich wollte. Die Luft war mild, der Boden noch nass von einem offensichtlichen kürzlichen Regenguss.

Hotelbett mit Lampenlicht von links, rechts Fenster in die Nacht

Einchecken im großen Hotel (Gepäckaufbewahrung für den nächsten Tag war mir gleich angeboten worden, ich habe bis zur nächtlichen Fährenfahrt einen ganzen Tag). Die Übernachtungspreise in Barcelona waren bei Buchung überraschend hoch gewesen; in diesem Fall wohl erklärt durch die eigene Terrasse, die zum Zimmer gehört: Durch die Tür rechts vom Bett, gut doppelt so groß wie das Zimmer selbst. Ich ließ die angenehme Nachtluft herein, aß noch etwas, sogar mit Appetit: Äpfel, die ich auf dem Hermarsch in einem 24-Stunden-Obstladen gekauft hatte, eine aus München mitgebrachte Körnersemmel.

Völlig erledigt ins Bett, die Ibu wollte nicht recht gegen das Kopfweh helfen.

Journal Dienstag, 17. September 2024 – Urlaubstag mit Reisevorbereitungen

Mittwoch, 18. September 2024

Ganz gut geschlafen, wieder kurz nach Herrn Kaltmamsell für Morgenkaffee-Zubereitung aufgestanden.

Das Draußen weiterhin regnerisch und düster.

Noch beim Bloggen trieb mich die Reiseunruhe zu Pack-Handgriffen: Ich stapelte Kleidung und Ausrüstung, notierte nötige Einkäufe (Blasenpflaster!), sortierte die zugeschickten und selbst produzierten Reiseunterlagen zu einem handlichen Strebermapperl (noch ohne Einkleberchen). Der Blick auf die Wetterprognosen für Mallorca verhieß weiterhin um die 25 Grad und meist Sonne, gute Aussichten. Dennoch legte ich ein extradickes Paar Wollsocken auf den Kleidungsstapel: Ich werde nicht nochmal in einer Spätsommerurlaubs-Unterkunft vor lauter Frieren schlechte Laune bekommen.

Nach Wäscheaufhängen dachte ich gegen neun, es könnte aber mal langsam hell werden. Doch das war bereits das Hell des Vormittags. Egal, ich wollte ein wenig an der Isar laufen; zwar hätte ich meine Schmerzefüße (Beschwerden unverändert) auch vor dem Wanderurlaub schonen können, doch ich hatte vor allem die zweieinhalb Reisetage vor Augen, an denen ich mich praktisch gar nicht bewegen würde.

Auf der Straße wie schon am Montag ein beträchtlicher Anteil Menschen in Wintermantel und Mütze. Ich lief über Alten Südfriedhof an die Wittelsbacherbrücke, auf der Ostseite oben auf dem Damm bis Thalkirchen – mein gewohnter Fußweg an der Isar war zwar nicht überflutet, doch ich wusste, dass viele Pfützen und stehendes Wasser auf den Wiesen für nasse Füße sorgen würden. Wo ich diese Laufschuhe doch auf der Reise tragen wollte.

Ganz trocken blieben sie allerdings auch oben nicht: Zu viele Weg-breite Pfützen. Doch ich genoss die Bewegung, beließ es auch brav bei 70 Minuten Joggen.

Blick von einer Steinbrücke auf einen hellbraunes Hochwasser führenden Fluss, im Vordergrund angeschwemmte Baumstämme mit Wurzeln

Blick von halb oben auf überschwemmtes Flussufer

Blick von der Wittelsbacherbrücke nach Süden: Die Überschwemmung war schonmal schlimmer.

Geschlossenes Kiosk-Häuserl an Uferweg, über und über mit Graffiti bemalt

Kiosk an der Braunauer Eisenbahnbrücke.

Unter einer großen Betonbrücke, die bemalten Pfeiler stehen im Hochwasser

Unter der Brudermühlbrücke.

Rauschendes hellbraunes Hoch-Flusswasser, links angeschnitten ein nasser Holzsteg

Überschwemmte Flusslandschaft, links angeschnitten ein nasser Holzsteg

Am Flaucher, der Steg war nicht gesperrt.

Auf dem Heimweg kaufte ich Frühstückssemmeln und Brot für abends. Für Frühstück war’s daheim aber noch zu früh (noch nicht mal zwölf!), nach dem Duschen ging ich auf eine Einkaufsrunde. Da ich mir als Abendessen zum Abschied eine ur-bayerische Mahlzeit gewünscht hatte, nämlich Kesselwürscht (im Gegensatz zu Bratwürsten im Wasser erhitzt), ging ich zu einer renommierten Wurst-Metzgerei: Bauch im Schlachthofviertel. Dann noch Supermarkteinkäufe.

Frühstück um eins: Restl Fenchelgemüse vom Vorabend, Körnersemmel mit Butter und Honig, Restl Joghurt.

In meiner ursprünglichen Urlaubsplanung hatte ich leider die Dauer der Anreise unterschätzt. Die Folge: Ich kann am Mittwoch Herrn Kaltmamsells Geburtstag nicht mit ihm feiern, mein Zug geht sehr früh morgens. Zumindest sollte er einen Geburtstagskuchen von mir bekommen, also buk ich Zitronenkuchen (weil der Jubilar aus einer Zitronenkastenkuchen-Kultur kommt, im Kasten).

Kastenkuchen mit weißem , unregelmäßigem Zuckerguss

Weitere Einkäufe, es war spürbar wärmer geworden, außerdem kam die Sonne raus. Kofferpacken erstmals mit Hilfe von Einzeltaschen – bislang wirkt das wie eine gute Idee, vor allem bei einer Reise mit fast täglichem Unterkunftwechsel.

Aufsicht auf einen aufgeklappten Koffer, darin hauptsächlich rechteckige graue Taschen

Es fehlt nur noch der (große) Kulturbeutel.

Abendliche Yoga-Gymnastik, mittelzackig. Abendessen servierte ich – vielleicht keine große Kunst, aber zumindest weiß ich, wie Würscht idealerweise erhitzt werden: Genug Wasser in genügend großem Topf zum Kochen bringen, vom Herd nehmen, in diesem Wasser die Würscht 15 Minuten ziehen lassen. (Manche salzen das Wasser, damit die Würscht nicht auslaugen, doch die meisten Metzger haben das beim Würzen eingerechnet.)

Gedeckter Tisch mit einem Topf voll Würsten, Senfgläsern, Brotscheiben

Dazu Krautsalat – eine Mahlzeit ganz ohne Gemüse geht irgendwie nicht. Nachtisch Schokolade.

§

Spannende Details über langfristige Stadtplanung: Dass Wien vor Überflutung bewahrt wurde, war kein Zufall.
“Jahrhunderthochwasser: Warum Wien relativ glimpflich davongekommen ist”.

(Gibt es eigentlich in Deutschland einen Mechanismus, der Bundeshilfsgelder nach Fluten irgendwie daran koppelt, wie viel die Kommune vorher bei bekannten Risiken für Hochwasserschutz getan hat? Oder umgekehrt proportional zur vorherigen Flächenversiegelung?) (Bitte nicht antworten.)