Journal Dienstag, 27. Mai 2025 – Berlin Tag 4: re:publica-Bereicherung und nahöstlicher Abend

Mittwoch, 28. Mai 2025 um 8:34

Ein drittes Mal deutlich überdurchschnittlich geschlafen, und das, obwohl ich immer noch aufgedreht ins Bett gegangen war und nochmal aufgestanden, um mit einer IBU das Aufdreh-Kopfweh zu besänftigen. Wieder vom Wecker geweckt, das Verbloggen eines re:publica-Tags inklusive Bildern braucht dann doch knapp zwei Stunden.

Zumal ich beschloss, Urlaub zu haben, mich nicht innerlich zu hetzen, mir sogar eine Runde Bewegung in milder Luft und mittelfreundlichem Wetter zu gönnen: Ich ging eine Stunde zu Fuß zur Station Berlin. Das war eine gute Idee und tat sehr gut.

Städtischer Prachtbau mit einer historisierenden Fassade und ums Ecke einer modernen, einziges Graffiti auf einer Mauer zum Ufer "Unsere Geschichte ist eure Beute"

Humboldt Forum mit kritischer Beschriftung (und Deppen Leerzeichen), Besichtigung auf der Liste für nächsten echten Berlin-Urlaub.

Für meine 1up-Graffiti-Sammlung (Anhalter Straße).

Beim Kreuzen des Tempelhofer Ufers wenige Minuten von der re:publica entfernt passierte ich eine Warteschlange, die mich wundern ließ, was es in diesen Gebäuden wohl gab. Bis ich merkte, dass es sich um die 300 Meter lange Schlange zum Einlass mit Taschenkontrolle für die re:publica handelte – ich sah mich bereits die erste geplante Session der Konferenz verpassen. Doch auch das hatten die Veranstalter*innen im Griff: Ich nehme an, dass weitere Taschenkontroll-Stationen eingerichtet wurden, denn die Schlange bewegte sich in echtem Schritttempo, ich gab meine Sorgen auf.

Noch einer für die Sammlung, inklusive Schlange.

Die Podiumsdiskussion, deren Verpassen mich geschmerzt hätte: “Truth Under Fire: Documentary Filmmaking Between Risk, Ethics, and Innovation”. Und ich hätte wirklich etwas verpasst: Die drei Dokumentarfilmer*innen erzählten (vorbildlich kundig moderiert von Anna Ramskogler-Witt) Hintergründe und handwerklichen Details ihrer jüngsten Feature-Dokus.

Die Britin Havana Marking (auf dem Bild in der Mitte) veröffentlichte 2024 Undercover, Exposing the far right, in dem ein investigativer Journalist der Organisation Hope not hate beim Undercover-Aufdecken eines rechtsextremen Netzwerks samt Finanzierungshintergrund begleitet wird. Der Österreicher Friedrich Moser (zweiter von rechts) steht hinter dem Film von 2024 How to build a truth engine, in dem er verschiedene Aspekte der menschlichen Wahrnehmung und Manipulierbarkeit untersucht. Und Franz Böhms Crowdfunding-finanziertes Debüt-Langfilmprojekt Dear Future Children begleitete jeweils vier Monate lang junge politische Aktivist*innen in Hong Kong, Chile und Uganda. Er beleuchtete unter anderem Methoden, seine Protagonist*innen zu schützen, mit zwischenmenschlichen und technischen Mitteln. Ich habe selten in so kurzer Zeit so viel völlig Neues erfahren (was übrigens exakt mein Antrieb für die Teilnahme an der re:publica ist: dass sich mir bislang noch jedes Mal Türen in ganz neue Welten öffneten).

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https://youtu.be/Ps8MlGrtu10?si=hmVjmyrNsHHQ2jPD

Hier die Aufzeichnung der Session.

Ricarda Lang kam auf Stage 1: “Politik, persönlich: Ricarda Lang im Gespräch mit Johnny Haeusler”. Das war ganz reizend, aber zumindest für mich ohne neue Einsichten.

Ich machte Kaffeepause draußen in der Sonne mit einem Internetfreund, genoss Update und Austausch.

Dann wurde es ein bisschen bizarr. Der Titel der Session, “‘It’s a trap’: E-Commerce & Why We Still Consume” hatte mich nicht darauf vorbereitet, dass hier jemand mal wieder die Geschichten von der “Digital-Sucht” verbreiten würde. Ich meldete mich mit der Frage, ob nur das begeisterte Romanlesen auf einem Bildschirm Suchtrisiken berge, oder auch auf Papier, und hörte, doch doch, auch auf Papier gebe es Suchtpotential, wenn man seine Pläne danach ausrichte (schuldig im Sinne der Anklage, ich schaffe mir regelmäßig gezielt Zeit fürs Weiterlesen eines fesselnden Romans), aber beim Bildschirm sei es durch das schädliche blaue Licht (längst widerlegt übrigens) besonders hoch. Eine andere Wortmeldung mahnte zurecht eine wissenschaftlich fundiertere Verwendung des Begriffs “Sucht” an.

Der interesssantere Teil, den mich der Titel eher erwarten hatte lassen, kam von der aus Nigeria zugeschalteten Chiso Ndukwe-Okafor, die von Online-Einkaufsfallen besonders auf dem riesigen nigerianischen Markt berichtete. (Und der ich ihre superschicke Brille neidete.) Auch von Sarah Lange, die über Methoden zur Vermittlung von Mechanismen der Online-Manipulation für Kinder sprach.

Jetzt gab‘s Brotzeit: Ich hatte mir im Laden von Sonntag nochmal ein Sprossen-Karotten-Sandwich besorgt.

Über den nächsten Programmpunkt hatte ich mich bei Sichten des Angebots besonders gefreut: “Behind the scenes: Das Art Department der re:publica”.

re:publica-Mitgründerin Tanja Haeusler – wenn sie schon nicht auf die große Bühne wollte.

Seit vielen Jahren fällt mir die visuelle Gestaltung der Konferenz positiv auf, hinter der so offensichtlich immer ein erstaunliches kreatives Konzept und sehr viel Liebe zum Detail stehen. Die Aussicht, es diesmal auch erklärt zu bekommen, fand ich wunderbar.

Nicht nur ich, wie sich erwies, der Vortragsort war komplett überfüllt. Die Kreativagentur, die seit zehn Jahren hinter der Gestaltung steht, ist fertig design. Norman Palm leitete das Konzept für 2025 und das Motto “Generation XYZ” her – und ließ sich anschließend mit Fragen löchern. Sehr spannend.

Währenddessen beschloss ich eine Planänderung für den Rest meines Tages: Zum Abendessen war ich mit einem Berliner Internet-Kontakt von ganz früher verabredet, wollte vorher aber unbedingt noch den abgefahrenen japanischen Tee einkaufen, den ich am Sonntag kennengelernt hatte, außerdem Brotzeit für den Mittwoch. Ich machte also bereits jetzt Präsenz-Schluss und marschierte zu dem Teeladen in der Nähe meines Hotels.

Tempelhofer Ufer.

Anhalter Bahnhof.

Die letzte Tages-Session der re:publica, die ich wirklich nicht verpassen wollte, fand ja auf der Stage 1 statt, die live ins Internet übertragen wurde: Ich guckte in meinem Hotelzimmer “Poesie gegen Populismus – die schönsten Nebenschauplätze unserer Diskussionskultur” mit Sarah Bosetti. Das war so erfrischend wie ihre Clips “Bosetti will reden”, vielen Dank.

Um am nächsten Morgen nicht wieder zwei Stunden festzuhängen, schrieb ich schonmal am Blogpost, fuhr dann mit der U-Bahn zu meiner Verabredung: Wir trafen uns im Layla zu einem Abendessen mit nahöstlicher Küche.

Hervorragender Cocktail auf Calvados-Basis zum Start.

Einmal rundum Vorspeisen-Köstlichkeiten als Nachtmahl – die Teigtaschen sind libanesische Pfannkuchen, auf die ich besonders gespannt war. Auch Nachtisch gab es noch, unter anderem aus Engelshaar und Kirscheis. Alles schmeckte ganz ausgezeichnet.

Vor allem aber kam ich wieder in Konktakt mit meiner Verabredung, ich hatte sie sehr vermisst.

Problemlose Fahrt zurück.

die Kaltmamsell

1 Kommentar zu „Journal Dienstag, 27. Mai 2025 – Berlin Tag 4: re:publica-Bereicherung und nahöstlicher Abend“

  1. ix meint:

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    Gerne gelesen

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