Journal Mittwoch, 28. Mai 2025 – Berlin Tag 5: Nasse Füße und re:publica bis Singen

Donnerstag, 29. Mai 2025 um 10:33

Weckerwecken weil Bloggen, trotz der Vorarbeit am Dienstag kam ich unter Zeitdruck.

Erhöhte Perspektive auf große Großstadtkreuzung im Regen

Draußen war es regnerisch und wirklich greislich, fast wäre ich eingeknickt und hätte die U-Bahn zur Station genommen. Doch dank der Berliner Freundin hatte ich ja einen Schirm, bockig bestand ich auf Fußweg zur re:publica.

Und hatte (ich bin jetzt 58 und lerne es wohl nie) auch diesmal vergessen, dass ernsthafter Regen nicht nur Nässe von oben bedeutet: In der Station (Schlange am dritten und letzten Tag vor allem vor der Kofferabgabe: all die Abend-Heimreiser*innen) trocknete ich Turnschuhe und Socken auf dem Klo notdürftig mit Papiertüchern. Doch ich bekam meine Füße bis kurz vor Ende der Veranstaltung nicht trocken und vor allem nicht wirklich warm; zwischendurch sorgte ich mich dann doch, ob ich davon krank werden könnte.

Ganzkörper-Spiegelselfie einer Frau mit Brille, kurzen weißen Haaren, schwarzer Hose, buntem T-Shirt, überm Arm hält sie eine weiße Jacke

Wie schon am Vortag postete ich ein Spiegelselfie meines Outfits, um von denen, die mit mir Kontakt aufnehmen wollten, erkannt zu werden. Nachdem die eine oder andere erwähnt hatten, sie hätten sich nicht getraut mich anzusprechen, lächelte ich gestern jede an, deren Blick meinen irgendwie streifte. (So entstehen “Alle-irre!”-Situationen.)

Einstieg in den Konferenztag:

Blick von links auf eine große Bühne, auf der entfernt zwei Personen sitzen, hinter ihnen auf einer Leinwand "re:publica25", links davon große die Übertragung des Gesichts der Referentin, vor der Bühne die Silhouette von zwei Fotograf*innen

Prof. Hedwig Richter, interviewt von Geraldine de Bastion zu “Das eherne Gehäuse der Geschlechterordnung: Hausfrauen und Krise”. Thema und Autorin (Professorin für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität der Bundeswehr München) kannte ich schon von einem ausführlichen Artikel dazu in der Süddeutschen (€), wollte sie aber mal in Echt sehen (Hedwig Richter war mir nicht nur mit diesem Artikel positiv aufgefallen) und hörte dann auch einige zusätzliche Details über manche kontra-intuitiven Aspekte, zum Beispiel dass die Nachkriegs-Hausfrau die zentrale Figur der sich neu formierenden Konsum-Gesellschaft war und dass diese Familienform kein typisch deutsches Phänomen war, sondern ein gesamt-westliches. Auffallend in dieser Session: Superspannende Zuschauerinnen-Fragen.

Blick von rechts auf eine niedrige Bühne, auf der voert Menschen sitzen, ganz links steht ein Sprecher mit Mikrofon, auf der Leinwand hinter der Bühne "True history: Was, wenn alles ganz anders war?"

Wechsel zu einer anderen Bühne: “True history: Was, wenn alles ganz anders war?” Thema waren zwei unterhaltende Geschichts-Formate: Von arte gibt es demnächst (nur im Web) das Magazin „Stimmt es, dass …?“, Autorin Madeleine Dallmeyer und Produzent Jannis Funk erklärten das Konzept, mit dem sie von scheinbar gesetztem historischen Wissen ausgehend zeigen, dass es nie so einfach ist, Vieles davon schlicht nicht stimmt oder einfach nicht zu verifizieren ist. Klingt hochspannend. An den Erklärungen von Historiker/Journalist Joachim Telgenbüscher zu seinem Podcast “Was bisher geschah” fand ich besonders die Details einer professioniellen Podcast-Produktion und -Vermarktung interessant.

Mittagscappuccino mit einigen meiner kleinen Internet-Freund*innen.

Von links Blick auf mittelgroße Bühne, darauf sitzen vier Personen, auf der Leinwand dahinter Weiß auf Rot "MONITOR"

Vom “MONITOR-Forum: Social Media regiert die Welt – Brauchen wir eine öffentlich-rechtliche Plattform?” erhoffte ich mir genau das: Reflexionen zum künftigen Anspruch der Öffentlich Rechtlichen an sich selbst. Georg Restle (Redaktionsleiter MONITOR) beleuchtete das im Gespräch mit Constanze Kurz (<3), Annika Brockschmidt und Nadia Zaboura von vielen hochspannenden Seiten und durchaus mit verschiedenen Schwerpunkten. Unter anderem wies Constanze Kurz darauf hin, dass das Fediverse (Szenenapplaus bei Erwähnung, dass die Öffentlich Rechlichen verpflichtet sein sollten, auch dort zu posten, “Ich habe schon gemerkt, dass es beim Stichwort ‘Mastodon’ immer Applaus gibt”) nicht das Allheilmittel sei: Zu viele Menschen seien auf die Monetarisierung ihrer Inhalte über die Giganto-Plattformen wie YouTube angewiesen, doch diese müssten gesetzlich von der EU reguliert werden: “Keine Tracking-basierten Geschäftsmodelle”.

Nebengedanken:
1. SO kann eine Podiumsdiskussion aussehen, die die bessere TV-Talkshow wäre. Nein, es waren keineswegs alle einer Meinung, aber alle waren interessiert an Erkenntnisgewinn.
2. Ich kann gar nicht ausdrücken, wie sehr es mein Feministinnenherz zum Leuchten bringt, so viele atemberaubend kluge Frauen auf den Bühnen zu erleben.

Weiße Seitenwand einer riesigen Halle, daran sitzen auf dem Boden mehrere Menschen mit Laptops

Generisches re:publica-Foto.

Zeit für meine Brotzeit auf dem Affenfelsen: Apfel, Hüttenkäse.

Blick von vorn auf eine Bühne, darauf ein Mann, hinter ihm auf blauer Leinwand in Weiß "Share & Conquer"

Überraschendes in Patrick Stegemanns Vortrag “Share & Conquer: Wie Influencer*innen plötzlich Weltpolitik machen”: Nicht nur zeichnete er nach, wie viele Mitglieder des aktuellen Kabinetts von Donald Trump vorher ihr Geld (auch) als Web-Influencer und mit der Persönlichkeits-gebundenen Vermarktung von Zeug im Internet verdienten. Ich wusste auch nicht, dass drei Abgeordnete des aktuellen Europa-Parlaments davor Influencer waren und sich über Web-Kampagnen auf ihren Kanälen durch ihre Web-Follower dorthin haben wählen lassen. Sehr gruslig.

Große Bühne von vorn, rechts am Rednerpult eine Frau, lins große Leinwand, darauf Weiß auf Schwarz "Unterschätze niemals die Macht der Verdrängung!"

“Unterschätze niemals die Macht der Verdrängung!” lautete der Titel des diesjährigen Vortrags von Verschwörungs-Mythen-Forscherin Katharina Nocun aka @kattascha. Unter anderem ein Appell, Faschismus als Faschismus zu benennen und der sachliche, historisch unterfütterte Hinweis: Schweigen ist Zustimmung.

Nochmal eine Pause auf dem Affenfelsen, jetzt lernte ich einige langjährige Online-Kontakte auch persönlich kennen, das war schön.

Blick von rechts auf eine Bühne, links eine Frau am Rednerpult, auf der Leinwand hinter ihr "Unmaking sense: Desinformation als Gegenerzählung"

Von Jeanette Hofmann, Direktorin Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, ließ ich mir in “Unmaking sense: Desinformation als Gegenerzählung” ihre Perspektive auf Mechanismen der Desinformation erklären. Zentrale These: Es geht nicht um Wahrheit, sondern um die Personalisierung vertrauenswürdiger Weltdeutungen (im Gegensatz zu wissenschaftlichen Belegen). Menschen verbreiten Desinformation weiter aus Loyalität und Beleg ihrer Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft – Fact Checking mag also schon für die Akten nützlich sein, wird aber diesen Mechanismus nicht beeinflussen. (Ich notierte mir als Lektüre-Tipp A Social History of Thruth von Steven Shapin.)

Das letzte Panel, das ich mir als interessant notiert hatte, stellte sich als (für mich) langweilig heraus, ich spazierte schonmal zu Stage 1, um mir für die große Abschiedssause einen Platz in der ersten Reihe zu sichern. Was mich als Web-Seniorin entlarvte, ich traf dort einige besonders langjährige Online-Mitmenschen.

Wie immer Zahlen und Fakten zu den vergangenen drei Tagen:

Große Bühne, bunt beleuchtet, rechts ein Mann mit Mikrofon, auf der Leinwand "Programmpunkte auf den Bühnen 663"

Große Bühne, bunt beleuchtet, auf der Leinwand "Sprecher*innen eher weiblich 531, eher männlich 427, non-binär 21, keine Aussage 237"

Große Bühne, bunt beleuchtet, rechts ein Mann mit Mikrofon, auf der Leinwand "Sprecher*innen nach Generationen, Boomer 2%, X 26%, Y 60%, Z 11%"

Große Bühne, bunt beleuchtet, rechts ein Mann mit Mikrofon, auf der Leinwand "App Installatioin auf iPods: 2"

Große Bühne, bunt beleuchtet, rechts ein Mann mit Mikrofon, die Silhouette eines Kameramanns, auf der Leinwand "AfD-Politiker*innen auf der Bühne 0"

Die Gründer*innen auf die Bühne!

Große Bühne, auf der sich stehend vier Personen bewegen, hinter ihnen auf der Leinwand ein QR-Code und "Feedback"

Feiern der Mitarbeiter*innen auf der Bühne, gemeinsames Singen von Queens “Bohemian Rhapsody” (das muss so), aus.

Abschiedsgruß auch heute noch: “Wir lesen uns.” Das hier startete ja mal als Bloggerkonferenz. (Es gibt erste Ideen der Ursuppe, zur 20. re:publica 2027 eine historische Blog-Rückschau auf die Beine zu stellen.)

Ich wusste seit Tagen, wo ich abendessen wollte: Am Samstag hatte ich bei meinem Spaziergang durch Mitte einen Laden gesehen, vor und in dem Menschen asiatische Suppe aus großen gelben Schüsseln aßen, das wollte ich auch. U-Bahn bis Stadtmitte, von dort Marsch im Trockenen und sogar mit ein wenig Sonne bis hoch zu Sanku Maots’ai. Es stellte sich heraus, dass das Lokal ein Baukastensystem wie Subway hatte: Ich holte mir aus einem reichhaltigen Buffet Suppeneinlagen, gab sie an einer Theke ab und wählte eine Brühe, zahlte und bekam einen numerierten Abhol-Dongle, der brummte, als meine Bestellung abholbar war.

Kleiner Restauranttisch mit Schüssel asiatischer Suppe auf Tablett,  dahinter minimalistisches Lokal

Durch ein grobmaschiges Netz fotografiert Leuchtschrift über einem bleuchteten Buffet, davor die Silhouetten von Menschen

Schmeckte genau so erfreulich, wie ich mir das erhofft hatte. UND! Ich stellte fest, dass meine Füße endlich richtig warm und trocken waren.

Blick eine Straße hinunter auf Berliner Fernsehturm vor blauem Himmel

Spaziergang ins Hotel, dort zum Nachtisch Schokolade.

Diesmal hatte ich wegen meiner Teilnahme an einer Digital- und Gesellschaftskonferenz in den drei Tagen fast null vom Weltgeschehen mitbekommen, ein bisschen paradox. Im Hotelzimmer war ich aber zu erledigt für ein Nachholen, las nur ein wenig Internet, genoss den Ausblick.

Hotelzimmerfenster, hinter dem die Sonne über einer Großstadt untergeht

Blick hinunter auf nächtliche Großstadtkreuzung

die Kaltmamsell

2 Kommentare zu „Journal Mittwoch, 28. Mai 2025 – Berlin Tag 5: Nasse Füße und re:publica bis Singen“

  1. ix meint:

    ******************KOMMENTAROMAT**********************

    Gerne gelesen

    *******************************************************

  2. Sylvia meint:

    Der Appetit auf asiatische Nudelsuppe überfällt mich auch gelegentlich, in München ist dann die Slurp Noodle Bar (mehrere Standorte) eine gute Anlaufstelle. Auch dort Baukastensystem, aber mit Service am Platz.

Beifall spenden: (Unterlassen Sie bitte Gesundheitstipps. Ich werde sonst sehr böse.)

XHTML: Folgende HTML-Tags sind erlaubt: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>


Sie möchten gerne einen Kommentar hinterlassen, scheuen aber die Mühe einer Formulierung? Dann nutzen Sie doch den KOMMENTAROMAT! Ein Klick auf einen der Buttons unten trägt automatisch die gewählte Reaktion in das Kommentarfeld ein, Sternchen darüber und darunter kennzeichnen den Text als KOMMENTAROMAT-generiert. Sie müssen nur noch die Pflichtfelder "Name" und "E-Mail" ausfüllen und den Kommentar abschicken.